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Serie: Die älteste Zukunftstechnologie

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Die älteste Zukunftstechnologie

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    Die älteste Zukunftstechnologie
    Die älteste Zukunftstechnologie

    Augsburg Im Fluss ist nichts zu sehen und nichts zu hören. Professor Peter Rutschmann von der Technischen Universität München hat, wie er sagt, an seinem Lehrstuhl das Wasserkraftwerk der Zukunft entwickelt. Es verschwindet unter der Wasseroberfläche. Und es ist 50 bis 70 Prozent billiger als die konventionellen Anlagen. Ein weiter Vorteil: Die Fische können über eine Treppe flussaufwärts wandern – und flussabwärts, ohne in der Turbine gehäckselt zu werden. Bislang war dies technisch nicht möglich. In der Computersimulation funktioniert die Erfindung.

    Jetzt muss das innovative Kraftwerk den Praxistest bestehen. An der Versuchsanstalt für Wasserbau in Obernach beim Walchensee entsteht ein Prototyp des sogenannten Schachtkraftwerks. Ungeduldig wartet Rutschmann auf die Betriebsgenehmigung. Früher seien Kraftwerke gebaut worden, um Strom zu erzeugen, an die Ökologie habe man dabei nicht gedacht, sagt der Wissenschaftler. Die Wasserkraft kam in Verruf. Weil Flüsse zerstückelt wurden und Fische nicht wandern konnten. Der Widerstand gegen neue Anlagen wuchs.

    An der Iller in den Landkreisen Unterallgäu und Neu-Ulm möchte ein Münchner Investor für regenerative Energien im Mutterbett acht Kleinkraftwerke bauen. Das Genehmigungsverfahren läuft. Heftigen Widerstand gibt es auch gegen Pläne von Eon Wasserkraft. Der Konzern plant ein Kraftwerk an der letzten Fließstrecke des Lech im Naturschutzgebiet südlich von Augsburg. Naturschützer und Fischer haben eine Allianz gebildet und laufen Sturm dagegen. Eon-Pressesprecher Christian Orschler ist zuversichtlich, dass man gemeinsam einen Weg zur Realisierung des Projekts finden kann.

    Das innovative Schachtkraftwerk könnte nach Ansicht Rutschmanns die Stimmung drehen. Fukushima und der Atomausstieg bringen neuen Schwung in die Diskussion um erneuerbare Energien. Wasserkraft in Bayern doch eine Erfolgsgeschichte? Der Freistaat ist aufgrund der natürlichen Gegebenheiten mit seinen Flüssen und des Gefälles seiner Alpenlandschaft bereits heute führend: Die Wasserkraft deckt im Energiemix 17 Prozent des Strombedarfs, in Deutschland sind es gerade mal 3 Prozent.

    Eon Wasserkraft und die Bayerischen Elektrizitätswerke (BEW) aus Augsburg, mit die größten Wasserkrafterzeuger im Freistaat, vereinbarten bereits 2006 mit der Staatsregierung, Steigerungsmöglichkeiten auszuloten. Zehn Prozent mehr Strom aus Wasserkraft wären theoretisch möglich. Das geht aus einer Studie hervor.

    In unserer Region wurden Iller, Donau, Lech und Wertach unter die Lupe genommen. An allen Flüssen – bis auf den Lech zwischen Augsburg und Roßhaupten im Ostallgäu – ist die BEW Betreiber der großen Kraftwerke. Vier neue Standorte wären nach der Studie denkbar. Kraftwerke im Illertisser Ortsteil Au, „Illergries“ nördlich von Kempten, „Thalhofen“ an der

    Die BEW kann die Stromerzeugung also nicht durch neue Anlagen, sondern nur durch eine Effizienzsteigerung der bestehenden Standorte erreichen, sagt Sprecher Richard Agerer. Beispielsweise durch die Erhöhung des Wasserstands um 20 bis 30 Zentimeter, oder durch eine Modernisierung des Maschinenparks.

    Die Turbinen könnten noch exakter gesteuert werden. Der Bau von Fischtreppen könnte genutzt werden, um Restwasserturbinen zu installieren. „Man muss jeden Tropfen Wasser besser nutzen.“ Wenn man alles zusammen nimmt, dann könnten laut Agerer pro Anlage zwei bis drei Prozent mehr Strom erzeugt werden.

    Anders sieht es aus, wo Eon und die Rhein-Main-Donau AG die Konzession haben. An Donau, Main, Inn und Salzach gibt es noch Ausbaupotenzial für neue Kraftwerke. Orschler hält eine Steigerung der Stromerzeugung von 14 Prozent für möglich.

    BEW-Sprecher Agerer beklagt die Einstellung der Bevölkerung. Klimaschutz ja, aber beim Thema Wasserkraft werde der Naturschutz immer noch höher gehängt. Ein Umdenken der Politik fordert Agerer. Wenn die Staatsregierung ihr Ziel erreichen wolle, den Anteil erneuerbarer Energien in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln, dann müsse sie auch kleinere neue Wasserkraftanlagen zulassen.

    Aber auch die modernsten Wasserkraftwerke können der Natur nicht trotzen. Das zeigt das trockene Frühjahr. Die Pegel der Flüsse und Kanäle sind so niedrig wie lange nicht. Die Anlagen der BEW beispielsweise erzeugten im Mai fast nur die Hälfte des sonst üblichen Stroms. Die Ergebnisse im März und April waren ebenfalls vergleichsweise schlecht. Auch wenn es den Rest des Jahres kräftig regnen sollte – die Verluste können kaum aufgeholt werden. Agerer bringt es auf den Punkt: „Wenn die Natur uns nichts gibt“, sagt er, „können wir sie auch nicht nutzen und haben Erzeugungsverluste.“

    LesenSie morgen Wie eine bayerische Gemeinde mit Biomasse unabhängig von den Stromkonzernen werden will.

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