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Spähaffäre: Werden deutsche Gesetze zum Datenschutz eingehalten?

Spähaffäre

Werden deutsche Gesetze zum Datenschutz eingehalten?

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    Die Bundesregierung würde nicht massenhaft Daten an den US-Geheimdienst NSA weitergeben, so Kanzleramtsminister Pofalla.
    Die Bundesregierung würde nicht massenhaft Daten an den US-Geheimdienst NSA weitergeben, so Kanzleramtsminister Pofalla. Foto: Jens Büttner (dpa)

    Lexikon der Spähaffäre

    Prism, Tempora, XKeyscore: Die Geheimdienste verwenden eine ganze Reihe von Systemen, um uns massenhaft auszuspähen. Ein kleines Lexikon:

    PRISM: Ist der Codename eines US-Geheimdienstprogramms, das zum Inbegriff der gesamten Spähaffäre wurde. Der Name steht für «Planning Tool for Resource Integration, Synchronization and Management» («Planungswerkzeug für Quellenintegration, -synchronisierung und -management).

    Es ist bislang nicht ganz klar, wie das Programm funktioniert. Nach den von Snowden übergebenen Dokumenten erlaubt oder organisiert «Prism» den Zugriff auf die Daten von Nutzern großer US-Internetfirmen wie Microsoft, Google oder Facebook. Experten gehen davon aus, dass die US-Dienste verdachtsunabhängig große Mengen an Nutzerdaten speichern. Die gespeicherten Daten werden dann mit Filterbegriffen durchsucht.

    XKEYSCORE: Ein weiteres Spähprogramm der NSA. Der Verfassungsschutz räumte ein, es «testweise» einzusetzen. Nach den vorliegenden Informationen handelt es sich dabei um eine Art Datenbank, mit der die von der NSA gesammelten Daten durchsucht und zu Tabellen gebündelt werden können.

    Demnach kann «XKeyscore» unter anderem auf die von einer bestimmten Person benutzten Telefonnummern und Emailadressen, aber auch auf konkrete Mitschnitte von Internetaktivitäten zugreifen. Medienberichten zufolge lassen sich mit dem Programm eventuell Begriffe rekonstruieren, die jemand in die Google-Suchmaschine eingegeben hat.

    TEMPORA: So lautet der Deckname eines Überwachungsprogramms des britischen Geheimdienst GCHQ, das auf das Abgreifen von Daten an Seekabeln zielt. Durch diese Glasfaserverbindungen fließt der weit überwiegende Teil der heutigen globalen Kommunikation per Telefon und Internet.

    »Tempora» erlaubt es demnach, diesen Informationsbrei in gigantischen Pufferspeichern zu sammeln und daraus Emails, Telefonate und Videochats zu rekonstruieren. Die Daten können einige Tage, einzelne Informationsteile wie Absender und Empfänger wochenlang gespeichert werden. Mit der entsprechenden Software können so nachträglich Nachrichten von Verdächtigen gefunden oder die Stimmen von Gesuchten identifiziert werden.

    DE-CIX: Ein großer Internetknoten in Frankfurt am Main, bei dem es sich den Berichten zufolge um ein bevorzugtes Ziel der NSA-Spionage in Deutschland handeln soll. DE-CIX ist eine Art großer Weiche, an der Internetverkehr aus diversen einzelnen Provider- und Datennetzen zusammenfließt und verteilt wird.

    G-10-GESETZ: So heißt ein Gesetz in Deutschland, das den Zugriff der deutschen Nachrichtendienste auf Telekommunikationsdaten regelt. Vollständig heißt es «Gesetz zu Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses». Da dieses in Artikel 10 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich fixiert ist, lautet die Kurzform G-10-Gesetz.

    Es verpflichtet Postanbieter sowie Telekom- und Internetkonzerne, den Verfassungsschutzämtern, dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr auf Verlangen Sendungen zu übergeben und ihnen die Aufzeichnung und Überwachung der Telekommunikation technisch zu ermöglichen. Laut Gesetz dürfen die Dienste derartige Maßnahmen unter anderem zur Abwehr einer «drohenden Gefahr» für die demokratische Grundordnung oder seitens des BND etwa im Kampf gegen Organisierte Kriminalität beantragen. Genehmigt werden diese nicht von Gerichten, sondern von einer Kommission aus zehn Bundestagsabgeordneten, der sogenannten G-10-Kommission.

    Ronald Pofalla war empört und erregt. Der Vorwurf, der Bundesnachrichtendienst BND habe dem US-Dienst NSA seit einem Jahrzehnt massenhaft Verbindungsdaten von deutschen Bürgern zur Verfügung gestellt, sei „falsch“, sagte der Kanzleramtsminister, der auch für die Koordination der drei deutschen Geheimdienste zuständig ist, bei seinem Auftritt vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags Ende Juli. Die strengen deutschen Gesetze zum Datenschutz würden „zu hundert Prozent“ eingehalten. Lediglich zwei Mal seien Datensätze an die USA weitergeleitet worden. Dabei habe es sich um im Ausland entführte Bundesbürger gehandelt. 

    Zusammenarbeit zwischen NSA und BND?

    Tatsächlich? Ein Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel sorgte am Montag in der Hauptstadt für erhebliche Unruhe. Demnach gebe es schon seit dem Jahr 2002 eine enge Zusammenarbeit zwischen NSA und BND. Der Bundesnachrichtendienst leite monatlich bis zu 500 Millionen Datensätze an die amerikanischen Kollegen weiter, die mithilfe der Abhöranlage im oberbayerischen Bad Aibling sowie einer weiteren Einrichtung in Schöningen bei Braunschweig gesammelt werden. Dabei handele es sich unter anderem um Telefon- und Handynummern, E-Mail-Adressen und IP-Adressen von Computern, die in die Datenbanken der NSA fließen und dort ausgewertet würden.

    Der Spionagedienst NSA

    Die National Security Agency (NSA) gilt als mächtigster, geheimster und wohl auch teuerster der 16 US-Spionagedienste.

    Gründung: Die dem Verteidigungsministerium unterstellte NSA wurde 1952 als Abhör- und Entschlüsselungsstelle für die Streitkräfte gegründet.

    Zentrale: Das Hauptquartier ist in Fort Meade nordöstlich von Washington.

    Hauptaufgaben: Die NSA soll elektronische Daten nachrichtendienstlich erfassen und sich mit Verschlüsselungstechnik (Kryptologie) befassen.

    Ausstattung: Die internationalen Kommunikationsnetze werden mit Abhörstationen in aller Welt, Nachrichtensatelliten und modernsten Großrechnern auf Schlüsselwörter überprüft.

    Hat der BND entgegen der Aussage Pofallas doch massenhaft Daten von deutschen Bürgern an die US-Dienste weitergegeben? Die Bundesregierung wies am Montag diese Vorwürfe entschieden zurück. „Es gibt keine millionenfache Grundrechtsverletzung bei der deutschen Fernmeldeüberwachung durch deutsche Dienste“, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel über den stellvertretenden Regierungssprecher Georg Streiter ausrichten. Die Aufgabe des BND sei es, ausschließlich den ausländischen Fernmeldeverkehr zu überwachen, auch von Einrichtungen auf deutschem Boden aus, nicht aber den deutschen Fernmeldeverkehr. „Da werden keine Daten von Deutschen erfasst“, so Streiter, und erst recht nicht an die US-Dienste weitergegeben. Die Weitergabe von Daten deutscher Staatsbürger an ausländische Stellen erfolge nur in Ausnahmefällen und im Rahmen der Gesetze. Es bleibe bei der Darstellung des Kanzleramtsministers vor dem Kontrollgremium, wonach der BND nur einmal, im Jahr 2012, zwei Datensätze in einem Entführungsfall weitergegeben hat. Ausdrücklich verteidigte die Regierung die Zusammenarbeit mit der NSA. „Das ist nicht schlimm, sondern richtig und gut.“

    CDU: Bundestag braucht einen Geheimdienstbeauftragten

    Die Opposition wollte sich damit nicht zufriedengeben. SPD und Grüne forderten Kanzleramtsminister Ronald Pofalla auf, bei der nächsten Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums ausführlich zu den neuerlichen Vorwürfen gegen den BND Stellung zu nehmen. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte als Konsequenz aus der Abhöraffäre einen EU-weiten Datenschutz nach deutschem Vorbild. Die Mitgliedsstaaten sollten gemeinsame Standards zur Weitergabe von Informationen einführen. „Der hohe deutsche Datenschutz muss Maßstab sein.“ Und Wolfgang Bosbach (CDU), der Vorsitzende des Innenausschusses, schlug vor, nach der Bundestagswahl das Amt eines Geheimdienstbeauftragten des Bundestags zu schaffen. Dieser brauche „Zugangsrechte und Akteneinsichtsrechte bei den Diensten“.

    Das Auswärtige Amt rief unterdessen aus Sorge vor möglichen Terroranschlägen die deutschen Botschaften in der arabischen Welt zu erhöhter Wachsamkeit auf. Allerdings sollen alle Vertretungen mit Ausnahme der Botschaft in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa geöffnet bleiben, sagte ein Sprecher von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nach einer Sitzung des Krisenstabes. Das Auswärtige Amt habe „keine konkreten Hinweise auf konkrete Gefährdungen“.

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