Was ist Heimat? Diese Frage beschäftigt Menschen und Politik in Deutschland derzeit gleichermaßen. Wie wichtig Heimat gerade für Geflüchtete und Vertriebene ist, demonstrierte am Pfingstwochenende der Sudetendeutsche Tag auf dem Messegelände in Augsburg. Denn dieser stand heuer unter dem Motto „Kultur und Heimat – Fundamente des Friedens“.
In den Messehallen zeigten zahlreiche Aussteller verschiedene Facetten der Heimat – ob bei Mundartlesungen, in Trachten oder auf Bildern aus den tschechischen Gebieten wie Böhmen oder Mähren. Unter den Besuchern waren viele, die die Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei selbst miterlebt hatten. Bayern hatte damals die Schirmherrschaft für die Sudetendeutschen übernommen und bezeichnet diese seit jeher neben den Schwaben, Franken und Altbayern als den vierten Stamm des Freistaats.
Gut gefüllte Schwabenhalle beim Sudetendeutschen Tag
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder trat am Sonntag zum ersten Mal als Schirmherr auf. In seiner Rede in der gut gefüllten Schwabenhalle bezeichnete er die Sudetendeutschen als „echte Vorbilder für den Frieden“. Söder – selbst seit 20 Jahren Mitglied bei den Sudetendeutschen – versicherte den Zuhörern, dass die Vertriebenen „elementarer Bestandteil der bayerischen Politik“ bleiben werden.
Dafür nannte der Ministerpräsident bereits ein konkretes Projekt: „Wir wollen das Thema Mundart in den Schulen wiederbeleben. Das gilt auch für die sudetendeutsche Mundart.“ Auch auf das Thema Heimat ging Söder in seiner Rede ein: Derzeit wüssten viele Menschen nicht, wo ihre Wurzeln liegen. Dabei könne man andere nur tolerieren, wenn man seine eigene Herkunft kenne, so der CSU-Politiker.
Söder: Vertreibung nicht mit Flüchtlingen vergleichen
Im Hinblick auf die Landtagswahlen im Oktober nahm Söder auch Stellung zur aktuellen Politik und unterstrich noch einmal seine Haltung zum Kreuz: „Woanders werden Kreuze abgehängt, aber wir in Bayern hängen Kreuze auf.“
Beim Thema Flüchtlinge zeigte der Ministerpräsident ebenfalls klare Kante. Er höre immer wieder die Debatte, dass die Situation der Flüchtlinge heute und die der Sudetendeutschen damals ähnlich sei. „Das ist nicht vergleichbar: Die Sudetendeutschen sind Deutsche, sie sind Landsleute“, rief Söder unter lautem Applaus.
Mit Blick nach Prag gab er das Ziel aus, die Beziehungen zwischen Bayern und Tschechien weiter zu verbessern. Einen Beitrag dazu leistet nach Ansicht Söders auch der Sudetendeutsche Tag – denn dieser sei „ein Kompass für Völkerverständigung“.
„Nationalismus ist eine der größten Blödheiten der Menschheit“
Bernd Posselt, Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, stellte klar, dass sich die Vertriebenen auch künftig politisch engagieren werden und schickte zugleich eine Botschaft an die Gesellschaft: „Der Teufel schläft nicht. Hetze findet immer noch statt. Wir erleben eine Gesellschaft mit unglaublichen Egoismen.“ Die kollektive Form des Egoismus’ sei der Nationalismus – „und der Nationalismus ist eine der größten Blödheiten der Menschheit.“
Posselt bezeichnete die Sudetendeutschen als „Zertrümmerer der nationalistischen Klischees“ und „Fanatiker der Menschenrechte“. Auch weiterhin würden die Sudetendeutschen an ihrer Haupttugend festhalten – nämlich, sich überall einzumischen. Posselt war es auch, der dem Wiener Kardinal Christoph Schönborn auf dem Sudetendeutschen Tag den Europäischen Karls-preis der sudetendeutschen Landsmannschaft verlieh. Schönborn wurde 1945 selbst aus Nordböhmen nach Österreich vertrieben. Posselt lobte, dass sich der Kardinal stets mit klaren Worten gegen Vertreibung ausgesprochen hat.
Sudetendeutsche träumen von Ministerpräsidentenamt
Ein großes Thema beim Sudetendeutschen Tag ist jedes Jahr die Zukunft der Vertriebenenverbände. Der Anteil derer, die der sogenannten Erlebnis-Generation angehören und die Vertreibung selbst erlebt hat, wird kleiner. Eine mögliche Lösung präsentierte am Sonntag passenderweise der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Jugend, Peter Paul Polierer. In Richtung Söder sagte er: „Die Sudetendeutschen sind der einzige Stamm Bayerns, der noch keinen Ministerpräsidenten gestellt hat. Vielleicht wäre das eine Option in zehn Jahren.“