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Corona-Pandemie: Steigende Zahlen: Fruchtet Merkels Appell an die Bevölkerung?

Corona-Pandemie

Steigende Zahlen: Fruchtet Merkels Appell an die Bevölkerung?

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    Angela Merkel nutzte ihre wöchentliche Video-Ansprache für einen Appell an die Bevölkerung.
    Angela Merkel nutzte ihre wöchentliche Video-Ansprache für einen Appell an die Bevölkerung. Foto: Olivier Hoslet, dpa

    Wer wissen will, wie Sprache wirkt, der muss nur nach Amerika blicken. Seit Monaten schon streut dort Präsident Donald Trump ein Wort in seine Reden, das zum Kampfbegriff mutiert ist: China-Virus. Corona als Waffe im Wettkampf der Supermächte, ein Wort, das zum Angriff bläst.

    In Deutschland gehörten rhetorische Zuspitzungen lange nicht mehr zum politischen Repertoire. Die Physikerin Angela Merkel mied die direkte Ansprache. Doch die Pandemie zwingt auch die Bundeskanzlerin, ihre Politik stärker zu erklären – und dort, wo das Regierungshandeln an seine Grenzen gerät, auf die Macht des Wortes zu setzen. So wie in ihrem jüngsten Podcast. Das „Wir“ wird zu ihrem entscheidenden Mittel: Sie stellt Nähe her und verleiht ihren Aussagen damit etwas Beschwörende, Anspornendes. Eindringlich appellierte die Kanzlerin an diesem Wochenende erneut an die Bevölkerung, sich an die Regeln zu halten – auch an die, die sie selbst nicht festschreiben kann.

    Der Rückhalt der Bevölkerung für die Corona-Maßnahmen ist entscheidend

    Merkel kann nicht durchregieren in einem föderalen Bundesstaat. Die Länder haben eine entscheidende Rolle im Kampf gegen das Virus. In zentralen Fragen aber gibt es keine einheitliche Linie. Gleichzeitig kippen Gerichte die Beschlüsse, zu denen sich die Politik in mühsamen Prozessen durchgerungen hat. Selbst Verordnungen, die getroffen wurden, lassen sich kaum überprüfen. Umso wichtiger ist für die Politik der Rückhalt in der Bevölkerung.

    Gerade weil die Kanzlerin als zurückhaltende Rednerin bekannt ist, erzeugt sie mit ihren Appellen eine besonders große Wirkung. Schon zu Beginn der Corona-Pandemie war es ihr mit einem Fernsehauftritt gelungen, die Bevölkerung auf schwierige Wochen einzustimmen. Inzwischen schnellt die Zahl der Neuinfektionen wieder in die Höhe, ein zweiter wirtschaftlicher Stillstand aber soll mit allen Mitteln verhindert werden. „Wie der Winter wird, wie unser Weihnachten wird, das entscheidet sich in diesen kommenden Tagen und Wochen. Das entscheiden wir alle durch unser Handeln“, sagt Angela Merkel. Merkel weiß, dass viele Deutsche „ihrer“ Krisenkanzlerin vertrauen: Sie führt die Liste der beliebtesten Politiker nach wie vor an. Und legt deshalb ihr ganzes Gewicht in die Waagschale.

    "Sehnsucht nach Orientierung" in der Corona-Zeit

    Ob es wirkt? „Es gibt in diesen komplexen Zeiten eine drastische Sehnsucht nach Orientierung in der Gesellschaft“, sagt der Münchner Politikwissenschaftler Werner Weidenfeld der Bild-Zeitung. „In diesen Zeiten ist der direkte Appell an das Volk und die damit verbundene Deutungshoheit über die Geschehnisse die vielleicht elementarste Form der Machtausübung.“

    Kritik kommt hingegen von FDP-Chef Christian Lindner: „Wenn die Bundeskanzlerin eine solche Dramatik sieht, muss sie umgehend eine Regierungserklärung abgeben. Ein Podcast ersetzt nicht die Debatte im Bundestag, wenn es um Grundrechte geht.“

    Zumindest in Umfragen hat die Regierung bislang Erfolg: Mehr als zwei Drittel der Deutschen sind mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung tendenziell zufrieden. 68 Prozent der Befragten beurteilten die Führung in einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar als „eher gut“. Doch da gibt es auch noch andere Zahlen – die des Robert-Koch-Instituts, die nahelegen, dass viele Regeln im Alltag eben doch nicht befolgt werden. 5587 neue Fälle meldete das RKI am Sonntag.

    Blick in die europäische Nachbarschaft

    Helfen am Ende also doch nur drastischere Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, weil alle Appelle verpuffen? Ein Blick in andere EU-Staaten zeigt zumindest, was drohen könnte. In Slowenien stellte das Gesundheitsamt wegen der rasch steigenden Zahl von Infektionen die Nachverfolgung der Kontakte von positiv getesteten Menschen ein. Man sei nicht mehr in der Lage, die große Zahl der Fälle zu bewältigen. In den Niederlande ist die Lage in Krankenhäusern und auf Intensivstationen bedrohlich. Dort liegen bereits so viele Covid-19-Patienten, dass die normale Pflege für andere Patienten abgebaut wird. Die Notaufnahmen in Großstädten müssen bereits zeitweilig geschlossen werden, das Personal wird knapp. In Frankreich sind binnen 24 Stunden erstmals mehr als 32.000 neue Corona-Infektionen registriert worden. In Paris und anderen französischen Städten trat in der Nacht zum Samstag deshalb eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. (mit dpa)

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