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Spionage: NSA-Affäre: Wusste Steinmeier von der BND-Zusammenarbeit?

Spionage

NSA-Affäre: Wusste Steinmeier von der BND-Zusammenarbeit?

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    Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, gerät wegen der NSA-Affäre unter Druck.
    Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, gerät wegen der NSA-Affäre unter Druck. Foto: Ralf Hirschberger dpa

    Michael Grosse-Brömer ist der Kragen geplatzt. Dass die SPD seit Wochen die Zusammenarbeit zwischen dem BND und dem amerikanischen Geheimdienst NSA lautstark kritisiere, obwohl die Grundlage für den Datenaustausch bereits 2002 unter Rot-Grün und dem damaligen Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier gelegt wurde, sei ein Beleg dafür, „dass die

    Die Spitzen der SPD hätten „aus eigener Erfahrung und Verantwortung“ gewusst, dass der BND Daten aus seiner Auslandsaufklärung an die NSA weitergebe. „Die Herren Steinmeier, Oppermann, Gabriel und Steinbrück erheben wider besseren Wissens schwerste Vorwürfe und führen deutsche Bürger offenbar bewusst in die Irre.“

    Abhöraffäre: In Deutschland war es nicht die NSA

    Lexikon der Spähaffäre

    Prism, Tempora, XKeyscore: Die Geheimdienste verwenden eine ganze Reihe von Systemen, um uns massenhaft auszuspähen. Ein kleines Lexikon:

    PRISM: Ist der Codename eines US-Geheimdienstprogramms, das zum Inbegriff der gesamten Spähaffäre wurde. Der Name steht für «Planning Tool for Resource Integration, Synchronization and Management» («Planungswerkzeug für Quellenintegration, -synchronisierung und -management).

    Es ist bislang nicht ganz klar, wie das Programm funktioniert. Nach den von Snowden übergebenen Dokumenten erlaubt oder organisiert «Prism» den Zugriff auf die Daten von Nutzern großer US-Internetfirmen wie Microsoft, Google oder Facebook. Experten gehen davon aus, dass die US-Dienste verdachtsunabhängig große Mengen an Nutzerdaten speichern. Die gespeicherten Daten werden dann mit Filterbegriffen durchsucht.

    XKEYSCORE: Ein weiteres Spähprogramm der NSA. Der Verfassungsschutz räumte ein, es «testweise» einzusetzen. Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich dabei um eine Art Datenbank, mit der die von der NSA gesammelten Daten durchsucht und zu Tabellen gebündelt werden können.

    Demnach kann «XKeyscore» unter anderem auf die von einer bestimmten Person benutzten Telefonnummern und Emailadressen, aber auch auf konkrete Mitschnitte von Internetaktivitäten zugreifen. Medienberichten zufolge lassen sich mit dem Programm eventuell Begriffe rekonstruieren, die jemand in die Google-Suchmaschine eingegeben hat.

    TEMPORA: So lautet der Deckname eines Überwachungsprogramms des britischen Geheimdienst GCHQ, das auf das Abgreifen von Daten an Seekabeln zielt. Durch diese Glasfaserverbindungen fließt der weit überwiegende Teil der heutigen globalen Kommunikation per Telefon und Internet.

    »Tempora» erlaubt es demnach, diesen Informationsbrei in gigantischen Pufferspeichern zu sammeln und daraus Emails, Telefonate und Videochats zu rekonstruieren. Die Daten können einige Tage, einzelne Informationsteile wie Absender und Empfänger wochenlang gespeichert werden. Mit der entsprechenden Software können so nachträglich Nachrichten von Verdächtigen gefunden oder die Stimmen von Gesuchten identifiziert werden.

    DE-CIX: Ein großer Internetknoten in Frankfurt am Main, bei dem es sich den Berichten zufolge um ein bevorzugtes Ziel der NSA-Spionage in Deutschland handeln soll. DE-CIX ist eine Art großer Weiche, an der Internetverkehr aus diversen einzelnen Provider- und Datennetzen zusammenfließt und verteilt wird.

    G-10-GESETZ: So heißt ein Gesetz in Deutschland, das den Zugriff der deutschen Nachrichtendienste auf Telekommunikationsdaten regelt. Vollständig heißt es «Gesetz zu Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses». Da dieses in Artikel 10 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich fixiert ist, lautet die Kurzform G-10-Gesetz.

    Es verpflichtet Postanbieter sowie Telekom- und Internetkonzerne, den Verfassungsschutzämtern, dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr auf Verlangen Sendungen zu übergeben und ihnen die Aufzeichnung und Überwachung der Telekommunikation technisch zu ermöglichen. Laut Gesetz dürfen die Dienste derartige Maßnahmen unter anderem zur Abwehr einer «drohenden Gefahr» für die demokratische Grundordnung oder seitens des BND etwa im Kampf gegen Organisierte Kriminalität beantragen. Genehmigt werden diese nicht von Gerichten, sondern von einer Kommission aus zehn Bundestagsabgeordneten, der sogenannten G-10-Kommission.

    Die Vorwürfe treffen die SPD und vor allem ihren Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier an einer empfindlichen Stelle. Seit dem Bekanntwerden der sogenannten NSA-Abhöraffäre durch die Enthüllungen des früheren US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden hatten die Sozialdemokraten die schwarz-gelbe Regierung heftig attackiert, Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warf gar Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verletzung ihres Amtseides vor.

    Der Spionagedienst NSA

    Die National Security Agency (NSA) gilt als mächtigster, geheimster und wohl auch teuerster der 16 US-Spionagedienste.

    Gründung: Die dem Verteidigungsministerium unterstellte NSA wurde 1952 als Abhör- und Entschlüsselungsstelle für die Streitkräfte gegründet.

    Zentrale: Das Hauptquartier ist in Fort Meade nordöstlich von Washington.

    Hauptaufgaben: Die NSA soll elektronische Daten nachrichtendienstlich erfassen und sich mit Verschlüsselungstechnik (Kryptologie) befassen.

    Ausstattung: Die internationalen Kommunikationsnetze werden mit Abhörstationen in aller Welt, Nachrichtensatelliten und modernsten Großrechnern auf Schlüsselwörter überprüft.

    Nun aber stellt sich zweierlei heraus. Zum einen war es nicht die NSA, die auf deutschem Boden massenhaft Telekommunikationsdaten sammelte und speicherte, sondern der BND selber, der sie dem amerikanischen Partnerdienst zur Verfügung stellte. Wobei es sich ausschließlich um Daten ausländischer Bürger gehandelt haben soll. Und zum anderen war es die damalige rot-grüne Regierung, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 die Zusammenarbeit der Dienste intensivierte.

    SPD: Steinmeier weist Spionage-Vorwürfe zurück

    Frank-Walter Steinmeier bestreitet dies nicht. Im Bundestag habe es darüber einen breiten Konsens gegeben. „Alles andere wäre nach dem schwersten Terroranschlag der jüngeren Geschichte unverantwortlich und fahrlässig gewesen.“ Allerdings wurde damals „in keiner Weise der flächendeckenden Überwachung deutscher Staatsbürger Tür und Tor geöffnet“, weist er die entsprechenden Vorwürfe aus der Koalition zurück. Der Einsatz des Programms „Prism“ habe erst im Oktober 2005 begonnen, erst seit dieser Zeit soll „gezielt deutscher Datenverkehr überwacht worden sein“.

    Und auch Kanzlerkandidat Peer Steinbrück weist die Vorwürfe gegen den früheren Kanzleramtsminister zurück. „Das ist eine bloße Ablenkung und sehr durchsichtig“, sagt er bei einem Wahlkampfauftritt. 2002 habe es Ausspäh-Programme wie „Prism“ noch gar nicht gegeben. „Wir haben es jetzt mit einer völlig anderen Dimension, mit einer völlig anderen Quantität und Qualität zu tun“, so Steinbrück.

    Das Überwachungsprogramm Prism

    Prism ist ein streng geheimes Programm zur Überwachung und Auswertung von elektronischen Medien und Daten.

    Geleitet wird Prism seit 2007 von der amerikanischen National Security Agency (NSA).

    Prism ermöglicht angeblich den Zugriff auf die Internet-Kommunikation und die bei großen Konzernen gespeicherten Daten von Firmen und Privatpersonen.

    Aufgedeckt wurde die Überwachung durch Edward Snowden, einen Techniker, der für die Geheimdienste CIA und NSA arbeitete. Er informierte im Frühjahr 2013 verschiedene Medien über Prism.

    Den Zeitungen «Guardian» und «Washington Post» zufolge hat der US-Geheimdienst über Prism Zugriff auf Nutzer-Daten von Unternehmen wie Google, Yahoo, Microsoft, Apple oder Facebook.

    Die Unternehmen bestritten einen direkten Zugang der Behörden zu ihren Servern.

    Die NSA erklärte, die Internet-Überwachung sei absolut rechtmäßig. Diese sei "strikten Richtlinien" unterworfen und stünde unter "rigoroser Aufsicht", sagte NSA-Chef Keith Alexander bei einer Anhörung im Kongress in Washington.

    In Europa sorgten die Enthüllungen über Prism für heftige Kritik.

    Auch in den USA lief eine breite Koalition aus Internet- und Bürgerrechtsgruppen Sturm gegen die Spähprogramme ihrer Regierung.

    Die USA selbst rechtfertigten ihre Überwachung damit, man habe dadurch mehrere Terrorangriffe vereitelt.

    Mit diesen Erklärungen geben sich die schwarz-gelben Politiker allerdings nicht zufrieden. Genüsslich registrieren sie, dass mit der unerwarteten Wende in der NSA-Abhöraffäre die Sozialdemokraten plötzlich in die Defensive geraten sind. Das wollen sie ausnutzen.

    NSA-Affäre: BND bestätigt Einsatz der Software XKeyScore

    Der BND äußerte sich am Donnerstagabend erstmals offiziell zum Einsatz der umstrittenen Software XKeyScore seines US-Partnerdienstes NSA. „Der BND nutzt das Programm an einer Außenstelle und ausschließlich für die Aufklärung ausländischer Satellitenkommunikation“, teilte der deutsche Auslandsgeheimdienst auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa in Berlin mit.

    Der Fall Snowden - Eine Chronologie

    Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden ist seit Wochen auf der Flucht. Ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen der Affäre:

    5. Juni: Die britische Zeitung «The Guardian» berichtet, dass der Handynetzbetreiber Verizon dem US-Geheimdienst NSA auf der Grundlage eines geheimen Gerichtsurteils täglich Informationen zu allen Telefonanrufen innerhalb der USA sowie zwischen der USA und anderen Ländern übermitteln muss.

    6. Juni: Berichten der «Washington Post» und des «Guardian» zufolge dürfen die NSA und die Bundespolizei FBI auf Serverdaten der Internetkonzerne Google, Microsoft, Yahoo, Facebook, Apple, Youtube, Skype, AOL und PalTalk zugreifen. Das geheime Überwachungsprogramm wurde demnach 2007 eingeführt.

    7. Juni: US-Präsident Barack Obama spricht von einem notwendigen Kompromiss zwischen Privatsphäre und Sicherheit.

    9. Juni: Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der über Hawaii nach Hongkong geflohen war, gibt sich als Quelle der Enthüllungen zu erkennen. Drei Tage später beschuldigt er Washington, weltweit «hunderttausende Computer» zu überwachen.

    21. Juni: Die US-Regierung beschuldigt Snowden der Spionage, des Diebstahls und der illegalen Nutzung von Regierungseigentum. Washington verlangt von Hongkong die Auslieferung des IT-Experten.

    23. Juni: Snowden, gegen den inzwischen ein Haftbefehl vorliegt, reist nach Moskau. Sein Reisepass wurde von den US-Behörden ungültig gemacht. Der ecuadorianischen Regierung liegt nach eigenen Angaben ein Asylantrag Snowdens vor. Washington warnt Moskau und Peking vor diplomatischen Konsequenzen.

    25. Juni: Russlands Präsident Wladimir Putin bestätigt, dass sich der Ex-Geheimdienstmitarbeiter weiterhin im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo aufhält.

    30. Juni: Auch die EU ist laut Berichten des Magazins «Der Spiegel» Opfer der NSA-Spionage geworden. Der Geheimdienst habe unter anderem die EU-Vertretung in Washington und New York abgehört. Frankreich und Deutschland verlangen Aufklärung von der US-Regierung. Obama verspricht, alle Informationen vorzulegen.

    1. Juli: Putin bietet Snowden ein Aufenthaltsrecht in Russland an, fordert aber, dass der Informant seine Aktivitäten gegen die USA einstellt. Nach Angaben der Plattform «Wikileaks» hat Snowden in zahlreichen Ländern, darunter Deutschland, um politisches Asyl ersucht.

    2. Juli: Mehrere Staaten lehnen Snowdens Asylantrag ab. Nach Ländern wie Deutschland, Österreich, Brasilien, Spanien und Polen erteilen ihm am Tag darauf auch Frankreich und Italien eine Absage.

    3. Juli: Der Fall Snowden führt zu weiteren diplomatischen Verwicklungen. Der bolivianische Präsident Evo Morales muss während eines Flugs von Moskau in seine Heimat einen 13-stündigen Zwangsstopp in Wien einlegen, nachdem ihm mehrere EU-Länder den Überflug verwehrt hatten. Hintergrund sind offenbar Gerüchte, dass sich Snowden an Bord der Maschine befand.

    5. Juli: Nicaragua, Venezuela und Bolivien erklären sich bereit, Snowden aufzunehmen.

    7. Juli: Snowden beschuldigt den Bundesnachrichtendienst in einem «Spiegel»-Interview, schon seit langem mit der NSA zusammenzuarbeiten.

    12. Juli: Snowden beantragt vorübergehendes Asyl in Russland, um anschließend nach Lateinamerika ausreisen zu können. Der russische Parlamentspräsident Sergej Naryschkin, ein Vertrauter Putins, spricht sich dafür aus, Snowden zumindest zeitlich begrenzt politisches Asyl zu gewähren.

    20. August: Die englische Regierung zwingt Redakteure des "Guardian", Material zur NSA-Affäre zu vernichten. Es seien mehrere Festplatten im Keller der Redaktion zerstört worden, berichtet "Guardian"-Chefredakteur Alan Rusbridger.

    27. Oktober 2013: Durch die Informationen von Edward Snowden kommt ans Licht, dass die USA das Handy der Bundeskanzlerin abgehört haben. Angeblich hat die NSA 35 Staatsführer weltweit belauscht.

    31. Oktober 2013: Der Berliner Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele reist unter größter Geheimhaltung nach Moskau und trifft Edward Snowden.

    Ströbele bringt einen Brief Snowdens mit nach Deutschland: Darin bietet er an, in Deutschland auszusagen - erbittet im Gegenzug aber Asyl in der Bundesrepublik.

    „Mit XKeyScore kann der BND weder auf NSA-Datenbanken zugreifen noch hat die NSA Zugriff auf das beim BND eingesetzte System.“ Durch den bloßen Einsatz des Programms sei der Dienst auch nicht Teil eines Netzwerkes der NSA, erklärte der Bundesnachrichtendienst weiter. „XKeyScore wird vom BND in Übereinstimmung mit der Rechtslage genutzt.“ Der Einsatz des Programms trage der technischen Entwicklung Rechnung, etwa den immer komplexeren und schnelleren Datenübertragungsverfahren im Internet.

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