Manchmal hängt, was einer sagt, auch davon ab, wo er es sagt. Am Sonntagabend bei der CDU im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin stand CSU-Chef Markus Söder rhetorisch noch auf der Bremse. Er sei dort Gast gewesen und – so heißt es tags darauf aus der CSU-Spitze – von den Gastgebern "eindringlich gebeten worden", nicht allzu sehr zu frohlocken. Grund dazu hätte Söder gehabt. Seine CSU konnte sich im Vergleich zur letzten Europawahl prozentual zwar kaum verbessern, sie lag aber mit 40,7 Prozent in Bayern mehr als zwölf Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt der Unionsparteien (28,9 Prozent). Das heißt: Die dramatischen Verluste der Unionsschwestern gehen ausschließlich auf das Konto der CDU.
Erfolgsrezept der CSU: Klare Abgrenzung von der rechtspopulistischen AfD
Söder wusste das schon am Sonntagabend. Doch Seite an Seite mit CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer konnte er das nicht sagen. Erst am Montag in München, als er allein mit EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber vor die Presse tritt, spricht er es an. Die CSU, so sagt er, sei "die einzige Partei die sich vom Negativ-Trend der Großen Koalition abgekoppelt hat." Das Wahlergebnis zeige: "Die CSU kann wieder zulegen. Wir haben eine Trendumkehr erreicht." Die Strategie, das Team, der europäische Spitzenkandidat aus den Reihen der CSU – das alles habe gepasst, betont Söder. Und zwei Beispiele, warum es für die CSU im Moment besser läuft, hat er auch parat: die klare Abgrenzung von der rechtspopulistischen AfD und die Entscheidung zum Artenschutz-Volksbegehren in Bayern. Auch Weber spricht von einer Trendwende. Die CSU habe in Bayern bei einer deutlich höheren Wahlbeteiligung knapp 800.000 Stimmen mehr geholt. Sie habe "Politik aus der Mitte heraus" gemacht, gegen Radikale von rechts und links. "Das gilt es fortzusetzen", sagt Weber.
Die Erleichterung über das relativ gute Ergebnis kann freilich die Besorgnis über den Gesamttrend nicht überdecken. So konnte die CSU zwar in Großstädten wieder zulegen, musste sich aber vielerorts den Grünen geschlagen geben. Richtig übel sieht es für die CSU zudem bei den Jüngeren aus – doppelt so viele Erst- oder Jungwähler wie bei der CSU machten ihr Kreuz bei den Grünen. Und dann ist da ja noch die bange Frage, was dieses Ergebnis für die Entwicklung der CSU in Bayern tatsächlich bedeutet.
Gab es für die CSU Schützenhilfe von Anhängern der Freien Wähler?
Skeptiker im Parteivorstand weisen zum Beispiel darauf hin, dass die CSU zwar im Vergleich zur Landtagswahl im vergangenen Oktober (37,2 Prozent) mehr als drei Prozent zugelegt hat. Ursache dafür könnte zum einen der "Weber-Effekt" sein – der Slogan "Ein Bayer für Brüssel" habe mobilisiert. Zum anderen sei davon auszugehen, dass viele Anhänger der Freien Wähler bei der Europawahl der CSU ihre Stimme gegeben haben. Diese beiden Sonderfaktoren aber könnten bei kommenden Wahlen wieder wegfallen.
Wenig erfreulich sei auch das Gesamtergebnis der Koalitionspartner in der bayerischen Staatsregierung. Bei der Landtagswahl erreichte das "konservative Lager" aus CSU und Freien Wählern 48,8 Prozent. Bei der Europawahl kommen beide Parteien gemeinsam nur noch auf 45,9 Prozent. Das könne zwar auch an den vielen kleinen Parteien liegen, die für das europäische Parlament zur Wahl standen und zum Teil deutliche Zugewinne verzeichneten. Bedenklich aus Sicht der CSU sei es aber auf jeden Fall.
CSU soll "jünger, moderner und cooler werden"
CSU-Chef Söder nimmt das Wahlergebnis dennoch als Bestätigung für seinen Kurs der Erneuerung. Um wieder mehr junge Leute zu begeistern, müsse die CSU "jünger, moderner und cooler werden". Junge Union, Schülerunion und der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) sollen nach seinem Willen ein Konzept erarbeiten, um einen besseren Zugang zu jungen Leuten und ihren Themen zu finden. Und auch die digitale Kommunikation müsse verbessert werden. "Die alte Welt beginnt sich zu verabschieden und alte Maßstäbe auch", sagt Söder. Auf Debatten im Netz müsse die Partei künftig schneller und cleverer reagieren.
Dass die CSU unter der Schwäche der CDU und dem schlechten Erscheinungsbild der Großen Koalition leidet, steht für Söder außer Frage. Das Grundproblem der GroKo sei "das Hin und Her der SPD". Direkte Kritik an der CDU lässt er sich aber auch in München nicht entlocken. "Wir werden auf keinen Fall die CDU belehren. Im Gegenteil: Wir haken uns unter", sagt Söder.
In unserem Podcast "Bayern-Versteher" analysieren wir die Wahl – und sprechen unter anderem über die bröckelnde Macht der Volksparteien. Hier können Sie reinhören: