So etwas hat es in Spanien wohl noch nie gegeben. Als König Felipe in seiner Residenz Palacio de la Zarzuela nordwestlich von Madrid vor die Kamera trat, um den Bürgern im Kampf gegen die Coronakrise Mut zuzusprechen, ging es los: Tausende Menschen gingen am späten Mittwochabend im ganzen Land auf Balkone und an die Fenster, um auf Töpfe und Pfannen zu schlagen und gegen das ihrer Überzeugung nach korrupte Königshaus zu protestieren. Das Motto: "Corona Ciao", Corona tschau. Nein, nicht das heimtückische Virus ist mit "Corona" gemeint, sondern die Krone.
Zum Topfschlagen wurde in den sozialen Medien aufgerufen
Medien sprachen von einem "historischen Topfschlagen", von einem "massiven" Protest. In Madrid war der Krach nicht nur im Arbeiter-Vorort Vallecas und in den von vielen Studenten und Intellektuellen bewohnten Vierteln La Latina und Malasaña ohrenbetäubend. Auch in eher konservativen und eigentlich königstreuen Stadtteilen wie Almagro, Rios Rosas und Trafalgar war die Aktion, zu der auf Whatsapp und in sozialen Netzwerken aufgerufen worden war, eindrucksvoll laut. "Hau endlich ab, Felipe", schrie ein Mädchen aus einem Fenster unweit der U-Bahn-Station Iglesias, und prompt brandete bei den Nachbarn Jubel auf.
Befolgt wurde der Aufruf außerdem nach Medienberichten vor allem unter anderem in Barcelona und ganz Katalonien, in Galicien, im Baskenland und auf Mallorca. "Auf den Balkonen von ganz Spanien", resümierte die Schlagzeile der Renommierzeitung La Vanguardia. "Brutal", kommentierte ein Twitter-Nutzer. Die Linkspartei Podemos, die seit Januar in einer Koalition mit den Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez regiert, postete auf Twitter: "Es ist bewegend, zu hören, wie die Töpfe #CoronaCiao sagen".
Spanier fordern Spende umstrittener Gelder im Kampf gegen das Coronavirus
Das Image der spanischen Monarchie bekommt seit Jahren immer mehr, immer tiefere Kratzer. Da war zum Beispiel jene umstrittene Elefantenjagd von Felipes Vater Juan Carlos in Botsuana. Oder der Korruptions- und Steuerbetrugsskandal um den Mann von Felipes Schwester Cristina, Iñaki Urdangarin, der zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt wurde.
An den Unis veranstalten Studenten immer häufiger Kundgebungen und Abstimmungen gegen die Royals. In den vergangenen Tagen wurden die Gemüter aber von einer neuen Finanzaffäre um Juan Carlos zusätzlich gewaltig angeheizt. Immer mehr Spanier fordern nun, dass der Königshof die umstrittenen Gelder für den Kampf gegen die Corona-Krise spendet.
Proteste gegen das Königshaus: Auch Felipe gerät nun in die Schusslinie
Juan Carlos, der 2014 zugunsten seines Sohnes abgedankt hatte, soll 2008 Schmiergeld in Höhe von 100 Millionen US-Dollar aus Saudi-Arabien kassiert haben. Die Justiz in der Schweiz und auch in Spanien ermittelt deshalb gegen den 82-Jährigen. Eine Petition auf der Plattform change.org unter dem Hashtag #FelipeReacciona (#FelipeReagiere), in der eine Spende des Geldes gefordert wird, hatten bis Mittwochabend rund 200.000 Menschen unterschrieben.
Aber auch Felipe, der bisher als "Saubermann" galt, gerät nun in die Schusslinie. Sein Name war nämlich - offenbar ohne sein Wissen - als Begünstigter einer dubiosen Offshore-Stiftung aufgetaucht. Dass er am Sonntag öffentlich mit seinem Vater brach, auf sein Erbe verzichten will und Juan Carlos auch noch das Gehalt von rund 194.000 Euro jährlich strich, brachte nicht viel ein. Auch nicht, dass er in seiner Rede an die Nation am Mittwoch beteuerte: "Das Virus wird uns nicht bezwingen". Selbst die dem Königshaus nahestehende Zeitung La Razón schrieb nach der Ansprache, die Lage sei dieser Tage für die Casa Real "sehr schwierig" geworden. (Von Emilio Rappold, dpa)
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