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Coronavirus: Seniorenheime kritisieren unklare Lockerung in Bayern

Coronavirus

Seniorenheime kritisieren unklare Lockerung in Bayern

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    Senioren- und Pflegeheimbetreiber warnen angesichts der unklaren Besuchslockerungen vor „enormen Infektionsrisiken in den Einrichtungen der Altenhilfe“.
    Senioren- und Pflegeheimbetreiber warnen angesichts der unklaren Besuchslockerungen vor „enormen Infektionsrisiken in den Einrichtungen der Altenhilfe“. Foto: Christoph Schmidt, dpa

    Dass viele andere Länder deutlich höhere Todeszahlen als Deutschland beklagen mussten, liegt vor allem an dramatischen Covid-Ausbrüchen in Alten- und Pflegeheimen. Alarmiert von dem verheerenden Ausbruch in Norditalien erließen die Regierungen der Bundesländer strenge Besuchsverbote, dennoch kam es auch in Bayern zu Ausbrüchen in Heimen, so in Würzburg, Schweinfurt, Aichach und Harburg (Donau-Ries), die dutzende Heimbewohner nicht überlebt haben.

    Über 160 Corona-Ausbrüche in Pflegeheimen im Südwesten

    Allein das Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg hat 160 Covid-19-Ausbrüche in Pflegeheimen verzeichnet. Fast 2900 Bewohner und Pfleger hätten sich angesteckt. Rund 420 Menschen – ausschließlich Bewohner – seien gestorben.

    Wie hoch das Sterberisiko bei Ausbrüchen unter hochbetagten Heimbewohnern ist, zeigen aktuelle Zahlen des Robert-Koch-Instituts: Von knapp 5500 der 6831 Todesfälle in Zusammenhang mit Covid-19-Erkrankungen liegen dem Institut nähere Angaben vor, aus welchem Umfeld die Verstorbenen stammen.

    Knapp die Hälfte der Toten – 45 Prozent – lebte demnach zuletzt in einem Alten- oder Pflegeheim. 2.473 der verstorbenen Corona-Patienten lebten in einem Alten und Pflegeheim, 400 starben nach einem Krankenhaus- oder Rehaklinik-Aufenthalt, 2.603 ohne, dass sie vorher etwas mit Heim- oder Gesundheitseinrichtungen zu tun hatten

    Hohe Dunkelziffer angenommen

    In 37 Prozent aller Infektionsfälle haben deutsche Gesundheitsämter jedoch keine Daten über den Hintergrund der Betroffenen gesammelt, weshalb bei den Heimtoten mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist. "Es wird weiterhin von COVID-19-bedingten Ausbrüchen in Alters- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern berichtet", schreibt das Robert.-Koch-Institut in seinem aktuellen Corona-Lagebericht. "In einigen dieser Ausbrüche ist die Zahl der Verstorbenen vergleichsweise hoch."

    In Bayern 720 Menschen nach Ansteckung in Heimen verstorben

    In Bayern waren 720 von 1950 gemeldeten Todesfällen Heimbewohner. Dies sind 37 Prozent aller offiziell im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie registrierten Sterbefälle im Freistaat.

    In ganz Deutschland starben zudem 31 Berufstätige in Einrichtungen wie Alten- oder Pflegeheimen, sowie Justizvollzugsanstalten, die zur gleichen Erfassungskategorie gehören. Ob es sich allesamt um Pflegepersonal handelt, ist unbekannt, da es in Deutschland – anders als in anderen europäischen Ländern – keine Meldepflicht für Berufserkrankungen im medizinischen und Pflegebereich gibt.

    Heimbetreiber kritisieren völlig überraschende Besuchslockerung

    Vor diesem Hintergrund betrachten viele Heimbetreiber zwiespältig die jetzt gelockerten Besuchsbestimmungen. Vor allem, dass dies in Bayern ausgerechnet kurzfristig vor dem Muttertag geschieht, löst Sorgen vor einem möglichen Besucheransturm aus – ohne dass die Sicherheitsfragen geklärt sind. "Wir begrüßen es, dass die Isolation für die Bewohner beendet werden kann, sind aber über die kurzfristige und vom Ministerium in keiner Weise angedeutete Öffnung zu diesem Zeitpunkt irritiert", sagt der bayerische Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Thomas Beyer unserer Redaktion.

    Vorgaben des Gesundheitsministeriums fehlen zum Infektionsschutz fehlen

    Bisher lägen von CSU-Gesundheitsministerin Melanie Huml keine Details zu den von Ministerpräsident Markus Söder am Dienstag genannten strengen Auflage vor. "Wir erwarten vom Hause Huml konkrete Hinweise zur Umsetzung, die bisher fehlen, um Infektionsrisiken zu verhindern."

    Auch das Rote Kreuz kritisiert, dass noch immer die Versorgung der Pflegeeinrichtungen im Freistaat mit Tests und Schutzausrüstung nicht ausreichend sichergestellt sei. "Voraussetzung für jede Maßnahme muss aber sein, dass Bewohner und Pflegekräfte regelmäßig getestet werden können und ausreichend Schutzausrüstung für die Pflegekräfte vorhanden ist", sagt BRK-Präsident Theo Zellner.  Er habe dies bereits vor sechs Wochen in einem Schreiben an Ministerpräsident Söder und Gesundheitsministerin Huml angemahnt.

    Rotes Kreuz spricht von enormen Infektionsrisiken in der Altenhilfe

    Zellner forderte, dass Besuchskonzepte individuell entwickelt werden müssten. "Auch eine Beschränkung auf bestimmte Bezugspersonen der Bewohnerinnen und Bewohner ist notwendig", sagte der BRK-Präsident. "Das BRK warnt vor einer generellen und unkontrollierbaren Lockerung des Besuchsverbotes und weist auf die enormen Infektionsrisiken in den Einrichtungen der Altenhilfe hin."

    Lesen Sie dazu auch: Chef der Seniorenresidenz "Albaretto" rebelliert gegen Corona-Regeln

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