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Sondierungsgespräche: Grün-gelbe Idylle: So beurteilt ein Verhandlungsexperte die Sondierungen

Sondierungsgespräche

Grün-gelbe Idylle: So beurteilt ein Verhandlungsexperte die Sondierungen

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    Inszenieren sich als ein Team: Die Bundesvorsitzenden der Grünen, Robert Habeck (links) und Annalena Baerbock, gemeinsam mit FDP-Generalsekretär Volker Wissing und FDP-Chef Christian Lindner.
    Inszenieren sich als ein Team: Die Bundesvorsitzenden der Grünen, Robert Habeck (links) und Annalena Baerbock, gemeinsam mit FDP-Generalsekretär Volker Wissing und FDP-Chef Christian Lindner. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Sie haben viel weniger Stimmen erhalten und sind eigentlich die kleinen Akteure auf dem politischen Spielfeld. Dennoch stehen FDP und Grüne im Fokus der Koalitionsgespräche. Denn sie werden mit hoher Wahrscheinlichkeit in der nächsten Regierung sitzen – so oder so. Anders als 2017, als die beiden Parteien in den Jamaika-Verhandlungen mit der Union aneinander vorbeiredeten, fahren sie nun eine ganz andere Strategie. Eine bessere, wie der Verhandlungsexperte Kai Monheim findet.

    Rückblende: Vor vier Jahren zeigten sich die grün-gelben Sondierer zwar immer wieder mal auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft, in der die Gespräche mit der Union stattfanden. Man lachte zusammen, man winkte – aber eben nur für die Kameras. Hinter den Kulissen krachte es. Das gegenseitige Vertrauen fehlte. Die FDP ließ die Verhandlungen schließlich platzen.

    FDP und Grüne geben sich betont harmonisch - eine erfolgreiche Strategie

    In diesem Jahr soll das ganz anders laufen. Wieder sitzen Grüne und FDP an einem Tisch – vorerst aber mit der SPD statt der Union. Und auch die Stimmung ist nicht zu vergleichen. So zumindest der sorgsam gepflegte öffentliche Eindruck. Schon bevor es richtig losging, flatterte ein betont harmonisches Selfie durch die Medien – mit Annalena Baerbock, Robert Habeck, Christian Lindner und Volker Wissing. FDP und Grüne inszenieren ihren Willen zur Einigkeit seitdem, wo sie können. Es ist Teil ihrer bisher durchaus erfolgreichen Strategie. Die Botschaft dahinter: An uns soll es (diesmal) nicht scheitern.

    Heiter ging es während der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition 2017 lange Zeit zu - ehe sie dann doch platzten.
    Heiter ging es während der Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition 2017 lange Zeit zu - ehe sie dann doch platzten. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Kai Monheim, Verhandlungsspezialist aus Hamburg, verfolgt die Gespräche mit großem Interesse. Die Machtverteilung habe sich verändert, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion: „In der Gemengelage von vier Parteien haben zwei kleine Akteure die Dynamik ein stückweit selber in der Hand“, sagt Monheim. Zwar lägen SPD beziehungsweise CDU/CSU bezüglich des Wahlergebnisses klar vor FDP und Grünen und bildeten damit die vermeintlich mächtigsten Verhandlungsakteure. Doch die Kleinen umgehen das aus seiner Sicht ziemlich geschickt.

    Warum die Beziehung in Verhandlungen eine wichtige Rolle spielt

    „Sie haben sich zuerst zusammengesetzt und Vertrauen gebildet“, sagt Monheim und betont, wie wichtig das sei. Es sei ein klassisches Missverständnis, dass man persönliche Beziehungen in Verhandlungen einfach zur Seite schieben könne. „Beziehungsthemen haben Vorrang. Denn Menschen öffnen sich auch inhaltlich erst, wenn sie Vertrauen haben.“ Wie stark Probleme auf der Beziehungsebene Verhandlungen beeinflussen, zeige das Beispiel der Union. Bei ersten Gesprächen mit der FDP vor einer Woche sickerten trotz vereinbarter Verschwiegenheit prompt vertrauliche Informationen an die Medien durch. „Wenn eine gerade entstehende Beziehung so unterlaufen wird, kann das die Verhandlung stören oder sogar zum Abbruch führen.“

    Verhandlungen zwischen politischen Parteien seien allgemein komplex. Gibt es dann noch innerhalb dieser Parteien stark abweichende Interessen, wie etwa bei der Union, entwickle sich ein „hochdynamisches Setting aus verschiedenen Akteuren“, wie Monheim es beschreibt. Das lähmt die Verhandlung: „Praktisch eine Mission impossible.“ Nicht so bei FDP und Grünen – zumindest dem Anschein nach. Die Geschlossenheit nach außen täuscht momentan über die inneren Gräben hinweg. Benzinpreise, Steuersenkung, Ausgaben für den Klimaschutz: Die Parteien sind sich in entscheidenden Themen nicht einig. Trotzdem sondieren FDP und Grüne mit der SPD im Moment von einer idealen Position aus, wie Monheim sagt. „Sie sind zwar offen für Gespräche, aber nicht abhängig.“

    Instagram-Selfie für die Sondierung (von links): Volker Wissing, FDP-Generalsekretär, Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Christian Lindner, FDP-Vorsitzender, und Robert Habeck, Co-Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
    Instagram-Selfie für die Sondierung (von links): Volker Wissing, FDP-Generalsekretär, Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Christian Lindner, FDP-Vorsitzender, und Robert Habeck, Co-Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Foto: Volker Wissing, dpa

    Die immer noch im Raum stehende Alternative – eine mögliche Koalition mit der Union – stärke der FDP und den Grünen den Rücken, solange sie zusammenhalten. „Die SPD kann mit den kleinen Parteien nicht alles machen.“ Ein möglicher Plan B, den die SPD eben nicht hat, sei ein Machthebel, den man jedoch sorgsam einsetzen müsse, sagt der Experte. „Eines darf man nicht machen: mit dem Plan B drohen. Wenn man zu aggressiv gegenübertritt, schadet das einer erfolgreichen Verhandlung.“

    Zur Person: Dr. Kai Mohnheim ist Geschäftsführer der Egger Philips Hamburg, die Verhandlungsberatung anbietet, und leitet das Centre for Multilateral Negotiations. Bei dem Klimagipfel 2021 wird er die britische Regierung als Gastgeber bei den Verhandlungen unterstützen.

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