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Sofagate: Von der Leyen oder Michel? Wer ist die Nummer eins in Europa?

Sofagate

Von der Leyen oder Michel? Wer ist die Nummer eins in Europa?

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    Das Treffen, das das politische Brüssel nicht zur Ruhe kommen lässt: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen musste auf dem Sofa Platz nehmen, während EU-Ratspräsident Charles Michel neben dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan saß.
    Das Treffen, das das politische Brüssel nicht zur Ruhe kommen lässt: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen musste auf dem Sofa Platz nehmen, während EU-Ratspräsident Charles Michel neben dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan saß. Foto: Dario Pignatelli/European Council/dpa

    So zerknirscht hat die Europäische Union schon lange keinen ihrer Spitzenvertreter mehr erlebt. Glaubt man Charles Michel, dem Ratspräsidenten der EU, dann plagen ihn seit dem „Sofagate“ vom Besuch in Ankara vor einer Woche Gewissensbisse der übelsten Art. Er könne „nicht mehr schlafen“, räumte er am Wochenende in mehreren Interviews ein, würde am liebsten „die Zeit zurückdrehen“, nach Ankara „zurückreisen und alles anders machen“. Schließlich sei er kein „Frauenfeind“.

    Die Frau und Kollegin, der dieser Kotau galt, war derweil ein paar Tage zur Familie nach Deutschland gereist (wegen der Pandemie zum ersten Mal in diesem Jahr): Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission und in Ankara vor den beiden Präsidenten Michel und Gastgeber Recep Tayyip Erdogan abgelegen auf einem Sofa platziert.

    Es waren andere Kräfte am Werk - Machtkampf in Brüssel

    In einer ersten Reaktion hatten die meisten Beobachter die Schuld für die erkennbare Brüskierung von der Leyens bei den türkischen Gastgebern gesucht. Doch inzwischen schält sich heraus, dass im Hintergrund offenbar andere Kräfte am Werk waren und die Platzierung der Kommissionspräsidentin auf Abstand Teil eines seit Längerem laufenden Machtkampfes ist, den vor allem Michel und sein Umfeld pflegen.

    Es waren die Protokollexperten des Ratspräsidenten, die die Vorbereitung der Visite übernommen hatten. Mit Blick auf die Coronavirus-Beschränkungen verzichtete die EU-Kommission darauf, ihre eigenen Zeremonienmeister mitzuschicken. In Ankara stellten also Michels Leute die Weichen; selbst der vor Ort residierende EU-Botschafter, Nikolaus Meyer-Landrut (ein Onkel zweiten Grades der früheren ESC-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut), beklagte hinterher, Michels Protokoll-Abteilung habe alles an sich gezogen. Damit nicht genug.

    Ein weitere Brüskierung von der Leyens wurde verhindert

    Scheibchenweise stellte sich am Wochenende heraus, dass eine weitere Demütigung von der Leyens von ihrem persönlichen Stab verhindert werden konnte. Ein Mitarbeiter hatte nämlich einen Blick in den Saal geworfen, in dem Erdogan die beiden Gäste anschließend bewirten wollte. Am Tisch standen zwei Stühle mit hohen Rückenlehnen – erkennbar für das türkische Staatsoberhaupt und den EU-Ratspräsidenten. Die Kommissionschefin sollte etwas seitlich auf einem Möbel Platz nehmen, das dem der übrigen Entourage aus Brüssel entsprach. In Windeseile wurde ein dritter „Präsidenten-Sitz“ herbeigeschafft und von der Leyen zu den anderen beiden gesetzt.

    Spätestens mit dieser Enthüllung schien klar, dass die Michel-Leute keineswegs einen unbeabsichtigten Fehler begingen, sondern vollzogen, was das Sekretariat des Europäischen Rates in Brüssel auch sonst vertritt: Der Ratspräsident genießt in ihren Augen den Status eines Staatsoberhauptes, die Kommissionspräsidentin nur den einer Premierministerin. Einige sagen sogar, sie sei „lediglich“ eine Behördenleiterin. So ließ sich jedenfalls Michels Protokollchef am Wochenende zitieren.

    In der Kommission bezeichnet man das als Unsinn: Es gebe keine protokollarische Hierarchie, beide seien gleichwertig. Das entspricht den EU-Verträgen. Also doch ein Machtkampf?

    Der Ehrgeiz von Michel ist kaum zu unterschätzen

    Das würde ins Bild passen, denn das Miteinander der beiden in Brüssel ist bekanntermaßen von inniger Konkurrenz geprägt. Vor allem Michel bemüht sich seit seiner Amtsübernahme im Dezember 2019, mehr als nur der Grüß-Gott-August der EU-Gipfeltreffen zu sein. Der liberale Belgier, der vor seinem Wechsel an die EU-Spitze vier Jahre lang glücklos das Land zu regieren versucht hatte, strebt nach mehr. Er versteht sich weniger als Geschäftsführer des Kreises der Staats- und Regierungschefs. Vielmehr EU-Präsident möchte er sein.

    So tritt er auch im Ausland auf – immerhin zog es ihn allein seit Ende Februar nach Ruanda, Libyen, Tunesien, Kenia, Georgien und Moldau. Während Michel fast so etwas wie eigenständige Außenpolitik inszeniert, bemüht sich von der Leyen um eine geopolitische Ausrichtung ihrer Kommission, die mit Handels- und Regulierungsmacht die Welt beeindrucken soll. Unausweichliche Folge: Man kommt sich ins Gehege. Dass es inzwischen vor wichtigen EU-Gipfeln so etwas wie einen Wettlauf zwischen beiden Persönlichkeiten gibt, wer als Erster eine Vorlage für die Staats- und Regierungschefs präsentiert, kann jeder beobachten. In der Pandemie war es meist die Kommissionspräsidentin, die vorne lag – wie mit ihrem Vorstoß für eine Gesundheitsunion, mit dem sie Michel die Show stahl. Ihm hörte zwei Tage später bei seinen Appellen für den europäischen Weg kaum noch jemand zu. Reibereien zwischen den EU-Institutionen sind zwar nicht neu, aber dass persönliche Eitelkeiten die Zusammenarbeit dermaßen überlagern, hat Brüssel auch noch nicht gesehen.

    Jetzt müssen Michel und von der Leyen ihr Verhältnis klären

    Am Montag wollten die beiden zum ersten Mal seit Ankara wieder zusammenkommen. Auf der Agenda stand die übliche wöchentliche Absprache. Öffentliche Statements im Anschluss an das Gespräch seien „nicht üblich“, wies der Chefsprecher der Kommission, Eric Mamer, die auf Infos wartenden Korrespondenten ab. Die Hoffnung, dass die beiden ihren Zoff und vor allem den tiefer gehenden Streit um die Frage, wer denn nun Europas Nummer eins ist, klären und zu den wirklich wichtigen Dingen übergehen, scheint eher unwahrscheinlich.

    Am Montagabend vermeldeten dann die Nachrichtenagenturen: „Von der Leyen will eine ‚Sofagate‘-Situation nie wieder zulassen“. Demnach wolle sie, so verlautete es aus Kreisen der EU-Kommission, „nicht noch einmal eine Behandlung wie beim EU-Türkei-Treffen in der vergangenen Woche akzeptieren“. Das habe die Präsidentin „in einem Gespräch mit EU-Ratspräsident Charles Michel“ deutlich gemacht.

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