Der Zug, der da am Montagnachmittag in Peking einfährt, wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen. Dunkelgrün mit gelben Streifen, 21 Waggons, gepanzert. Er ist älter als die Hochgeschwindigkeitszüge, die dort normalerweise ein und ausfahren. Schnell machen Gerüchte die Runde. Japanische Medien berichten, es handele sich um einen Sonderzug des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un. War der Diktator tatsächlich in Peking?
Spannungen zwischen Nordkorea und China
Vieles deutet darauf hin. Die Freundschaft zwischen Peking und Pjöngjang war in den vergangenen Jahren deutlich abgekühlt. Chinas Führung wollte nie, dass Nordkorea Atomwaffen entwickelt. Eine weitere Nuklearmacht in der Region verringert die eigene Überlegenheit und verkompliziert die Lage. Stattdessen haben die Chinesen den Kommunisten in Nordkorea das eigene Entwicklungsmodell aus Reform und Öffnung empfohlen. Davon wollten die Kims jedoch nichts wissen. Peking sah die Kim-Dynastie daher mit ihrem übertriebenen Militarismus und ihrer brutalen Herrschaftspraxis grundsätzlich auf dem falschen Weg. Umgekehrt war Kim Jong Un enttäuscht, dass China die jüngsten Sanktionen gegen das eigene Land mitgetragen und den Handel eingefroren hatte. So war es zumindest in Peking zu hören. Die wenigen verbliebenen kommunistischen Länder müssen gegen die Amerikaner zusammenhalten, lautete seine Einstellung.
Vieles deutet auf den hohen Besuch hin
Dass der mysteriöse Zug aus Nordkorea hohen Besuch mitbrachte, ist klar. Das Polizeiaufgebot in der Nähe des Bahnhofes war groß, die Sicherheitsmaßnahmen um das Staatsgästehaus, wo der Gast übernachtet haben soll streng. Einen solchen Aufwand betreibt Chinas Protokoll normalerweise nur bei Staatsgästen.
Möglicherweise, berichten japanische Medien, handele es sich bei dem Gast aus dem Nachbarland aber auch um Kims jüngere Schwester, die er er kürzlich als Sondergesandte zu den Olympischen Winterspiele. Könnte sie auch als Vermittlerin zwischen den Nachbarländern dienen? Die Schwester des Diktators reiste bislang allerdings gewöhnlich mit dem Flugzeug. Der Große Führer selbst hingegen, ist wie sein Vater Kim Jong Il, wegen angeblicher Flugangst bekannt dafür, lieber mit dem Zug zu reisen. Es wäre das erste Mal seit seinem Amtsantritt als Führer 2011, dass Kim Jong Un sein Land verlassen und China besucht hätte.
China könnte für Nordkorea nützlich werden
Der Besuch wäre ein strategischer Schachzug. Der Diktator könnte wieder einmal beweisen, dass er im Atomstreit Regie führt. Das ist ihm in letzter Zeit immer wieder gelungen. Da war die spektakuläre Neujahrsansprache, in der Kim den USA mit Atomwaffen drohte, sich aber offen für den Dialog mit dem Süden zeigte. Es folgte eine Charme-Offensive während der Olympischen Spiele im Nachbarland, dann die Ankündigung Ende April einen Gipfel mit dem südkoreanischen Präsidenten abzuhalten. Schließlich lud der Diktator sogar Trump zu einem Zweiertreffen ein, das im Mai stattfinden soll. Sollte der Diktator sich mit China versöhnen, könnten nicht nur die Sanktionen gelockert werden, die Nordkorea schwer treffen. Mit der Unterstützung des großen Bruders China könnte Kim dem Gipfel mit Trump außerdem noch selbstbewusster entgegen sehen.
Ob sich der Atomstreit damit aber beruhigt, bleibt abzuwarten. Auch aus den USA hagelt es Provokationen. Im Wall Street Journalplädierte Trumps neuer Sicherheitsberater John Bolton für einen militärischen Erstschlag gegen Nordkorea. Das sei „völlig legitim“. Möglich, dass Kim auch deshalb Rückendeckung aus China sucht.
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