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Sicherheitspolitik: Die Chancen für einen Nationalen Sicherheitsrat sind so gut wie nie zuvor

Sicherheitspolitik

Die Chancen für einen Nationalen Sicherheitsrat sind so gut wie nie zuvor

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    Pioniere der Bundeswehr im Einsatz nach der Flutkatastrophe an der Ahr. Kritiker bemängeln, dass die Einwohner zu spät gewarnt wurden. Kann ein Nationaler Sicherheitsrat in solchen Fällen effektiver helfen?
    Pioniere der Bundeswehr im Einsatz nach der Flutkatastrophe an der Ahr. Kritiker bemängeln, dass die Einwohner zu spät gewarnt wurden. Kann ein Nationaler Sicherheitsrat in solchen Fällen effektiver helfen? Foto: Boris Roessler, dpa

    Die Forderung nach einem Nationalen Sicherheitsrat taucht seit Jahren so zuverlässig auf wie früher das Seeungeheuer von Loch Ness im Sommerloch. Am Ende blieb Nessie stets ein Hirngespinst, die Debatte um einen heißen Phase des Wahlkampfes geworden.

    Diesen Rückenwind will die Berliner Politikwissenschaftlerin Christina Moritz nutzen. Jetzt scheint sich ihr langer Atem auszuzahlen. Moritz, die auch als wissenschaftliche Mitarbeiterin der CDU im Bundestag tätig war, legte bereits vor fünf Jahren ein detailliertes Modell für einen Nationalen Sicherheitsrat vor. Mit Vorträgen, Gastbeiträgen in überregionalen Tageszeitungen und politischer Überzeugungsarbeit bei Parteien und Verbänden verfolgt sie ihr Ziel, Kompetenzen und Fachwissen im Krisenfall zu konzentrieren.

    Flüchtlinge werden aus Kabul von der Bundeswehr ausgeflogen. Doch viele afghanische Ortskräfte der Bundeswehr und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind noch immer der Rache der Taliban ausgeliefert.
    Flüchtlinge werden aus Kabul von der Bundeswehr ausgeflogen. Doch viele afghanische Ortskräfte der Bundeswehr und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind noch immer der Rache der Taliban ausgeliefert. Foto: Marc Tessensohn, Bundeswehr, dpa

    Der Zuspruch vieler Politiker und Sicherheitsexperten hat Moritz - die sowohl Mitglied der CDU als auch der CSU ist - ermutigt, in die Offensive zu gehen: "Es steht zu hoffen, dass die politischen Entscheider aus dem Bündel von Pannen endlich klug geworden sind. Erste Amtshandlung des nächsten Bundeskanzlers muss die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates im Bundeskanzleramt sein", fordert sie. Tatsächlich versicherte CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, dass er - sollte er die Wahl gewinnen - einen Nationalen Sicherheitsrat installieren werde.

    Ein fest installierter Sicherheitsrat für alle Krisen und Katastrophen

    Wie sieht das Modell von Christina Moritz konkret aus? Sie plädiert für einen Sicherheitsrat, der fest installiert und generell für Krisen und Katastrophen zuständig ist. Das Gremium hätte den Rang eines Kabinettsausschusses mit einem nationalen Sicherheitsberater im Bundeskanzleramt. Die Ministerien wären über Referenten beteiligt. Eine Analyse-Einheit im Verteidigungsministerium würde die Sitzungen fachlich vorbereiten, um dessen Mitglieder mit den wichtigsten zivilen oder militärischen Quellen zu versorgen. Auf diese Weise könne der Staat auch dann schnell und effektiv reagieren, wenn Gefährdungen in enger zeitlicher Abfolge auftreten würden oder gar parallel zu bewältigen sind, erklärt Moritz.

    Ein flammendes Plädoyer für den Sicherheitsrat liefern Peter R. Neumann, Professor für Sicherheitsstudien am King’s College London, und Serap Güler, Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen, in einem aktuellen Gastbeitrag für die "Welt": "Anders als in Frankreich oder den USA gibt es in Deutschland keine Kultur der strategischen Debatte. Militärische Gefahren erkennen wir so oft zu spät. Deshalb brauchen wir einen Nationalen Sicherheitsrat, in dem relevante Ministerien an einem Tisch sitzen", analysiert das Duo. „Union, FDP und Grüne haben sich für die Schaffung eines Sicherheitsrats ausgesprochen. Auch Laschets Empfehlung sendet ein starkes Signal. Nur die SPD ziert sich noch“, lautet ihre Analyse.

    Tatsächlich tun sich insbesondere die Sozialdemokraten schwer. "Ich bezweifle, dass ein Nationaler Sicherheitsrat der deutschen Kultur in der Sicherheitspolitik entspricht“, sagte der SPD-Fraktionschef im Bundestag, Rolf Mützenich, im Gespräch mit unserer Redaktion. Mützenich befürchtet, dass der Trend zu einer immer stärkeren Rolle der Exekutive durch solch ein Gremium weiter verstärkt werde. So klingt eine klare Absage. Christina Moritz sagte allerdings im Gespräch mit unserer Redaktion, dass zumindest der konservative Seeheimer Kreis in der SPD ihrem Vorstoß positiv gegenüberstehe.

    Erst die Dürre, dann Hochwasser - für viele Experten könnte der Klimawandel in Zukunft eine ganze Kette von Katastrophen auslösen.
    Erst die Dürre, dann Hochwasser - für viele Experten könnte der Klimawandel in Zukunft eine ganze Kette von Katastrophen auslösen. Foto: Matthias Becker, dpa

    Viele Politiker, die sich einen Nationalen Sicherheitsrat sehr wohl vorstellen können, sehen ihn als Instrument zur außenpolitischen Krisenbewältigung. So wie der FDP-Außenpolitiker, Alexander Graf Lambsdorff, der zwar generell einen Nationalen Sicherheitsrat befürwortet, aber im gleichen Atemzug Grenzlinien einzieht: "Was mit uns nicht zu machen ist, ist ein Sicherheitsrat, der - aufgehängt an der Corona-Pandemie - als eine Art eierlegende Wollmilchsau für Krisen aller Art im Inneren sowie außen- und sicherheitspolitisch zuständig ist“, sagte der Liberale unserer Redaktion. Zudem glaubt Lambsdorff, dass „viele Bundesländer diesen umfassenden Ansatz für einen Sicherheitsrat nicht akzeptieren“ würden.

    Auf Bayern scheint das zuzutreffen: „Deutschland benötigt einen Nationalen Sicherheitsrat zur Bündelung der Außen- und Sicherheitspolitik, aber keinen in einem Sinne, dass der Bund den Ländern Weisungen erteilt“, erklärte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann bereits im Juli im Gespräch mit unserer Redaktion. Es liegt jedoch auf der Hand, dass ein Nationaler Sicherheitsrat nach dem Modell von Moritz nur Sinn macht, wenn in Krisenzeiten Kompetenzen von den Bundesländern auf die Kanzlerin und das Kabinett übergehen. Für die Politikwissenschaftlerin ist dies unerlässlich, um bei Katastrophen oder schweren Krisen zentral entscheiden und durchgreifen zu können.

    Der Grünen-Politiker Lindner kann sich ein Gremium für Außen- und Sicherheitspolitik vorstellen

    Auch der Sprecher für Sicherheitspolitik der Grünen, Tobias Lindner, kann sich ein solches Gremium vorstellen. Er schiebt allerdings ein Aber nach: "Das macht nur Sinn, wenn sich die nächste Bundesregierung eine vernünftige außenpolitische Agenda zulegt. Dann könnten sich dort die Ressorts Verteidigung, Auswärtiges Amt und Inneres in außenpolitischen Krisensituationen auf Augenhöhe begegnen und abstimmen", sagte Lindner unserer Redaktion. Eine Zuständigkeit bei Krisen in Deutschland hält Lindner nicht für zielführend. "Im Katastrophenfall ist völlig klar, dass das Innenministerium auf Bundesebene die Führungsrolle innehat, bei außenpolitischen Krisen sind mehrere Ministerien involviert."

    Die Statements aus den Parteien lassen den Schluss zu, dass die Chancen zur Gründung eines Sicherheitsrates nach amerikanischem oder britischem Vorbild so gut sind wie nie zuvor. Allerdings überwiegen derzeit noch - anders als von Christina Moritz vorgeschlagen - die Stimmen, die einen Nationalen Sicherheitsrat als reines Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik bevorzugen.

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