Solidarpakt: Angesichts der hohen Verschuldung in ihren eigenen Kommunen haben mehrere Oberbürgermeister von Ruhrgebietsstädten die Milliardenhilfen für die neuen Länder in Frage gestellt. Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) kritisierte in der Süddeutschen Zeitung vom Dienstag den Solidarpakt Ost als "ein perverses System", das 20 Jahre nach der Wiedervereinigung keinerlei inhaltliche Rechtfertigung mehr habe. Es sei nicht mehr zu vermitteln, dass die armen Städte des Ruhrgebietes sich hoch verschulden müssten, um ihren Anteil am Solidarpakt aufzubringen. "Der Osten ist mittlerweile so gut aufgestellt, dass die dort doch gar nicht mehr wissen, wohin mit dem Geld. Und bei uns im Ruhrgebiet brennt der Baum."
Gauck: Solidarität nicht geografisch verorten
Durch den Solidarpakt II erhalten die ostdeutschen Länder von 2005 bis 2019 insgesamt 156 Milliarden Euro an Finanzhilfen. Bund, Länder und Kommunen müssen dafür bezahlen, alle unabhängig von ihrer eigenen Finanzsituation. "Es muss Schluss sein mit der Verteilung nach Himmelsrichtung", forderte daher Oberhausens Oberbürgermeister Klaus Wehling (SPD). Während in seiner Stadt Einrichtungen schließen müssten, sanierten die Kommunen im Osten ihre Etats. Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) verlangte, künftig die finanzielle Situation von Kommunen zum Kriterium für Hilfen zu nehmen.
Die Haushaltslage in den Städten und Gemeinden Nordrhein-Westfalens ist dramatisch, nur acht von 400 Kommunen haben einen ausgeglichenen Haushalt. Essen ist mit 2,1 Milliarden Euro verschuldet, ein Drittel davon wurde durch die Beiträge für den Solidarpakt verursacht. Duisburg musste in den vergangenen Jahren Kredite im Wert von einer halben Milliarde Euro aufnehmen, um die Finanzhilfen für den Osten zu bezahlen. In Oberhausen, der am höchsten verschuldeten Stadt Deutschlands, sind es 270 Millionen Euro.
Solidarpakt: "Schluss mit der Verteilung nach Himmelsrichtung"
Die Oberbürgermeister planen nun den Landtagswahlkampf dazu zu nutzen, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Die neue Landesregierung müsse eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Solidarpakts starten, forderte der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD). "Wir können nicht bis 2019 warten." Baranowski sagte, jetzt sei es an der Zeit, sich auf die Problemregionen im Westen zu konzentrieren.
Bundesratsinitiative zur Abschaffung des Solidarpaktes
Kurz nach seiner Wahl hatte sich der neue Bundespräsident Joachim Gauck in einem ARD-Interview bereits in die Debatte eingeschaltet. Er forderte Änderungen am Solidarpakt, damit auch benachteiligte Regionen im Westen von den Geldern profitieren. Die Solidarität dürfe nicht nur geografisch verortet werden. AZ, afp