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Soziale Netzwerke: Facebook-Gesetz: Schießt Maas übers Ziel hinaus?

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Facebook-Gesetz: Schießt Maas übers Ziel hinaus?

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    Mit seinem Gesetzentwurf gegen Hass im Internet hat sich Justizminister Heiko Maas nicht viele Freunde gemacht. Die Experten im Rechtsausschuss hatten erhebliche Vorbehalte.
    Mit seinem Gesetzentwurf gegen Hass im Internet hat sich Justizminister Heiko Maas nicht viele Freunde gemacht. Die Experten im Rechtsausschuss hatten erhebliche Vorbehalte. Foto: Paul Zinken, dpa

    So weit ist es schon gekommen. Ausgerechnet Alexander Lukaschenko, seit 1994 mit harter Hand regierender Autokrat von Weißrussland, beruft sich in seinem Kampf gegen die Opposition auf den deutschen Justizminister Heiko Maas von der SPD.

    Experten Rechtsausschuss: Facebook-Gesetz könnte leicht missbraucht werden

    So begründet der Diktator in Minsk die von ihm betriebene weitgehende Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet unter anderem mit dem von Maas vorgelegten Gesetzentwurf, mit dem die Betreiber von sozialen Medien wie Facebook oder Twitter aufgefordert werden, konsequenter gegen Hassbotschaften („Hate Speech“) und Falschnachrichten („Fake News“) in ihren Diensten vorzugehen und diese bei Beschwerden binnen sieben Tagen zu löschen. Andernfalls droht ein Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro.

    Heiko Maas – ein Vorbild für Autokraten im Kampf gegen die Meinungsfreiheit? Auf diese „fatale“, wenn auch nicht beabsichtigte Wirkung wies Christian Mihr, Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“, bei einer Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestags hin. Die Begriffe „Hate Speech“ und „Fake News“ seien im Gesetzentwurf des Justizministers weder geklärt noch definiert, die Verwendung unklarer Begriffsbestimmungen erinnere aber an in autoritären Staaten übliche Gesetze und könne leicht missbraucht werden. Seine Botschaft an die Rechtsexperten der Fraktionen war daher eindeutig: Der Bundestag solle den Gesetzentwurf komplett verwerfen, um keinen gefährlichen Präzedenzfall für andere Länder zu schaffen.

    Mit diesem harten Urteil stand der Geschäftsführer von „Reporter ohne Grenzen“ nicht alleine da. Acht von zehn geladenen Experten ließen in der Anhörung kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf aus dem Hause des Justizministers. Maas, so der Tenor, schieße weit über das Ziel hinaus und verletze sogar Grundrechte.

    Maas' Facebook-Gesetz: Was ist davon noch zu retten?

    Nachdem bereits der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten für die CSU-Abgeordnete Iris Eberl zu dem Schluss gekommen war, das Gesetz verstoße gegen das Grundgesetz, da es einen zu massiven Eingriff in das unveräußerliche Grundrecht auf Meinungsfreiheit darstelle, kamen auch andere Experten zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Bernd Holznagel, Professor am Institut für Telekommunikations- und Medienrecht an der Universität Münster, sagte den Abgeordneten voraus, in seiner jetzigen Fassung werde das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe keinen Bestand haben. So fehle in dem Gesetzentwurf eine Regelung, wonach bereits gelöschte Inhalte wieder eingestellt werden müssen, wenn sie sich nach einer Prüfung als doch nicht rechtswidrig herausgestellt haben.

    Der Berliner Richter Ulf Buermeyer nannte das Gesetz gefährlich und wenig wirksam. Selbst wenn die im Gesetzentwurf vorgesehenen Löschfristen eingehalten würden, könnten sich die Postings in den Netzwerken weiterhin ungehindert verbreiten. Zudem könne niemand daran gehindert werden, einen bereits gelöschten Beitrag immer wieder neu zu verbreiten.

    Rote Karte für Heiko Maas? Alles deutet nach der Anhörung darauf hin, dass die Große Koalition seinen Gesetzentwurf kaum in der von ihm vorgelegten Form verabschieden wird. Maas selber, sonst mit Botschaften auf Twitter so aktiv wie kein anderes Mitglied der Bundesregierung, hüllt sich in Schweigen. Um zu retten, was noch zu retten ist, wird in Koalitionskreisen erwogen, das Gesetz stark einzudämpfen: Facebook, Twitter und Co. sollen gezwungen werden, einen sogenannten Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland zu ernennen, also einen offiziellen Ansprechpartner, an den sich Nutzer und Behörden in

    Soziale Netzwerke: Unionsparteien fordern Selbstkontrolle wie in Filmbranche

    Die Union fordert zudem ein System der Selbstregulierung nach dem Vorbild der Filmwirtschaft. Das bedeutet, dass nicht Facebook oder Twitter über die Löschung entscheiden, sondern unabhängige Experten auf der Grundlage von genau festgelegten Kriterien. Ein derart geschrumpftes Gesetz könnte noch in der nächsten Sitzungswoche, der letzten vor der Bundestagswahl, verabschiedet werden.

    Die Aichacher CSU-Abgeordnete Iris Eberl lehnt auch diesen Minimalkompromiss ab. „Dieses Gesetz ist auch in einer geänderten Form untragbar, denn es hat die falsche Intention“, sagt sie gegenüber unserer Zeitung. „Solange ,Hate Speech‘ und ,Fake News‘ keine juristisch exakt definierten Begriffe sind, ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.“

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