Brüssel Europa im Jahr 2017: Der Reisende aus einem Land außerhalb der EU betritt noch am Flughafen eine Kabine, in der binnen weniger Sekunden sein Pass gescannt, das Gesicht fotografiert und die Fingerabdrücke abgespeichert werden. Sofern der Computer grünes Licht gibt, öffnet sich die Schranke nach Europa. „Intelligentes Grenzsystem“ nennt sich das Verfahren, das EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström am Donnerstag in Brüssel präsentierte. Es soll mürrische Grenzbeamte, die in zerknitterten Pässen nach unleserlichen Visa-Stempeln suchen, ersetzen. „Durch den Einsatz neuer Technologien wird Bürgerinnen und Bürgern aus Drittstaaten bei der Einreise in die EU ein reibungsloserer und schneller Grenzübertritt ermöglicht“, sagte die Kommissarin zur Begründung. Doch das Modell trifft nur auf Vielreisende zu, die sich zuvor sozusagen akkreditiert und ihre Daten bei den EU-Behörden hinterlegt haben – dazu könnten Geschäftsleute oder Gast-Studenten gehören.
Automatischer Warnhinweis an die nationalen Behörden
Alle anderen müssten sich bei der ersten Einreise in die EU erst einmal erfassen lassen – mit weitreichenden Folgen, von denen man in Brüssel nur so schwärmt. Das neue manuelle System soll nämlich die zulässige Dauer von Kurzaufenthalten selbstständig berechnen und gegebenenfalls einen Warnhinweis an die nationalen Behörden ausspucken, wenn bis zum Ablauf der Aufenthaltsdauer keine Ausreise erfolgt ist. Nur so, meint Malmström, seien die Mitgliedstaaten auch künftig in der Lage, ohne Staus und dennoch sicher mit dem anschwellenden Strom der Touristen und Einwanderer fertig zu werden. 2009 kamen noch 400 Millionen in die EU. Für 2030 werden 720 Millionen erwartet – 80 Prozent mehr.
Vorstoß der Kommission bei Datenschützern umstritten
Doch der Vorstoß der Kommission ist umstritten. Denn man setzt dabei voraus, dass die Union sich – ähnlich wie in den USA – für ein Verfahren zur Erfassung und Speicherung von Fingerabdrücken entscheidet, wofür es bisher keinen Beschluss gibt. Zwar planen die 27 Mitgliedstaaten ein abgespecktes Passagier-Informationssystem an den Flughäfen, mit Blick auf den Datenschutz aber hatte man sich bisher bei den Finger-Scans stets zurückgehalten.
200 Millionen Euro soll die Überwachungstechnologie im Jahr kosten
Krach gibt es auch um die Kosten für die EU-weite Einführung dieser Technologie. Nach Angaben der Kommission fallen dafür 200 Millionen Euro pro Jahr an. Hochrechnungen anderer Quellen sprechen dagegen von zwei Milliarden Euro an laufenden Kosten, ebenfalls pro Jahr. Brüssel geht natürlich davon aus, dass diese Aufwendungen wie immer von den Mitgliedstaaten finanziert werden. Die lehnen derartige Zwangsverpflichtungen stets ab und werden sich auch durch den Hinweis der Kommissarin auf Einsparungen beim Verwaltungsaufwand nicht überzeugen lassen. Kommissarin Malmström nannte als Zieljahr für die Einführung 2017. Selbst bei einer beschleunigten parlamentarischen Beratung und schneller Einigung der beteiligten Regierungen erscheint diese Angabe allerdings als sehr optimistisch. Bisher stehen noch nicht einmal die schon für 2011 vorgesehenen Body-Scanner an den Flughäfen, die die USA übrigens schon wieder abgebaut haben.