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Standpunkt: Streitgespräch Teil 2: Für Christian Wulff

Standpunkt

Streitgespräch Teil 2: Für Christian Wulff

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    Niedersachsens Ministerpraesident Christian Wulff (CDU) .
    Niedersachsens Ministerpraesident Christian Wulff (CDU) . Foto: nid

    Gut, man hat sich auch andere Kandidaten für das höchste Staatsamt vorstellen können. Vor allen anderen: Ursula von der Leyen. Sie ist eine bewährte und innovative Politikerin, ihr Sprung als erste Frau an die Staatsspitze hätte große Symbolkraft entfaltet. Das wäre eine wirklich gute, eine mutige Entscheidung gewesen. Aber die Unionsparteien und die FDP, die die meisten Wahlmänner und -frauen in der Bundesversammlung stellen, bekamen Angst vor der eigenen Courage. Aber wenn

    Für Wulff spricht die politische Erfahrung. Dies ist der entscheidende Punkt. Köhler, der erste Präsident, der weit entfernt vom regulären Ende seiner Amtszeit hinwarf, mangelte es genau daran. Er war nicht gut genug vernetzt, er litt an der Kälte des Politikbetriebs im Haifischbecken Berlin.

    Solcher Isolation kann Professionalität vorbeugen. Und die besitzt der Niedersachse Wulff. Sein Kontrahent Gauck hingegen hat bis auf eine kurze Mitgliedschaft in der letzten, demokratisch gewählten DDR-Volkskammer keine Erfahrung als Parlamentarier, einer Regierung hat er nie angehört. Wulff hingegen ist seit 26 Jahren Abgeordneter im niedersächsischen Landtag, seit 2003 regiert der CDU-Politiker als Ministerpräsident das Bundesland. Das sind gute Voraussetzungen für einen, der sich im Schloss Bellevue nicht abkapseln soll, sondern der den engen Kontakt des Verfassungsorgans Bundespräsident mit den Verfassungsorganen Bundeskanzler, Bundestag und Bundesrat pflegen soll.

    Natürlich muss der Bundespräsident auch mit den Bürgern reden, das ist sogar eine seiner vornehmsten Aufgaben. Dies lag Horst Köhler, und Joachim Gauck steht ihm darin vom Talent her in nichts nach. Möglicherweise versteht sich der gelernte Pfarrer sogar noch besser auf die öffentliche Ansprache. Aber kann dies mangelnde politische Erfahrung aufwiegen? Nach dem Köhler-Rücktritt muss die Antwort nein lauten. Zumal der Rechtsanwalt Wulff vielleicht kein mitreißender, aber doch ein passabler Redner ist. Und leutselig kann er auch sein: Das hat Wulff - nach zwei Niederlagen - in den beiden Wahlkämpfen bewiesen, aus denen er in Niedersachsen als Sieger hervorging.

    Mit 50 im richtigen Alter - und Gauck weiß: Er ist zu alt

    Für Wulff spricht auch das richtige Alter. Mit 50 Jahren steht er mitten im Berufsleben, der 70-jährige Gauck dagegen hat schon längst das Rentenalter erreicht. Man mag einwenden, dass Konrad Adenauer sogar erst mit 73 Jahren Bundeskanzler wurde. Aber das waren andere Zeiten. Heute besteht keine vergleichbare Notlage. "Er ist in einem Alter, das ihn auch sensibel macht für Zukunftsthemen wie die Generationengerechtigkeit", sagt einer, der Wulff kennt.

    Gauck weiß selbst, dass er zu alt ist für den anspruchsvollen Job, den der gewählte Bundespräsident fünf Jahre lang ausfüllen muss. Auf der Leipziger Buchmesse sagte der einstige Chef der Stasi-Unterlagenbehörde kürzlich auf die Frage, ob er nochmals ein führendes Amt bekleiden würde: "Also ich bin jetzt 70, und das wäre ein Armutszeugnis für jede große Institution, wenn sie die 70-Jährigen reaktivieren müsste." Daran gemessen, hat sich der aufrechte Herr Gauck mit seiner Kandidatur für das Bundespräsidentenamt als Umfaller entpuppt. Irgendwie peinlich, dass der zur moralischen Institution hoch stilisierte Gauck heute schon nicht mehr wahrhaben will, was er gestern gesagt hat.

    Wulff ist im Übrigen auch besser als sein Ruf. Er gilt zwar als Langweiler, aber er hat effizient regiert, sich im Streit um VW und Porsche gegen die Baden-Württemberger durchgesetzt - und er versteht es durchaus, Ausrufezeichen zu setzen. So berief er als erster Regierungschef eines Bundeslandes eine türkischstämmige Ressortchefin und holte als erster West-Ministerpräsident eine ostdeutsche Politikerin in sein Kabinett. Dies zeigt, dass er in der Lage ist, Anstöße zu geben und auch in Konfliktsituationen zu vermitteln. "Er ist kein Spalter, sondern ein ausgeglichener und ausgleichender Mensch", lobt ihn der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein. Dazu passt, dass der Niedersachse trotz vorhandener Chancen nie ernsthaft um das Amt des Kanzlers gekämpft hat, sondern sich lieber als Bundespräsident bewirbt.

    Wulffs Lebenslauf ist auch nicht so aalglatt, wie es dem früheren Image des Lieblings-Schwiegersohnes entspricht. Der Katholik ließ sich scheiden. Jetzt lebt er in zweiter Ehe mit seiner Frau Bettina und zwei Kindern in einer Patchwork-Familie. Das hört sich lebensnah an.

    Was Wulff anzulasten wäre, ist seine lange Zeit als Funktionär. Bereits mit 19 Jahren wurde er Bundesvorsitzender der Schüler-Union und in dieser Funktion automatisch auch Mitglied des CDU-Bundesvorstands. Seither hat er ununterbrochen politische Ämter inne, sei es auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene. Wulff - ein Apparatschik? Durchaus. Aber nur auf diese Weise konnte er den großen Schatz an politischer Erfahrung erwerben, der ihn jetzt auszeichnet.

    Wulff ist übrigens auch ein vorsichtiger Mensch. Als Ministerpräsident will er erst zurücktreten, sobald er zum Bundespräsidenten gewählt worden ist. Dieser Mensch wird auch seinem neuen Amt bestimmt bis zum letzten Tag treu bleiben! Winfried Züfle

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