Der perfide Terroranschlag auf die Besucher eines Popkonzerts, der in Manchester viele Todesopfer forderte, wirft auch in Deutschland bange Fragen nach der Sicherheit bei Großveranstaltungen auf. Nach Behördenangaben gilt die Sicherheitslage in Deutschland weiter als "abstrakt angespannt". Das heißt: Mit terroristischen Anschlägen muss jederzeit gerechnet werden. Die Gefahr sei durch den Anschlag von Manchester weder größer noch geringer geworden.
Auch wenn derzeit offenbar keine konkreten Hinweise auf geplante Attentate vorliegen, sind die Behörden in höchster Alarmbereitschaft. In Sicherheitskreisen besteht kein Zweifel daran, dass die Terrororganisation Islamischer Staat, die in ihrem sogenannten "Kalifat" in Syrien und im Irak ein Rückzugsgefecht kämpft, neben anderen westlichen Ländern auch Deutschland als Terrorziel im Visier hat.
Die Personaldecke der Polizei ist dünn
Der islamische Staat versucht im Internet weiter offensiv, "Märtyrer" zu Anschlägen in Staaten zu bewegen, die Teil der Anti-IS-Koaltion sind – wie Deutschland. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums ist die Zahl der sogenannten islamistischen Gefährder in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr noch einmal stark angestiegen. Knapp 600 Personen werde ein Terroranschlag zugetraut, insgesamt werden etwa 1600 Personen der islamistisch terroristischen Szene zugerechnet. Fast 10.000 Personen werden dem Salafismus zugerechnet, der einen besonders radikalen Islam vertritt.
Die Überwachung der Szene stellt die Sicherheitsbehörden dem Vernehmen nach vor erhebliche Herausforderungen. Eine lückenlose Überwachung aller relevanten Personen rund um die Uhr gilt als extrem aufwendig, sei angesichts knapper Personaldecken kaum zu gewährleisten.
Als mögliche Anschlagsziele stehen große Städte, gerade die Hauptstädte, nach Erkenntnissen der Nachrichtendienste besonders im Fokus. In der Logik der Terroristen gilt ein Anschlag, der in einer Metropole für Angst und Schrecken sorgt, als besonders nützlich für Propagandazwecke.
Hunderttausende pilgern zum Evangelischen Kirchentag
Wie der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im vergangenen Dezember gezeigt hat, steht die deutsche Hauptstadt weit oben auf der Liste der Wunschziele der Terrorfürsten des IS. Gerade in den kommenden Tagen werden die Sicherheitsmaßnahmen in Berlin so umfangreich sein wie selten zuvor. Denn am langen Himmelfahrtswochenende werden bis zu zwei Millionen Besucher erwartet – das bedeutet auch für die Hauptstadt Ausnahmezustand. Hundertausende werden allein zum evangelischen Kirchentag pilgern, prominente Teilnehmer wie der frühere US-Präsident Barack Obama stellen die Sicherheitskräfte zudem vor spezielle Herausforderungen.
Das lange Wochenende lockt ohnehin zahlreiche Kurzreisende und dann steht am Samstag auch noch das Endspiel um den DFB-Pokal zwischen Dortmund und Frankfurt an. Der DFB berichtet von einer halben Million Ticket-Anfragen für das Finale. Es ist also davon auszugehen, dass hunderttausende Fußballfans in der Stadt sein werden. Auf dem Breitscheidplatz, Schauplatz des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt mit zwölf Todesopfern, plant Borussia Dortmund ein Fanfest.
Die Behörden setzen auf Videoüberwachung
Die Sicherheitskräfte seien zu besonderer Wachsamkeit aufgerufen, es gebe aber "keine Anzeichen für eine besondere Terrorgefahr", sagt ein Polizeisprecher. Rund um den Kirchentag werden die Sicherheitsvorkehrungen so hoch sein wie nie zuvor. Absperrungen und Betonpoller sollen Menschenmassen vor Anschlägen mit Fahrzeugen schützen. Jeder Kirchentagsbesucher muss mit Taschenkontrollen rechnen, große Gepäckstücke sind an den Veranstaltungsorten ganz verboten. Tausende Sicherheitskräfte in Uniform und in Zivil werden überall in der Stadt präsent sein.
Um den Überblick zu behalten, setzen die Behörden auch auf Videoüberwachung – auch vom Hubschrauber aus. Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt hat die Berliner Polizei nicht nur ihre Sicherheitskonzepte auf den Prüfstand gestellt, sondern buchstäblich aufgerüstet: 12000 moderne Pistolen und neue Schutzwesten wurden angeschafft. Zum Einsatz kommen auch Sprengstoffhunde und Scharfschützen.
Die Polizei geht davon aus, dass alles "friedlich und sicher bleibt". Doch die Terrorgefahr, sagt ein Sprecher auch im Hinblick auf den Anschlag von Manchester, sei "traurige Realität".
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