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Serie (Teil 4): Sonneninseln

Serie (Teil 4)

Sonneninseln

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    Augsburg Er war eine schillernde Persönlichkeit, nicht jeder hörte gerne, was er zu sagen hatte. Aber der Zukunftsforscher Robert Jungk (1913–1994) ließ sich nicht beirren: „Die Sonnenenergie wird viel schneller kommen, als die meisten glauben“, sagte er bereits 1989 im Interview mit unserer Zeitung.

    Jetzt ist es so weit. Das im Jahr 2000 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat bewirkt, dass massenhaft Solar-, Wind- und Biomasseanlagen entstanden sind. Der Ausstieg aus der Atomkraft wird nun einen weiteren Schub auslösen: Sonne & Co, bitte übernehmen Sie!

    Typisch für die Solarenergie ist die Vielzahl der Anlagen, in denen die Strahlung der Sonne jenen Elektronenfluss auslöst, den wir Strom nennen. Mit der Photovoltaik wurden die erneuerbaren Energien erst richtig populär. Wer keine Solarmodule auf dem Dach hat, besitzt wenigstens einen Taschenrechner mit Photozelle – und sieht, dass es funktioniert. Heute liefern Solaranlagen in Bayern 5,7 Prozent des benötigten Stroms. Das ist deutlich weniger als die Wasserkraft leistet (15,2 Prozent), aber ein Vielfaches des Ertrags, den die wenigen Windräder im Freistaat beisteuern (0,7 Prozent).

    Typisch für Solaranlagen ist aber auch, dass sie nicht kontinuierlich Strom liefern, sondern dass der Ertrag mit der Intensität der Sonnenstrahlung schwankt. Und, bisher jedenfalls, dass diese Art der Elektrizitätsgewinnung teuer ist.

    In naher Zukunft wird sich dies aber ändern. Die Photovoltaik, die vor 50 Jahren noch so kostspielig war, dass sie ausschließlich in der Weltraumtechnik eingesetzt wurde, kommt voran auf dem Weg zur Konkurrenzfähigkeit. Im nächsten Jahr wird auf breiter Front die Netz-Parität erreicht werden. Das heißt: Der Sonnenstrom kann zu dem Preis produziert werden, den auch die E-Werke ihren Haushaltskunden berechnen. Das sind um die 24 Cent pro Kilowattstunde. Für Solarstrom aus neuen Großanlagen beträgt die Vergütung heute bereits nur noch rund 21 Cent. Bei kleinen Anlagen werden aber immer noch bis zu 29 Cent erstattet.

    Die Tendenz geht weiter nach unten. Der Bundesverband Solarwirtschaft erwartet, dass Photovoltaik-Freiflächenanlagen 2015 günstiger Strom produzieren werden als Offshore-Windparks, und dass von 2017 an Solarprojekte ohne Förderung im Markt bestehen können.

    Die Energiepolitiker atmen hörbar auf. Denn der gewaltige Zubau bei der Photovoltaik ist maßgeblich schuld, dass der Aufschlag auf die Stromrechnung, den alle Kunden für die erneuerbaren Energien zu zahlen haben, auf rund 3,5 Cent pro Kilowattstunde gestiegen ist. Mit den so eingesammelten elf Milliarden Euro im Jahr werden die erhöhten Entgelte bezahlt, die den Erzeugern von Öko-Strom zustehen. Diese Belastung für die Stromkunden darf nach dem Willen der Bundesregierung nicht weiter steigen.

    Auch deswegen werden die Vergütungen für Solarstrom künftig abgesenkt. Bereits beschlossen ist, dass die zum 1. Januar 2012 fällige Kürzung der Einspeisevergütungen teilweise auf den 1. Juli dieses Jahres vorgezogen wird. Zusammen sollen beide Kürzungsschritte maximal 24 Prozent betragen. Die genauen Sätze hängen vom Zubau der Photovoltaikkapazitäten ab (Fachleute sprechen vom „atmenden Deckel“).

    Doch die Koalition will die Förderung „weiter zurückfahren, ohne etwas abzuwürgen“, wie der stellvertretende Fraktionschef von CDU und CSU im Bundestag, der Augsburger Abgeordnete Christian Ruck, formuliert. Hintergrund: Die Solarmodule wurden deutlich billiger, seit 2006 um mehr als 50 Prozent. „Wir müssen diese Kostendegression in den Vergütungen abbilden“, so Ruck.

    Auch inhaltlich soll sich etwas ändern. „Das Ziel“, sagt Georg Nüßlein, Bundestagsabgeordneter aus Münsterhausen (Kreis Günzburg) und energiepolitischer Sprecher der CSU im Parlament, „muss heißen: Das Haus versorgt sich vom Dach aus mit Energie.“ Im Klartext: Nutzung des Stroms am Erzeugungsort geht vor Einspeisung ins Netz. Eine finanzielle Belohnung für den Eigenverbrauch von Solarstrom ist vor kurzem bereits ins EEG eingebaut worden. „Der Bonus sollte künftig an die Speicherung von Strom im Haus und an die Verwendung von intelligenter Regeltechnik gebunden werden“, schlägt Nüßlein vor. Die höchste Förderung gäbe es dann nur noch für echte Sonnenhäuser.

    Hintergrund der neuen Marschrichtung: Ein temporäres Überangebot an Solarstrom kann das Stromnetz überfordern. Und zwar dann, wenn die Sonne scheint, aber der Verbrauch gering ist. Vor allem in Bayern, dem Land mit den meisten Solaranlagen, macht sich dies bemerkbar. Regionale Energieversorger wie die Lechwerke in Augsburg klagen darüber, dass sie teilweise schon Strom ins Höchstspannungsnetz zurückspeisen mussten.

    Förderung für Solarfelder vor dem Aus

    Wenn sich Solarhäuser jedoch weitgehend autonom mit Energie versorgen, werden die Netze entlastet. Die Gebäude verfügen dann über einen Stromspeicher im Keller, der im Moment aber noch relativ teuer ist, über intelligente Technik, die für die optimale Nutzung der Energie sorgt, und über eine Ladestation für das Elektroauto (siehe Grafik).

    Für Freiflächenanlagen, die ohnehin in der Kritik stehen, wird die finanzielle Förderung indes wohl schneller auslaufen, als der Solarbranche lieb ist. Der Gesetzgeber hat bereits Solaranlagen auf Ackerflächen von der Förderung ausgenommen. In den Genuss der EEG-Vorteile kommen derzeit nur noch Photovoltaik-Felder auf Konversionsflächen wie ehemaligen Truppenübungsplätzen oder auf sonstigen, genau definierten Flächen.

    Für die Solarenergie schließt sich damit ein Kreis. Angefangen hat sie als dezentrale Energiequelle ohne Verbindung zum Netz (was im Weltraum auch unmöglich war). Das EEG hat später das Stromnetz zum Speicher für die Solarenergie gemacht – bis der überwältigende Erfolg zu dessen Überforderung führte. Jetzt geht es wieder zurück zur Insel: Häuser als Sonneninseln, das ist der Trend für die Zukunft.

    LesenSie morgen Wie bayerische Wissenschaftler die Wasserkraft zur Hochtechnologie machen wollen.

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