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Staatsbesuch: Netanjahu in Berlin auf dünnem Eis

Staatsbesuch

Netanjahu in Berlin auf dünnem Eis

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    Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu besucht Berlin.
    Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu besucht Berlin. Foto: Ronen Zvulun, dpa

    Wenn eine Regierungschefin vor einem Staatsbesuch dem Gast „offene Gespräche unter Freunden“ ankündigt, dann schwingt ein drohender Unterton mit. Genau so ist es im Falle der Visite des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Es könnte ungemütlich werden.

    Immerhin verzichtete Deutschland – anders als Großbritannien, Frankreich, Spanien, Schweden und Dänemark – darauf, den israelischen Botschafter einzubestellen. Doch der Ärger Berlins über Israels eiskalte Antwort auf den Aufwertungsbeschluss für Palästina in der UN-Generalversammlung ist groß. Nicht nur in den Hauptstädten Europas, sondern weltweit, erweckte die Reaktion aus Tel Aviv den Eindruck, als wolle die Regierung nicht nur die Palästinenser, sondern alle UN-Mitgliederstaaten abstrafen, die nicht gegen die Aufwertung gestimmt haben – mithin also satte 179 von insgesamt 193 Staaten.

    3000 Wohneinheiten sind geplant

    Die israelische Regierung hatte nicht nur Zahlungen an die palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland eingefroren, sondern Pläne zum Bau weiterer 3000 Wohneinheiten bei Jerusalem und im

    Eine Sorge, für die der Nahost-Experte vom Münchener Centrum für angewandte Politikforschung (CAP), Michael Bauer, Verständnis hat. „In Palästina sagt man: Das ist so, als wenn zwei einen Kuchen teilen sollen und einer der beiden den ganzen Kuchen alleine aufisst.“

    124 israelische Siedlungen im Westjordanland seit 1967

    Die Fakten sprechen für sich: Der unabhängigen israelischen Menschenrechtsorganisation „B´Tselem“ zufolge wurden von 1967 bis 2011 im Westjordanland 124 Siedlungen errichtet. Hinzu kommen etwa 100 „wilde Siedlungen“. Die Friedensorganisation Peace Now moniert, dass immer mehr illegale Vorposten nachträglich als Siedlungen legalisiert werden. Allerdings wird bei der Kritik an Netanjahu oft unterschlagen, dass auch seine Amtsvorgänger, unter ihnen Friedensnobelpreisträger Jitzchak Rabin, nach diesem Muster handelten.

    Doch „Bibi“ – so wird der Regierungschef in seiner Heimat genannt – hat bereits mehrfach bewiesen, dass er recht resistent ist gegen internationalen Druck. So dürfte er routiniert damit umgehen, dass die Kanzlerin Israel in ungewohnter Deutlichkeit zum Verzicht auf das Siedlungsprojekt, dass im März 2010 auf Druck der USA auf Eis gelegt wurde, aufgefordert hat. Das ließ aufhorchen, hatte Merkel doch vor vier Jahren Israels Existenzrecht als Teil deutscher Staatsräson bezeichnet. Regierungssprecher Steffen Seibert sah gar das „Vertrauen in die Verhandlungsbereitschaft“ in Nahost gefährdet. Netanjahu jedoch dürfte eher Kopfzerbrechen bereiten, dass mit den

    Siedlungsprojekte haben auch wahltaktische Gründe

    Warum also agiert der Ministerpräsident so starrköpfig? „Er kommt aus dem rechten Spektrum und weiß natürlich, wer ihn gewählt hat – nicht zuletzt eben Siedler und ihre Sympathisanten“, sagte Bauer. Doch abseits von wahltaktischen Gründen, sieht der Politikwissenschaftler auch strategische Argumente für Netanjahus Haltung. Israel sehe keinen glaubwürdigen Ansprechpartner unter den Palästinensern: „Die Hamas ist ihnen zu radikal, Fatah-Chef Mahmud Abbas, der nach den letzten Ereignissen tatsächlich weiter geschwächt ist, trauen sie nicht zu, sich durchzusetzen.“

    Doch auf diese Gemengelage mit einer Forcierung des Siedlungsbaus zu reagieren, hält Bauer für einen Irrweg. Israel habe den Palästinensern vorgeworfen, mit ihrem „unilateralen“, sprich einseitigen Antrag auf eine Aufwertung in den UN den Friedensprozess zu torpedieren. „Was aber wäre der Bau neuer Siedlungen anderes, als ein einseitiges Vorgehen?“ (mit dpa)

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