Es sind Nachrichten wie diese, die derzeit die Verunsicherung in der deutschen Bevölkerung über den historischen Ansturm von Asylbewerbern verschärfen: Ein Kuss, den ein Iraker einer verheirateten Afghanin auf die Wange gegeben haben soll, hat Flüchtlinge im niedersächsischen Erstaufnahmelager Friedland gegeneinander aufgebracht. Innerhalb kurzer Zeit standen sich 100 Flüchtlinge beider Nationalitäten aggressiv gegenüber. Die Polizei musste mit einem Großaufgebot die Lage schlichten.
Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak sind fast immer friedlich
In Hamburg entfachte ein Streit bei der Kleiderausgabe ebenfalls Schlägereien zwischen Afghanen und Irakern, in einer anderen Hamburger Unterkunft griffen sich rund 30 bis 40 Asylbewerber teilweise mit zerlegten Bettgestellen an, aus denen sie Knüppel bastelten. Wie wirkt sich die Aufnahme hunderttausender Flüchtlinge auf die Sicherheit in der Bundesrepublik aus? Erstmals nahm dazu nun der neue Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, ausführlich Stellung.
„Allgemein können wir sagen, dass es Gruppen gibt unter den Flüchtlingen, die uns wenig Sorgen machen in Bezug auf Kriminalität“, sagte Münch in einem langen Radiointerview des Deutschlandfunks. Zu den bis auf wenige Einzelfälle unauffälligen Gruppen zählt er nach wie vor die Syrier und Iraker als die stärksten Gruppen im gegenwärtigen Flüchtlingsstrom.
Osteuropäische Banden wollen aktuelle Flüchtlingssituation ausnutzen
Doch es gibt auch Probleme, vor allem mit kriminellen Banden aus Osteuropa: „Einige, möglicherweise auch organisierte Strukturen, versuchen, dieses Flüchtlingsthema zu nutzen, um dann darin auch Kriminalität besser organisieren zu können“, warnt Münch. Als Beispiel nennt er eine Versechsfachung der Asylanträge von Georgiern in den vergangenen fünf Jahren trotz der Anerkennungsquote von null: „Das Ziel ist hier, sich einige Zeit in Deutschland aufhalten zu können und in dieser Zeit Straftaten zu begehen.“ Der BKA-Chef sprach in diesem Zusammenhang von über 6000 Straftätern.
Keinen Hinweis gebe es darauf, dass Terrororganisationen wie der Islamische Staat mit den Flüchtlingen Attentäter einzuschleusen zu versuchen: „Wir gehen davon aus, dass, wenn eine ausländische terroristische Vereinigung einen Anschlag in Deutschland plant und sich hierher begeben will, dass sie dafür keine Flüchtlingsströme nutzen muss“, sagt der BKA-Chef. Sorge bereiteten aber die Versuche islamistischer Salafisten, Flüchtlinge für sich zu werben. Die versetzen Flüchtlinge in Angst: „Die sind gerade vor diesen Personen geflohen.“
Vor allem Jugendliche aus Nordafrika machen Probleme
In der Alltagskriminalität gebe es vor allem bei bestimmten Jugendlichen Probleme: „Wir haben aber innerhalb der Gruppe der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge sehr, sehr auffällige Personen.“ Dies gelte vor allem für Jugendliche aus den Maghreb-Staaten – also aus den nordafrikanischen Staaten Marokko, Libyen, Algerien, Mauretanien und Tunesien: „Straßenkinder, die gelernt haben, von Tag zu Tag irgendwie sich durchzuschlagen und das auch mithilfe von Kriminalität, sie beschäftigen uns sehr, sehr stark.“ Hier stelle sich auch den Sozialbehörden die Frage: „Kann man diese Personen in einer Form einfangen und auf einen Weg bringen, dass sie weniger auffällig sind?“
Die aktuellen Fälle von Schlägereien in Flüchtlingsheimen sei in erster Linie ein Problem der Überbelegung in Großunterkünften, erklärt der BKA-Chef: „In kleineren Unterkünften haben wir kaum Auffälligkeiten.“ Das BKA habe bei den Länderbehörden abgefragt, ob religiöse Spannungen zu Auseinandersetzungen in Unterkünften führten, sagt Münch: „Da kam ganz überwiegend ein klares Nein! Die Hauptursache ist aus Sicht unserer Kollegen, die ganz vorne dran sind und diese Konflikte auch bearbeiten, die hohe Dichte in den Massenunterkünften.“
BKA-Chef Münch: Übergriffe auf Frauen sind Einzelfälle
Derzeit erstelle das BKA auch ein Lagebild, wie viele Übergriffe es auf Frauen in den Flüchtlingsunterkünften gebe: „Es gibt solche Fälle, die ich als Einzelfälle bezeichnen würde“, so Münch, aber „keine systematischen Phänomene.“
Drastisch zugenommen hätten dagegen die Angriffe auf Asylunterkünfte: „Wir sind jetzt mittlerweile bei den 500 angekommen, nach wie vor steigend.“ Es gebe zwar keine Hinweise auf überregionale Steuerung durch Rechtsextremisten, allerdings schaukle sich die rechte Szene in der Gewaltbereitschaft auf.