i
Foto: Michael Kappeler, dpa
Foto: Michael Kappeler, dpa

Menschen warten im Corona-Impfzentrum auf dem Berliner Messegelände auf ihre Impfung.

Corona-Pandemie
05.07.2021

Sollen Corona-Einschränkungen für Geimpfte fallen?

Von Simon Kaminski, Stefan Lange, Sarah Schierack

Rund jeder zweite Deutsche hat eine erste Corona-Impfung erhalten. Angesichts der Zahlen werden Stimmen lauter, die eine Rückkehr zur Normalität für Geimpfte fordern.

Es klingt verlockend: Wer vollständig geimpft ist, soll dafür auch belohnt werden. Und zwar damit, dass für sie und ihn gar keine Corona-Beschränkungen mehr gelten. Andreas Gassen ist überzeugt davon, dass das der richtige Weg ist. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung forderte in der Bild-Zeitung: „Spätestens September wird für jeden Impf-Willigen ein Impfangebot verfügbar sein, dann müssen eigentlich nahezu alle Corona-Maßnahmen weg.“

Damit hat Gassen eine neue Debatte über die Verhältnismäßigkeit der Einschränkungen ins Rollen gebracht – zu einer Zeit, in der einige Länder in Europa die strengen Corona-Regeln lockern. So müssen Genesene, Geimpfte und Getestete in Österreich im Restaurant oder beim Friseur keine Maske mehr tragen. In Großbritannien sollen zum 19. Juli alle Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden, das Tragen einer Maske wird zu einer persönlichen Entscheidung.

Absolute Freiheit für Geimpfte soll es erst mit der Herdenimmunität geben

In der deutschen Politik gibt es ebenfalls deutliche Stimmen für eine Lockerung. Der CSU-Gesundheitsexperte Stephan Pilsinger erklärte, die Einschränkungen für vollständig Geimpfte müssten „zeitnah abgeschafft werden“. Und ein Sprecher von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht bekräftigte die Haltung der SPD-Politikerin, dass man „sämtliche Maßnahmen immer wieder auf ihre Verhältnismäßigkeit hin“ überprüfen müsse. Lambrecht habe aber auch betont, „dass wir noch nicht über den Berg sind.“

Auch wenn sich die Stimmen für eine Abschaffung der Corona-Beschränkungen mehren – mit der Regierung ist das vorerst nicht zu machen. Sie hält daran fest, dass auch vollständig Geimpfte und Genesene noch Regeln beachten müssen. Absolute Freiheit soll es erst geben, wenn die Herdenimmunität erreicht ist. Simulationen kommen zu dem Ergebnis, dass das Anfang Oktober der Fall sein könnte. Sofern sich an den Liefermengen und der Gefährlichkeit des Virus nichts ändert.

Kritik an den Corona-Einschränkungen für Geimpfte

Regierungssprecher Steffen Seibert wies am Montag in Berlin darauf hin, dass es für Geimpfte und Genesene mit Nachweis ja schon jetzt „eine ganze Reihe von wirklich erheblichen Lockerungen und Erleichterungen gibt, insbesondere beim Reisen.“ Laut den jüngsten Beschlüssen gelten für diesen Personenkreis die Kontakt- und Ausgangbeschränkungen nicht. Beim Einkaufen und beim Sport sind die Regeln ebenfalls andere. Geimpfte und Genesene müssen sich auch nicht an Quarantäne-Pflichten bei Einreisen aus dem Ausland halten, sofern sie nicht aus sogenannten Virusvarianten-Gebieten kommen.

Lesen Sie dazu auch

Medizinrechtler Alexander Ehlers kann die Argumentation der Regierung dennoch nicht nachvollziehen. „Dass Politiker Solidarität von Genesenen und Geimpften einfordern, ist verständlich. Doch damit kann eine Einschränkung der Freiheitsrechte nicht begründet werden“, sagte er unserer Redaktion. Personen, die den vollen Impfschutz haben, „verfügen nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen über einen sehr hohen Schutz“. Damit gebe es keine juristische Handhabe für Corona-Beschränkungen.

Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.

Facebook Whatsapp Twitter Mail