Knapp 28 Jahre nach dem Fall der Mauer liegt die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands stark unter der im Westen. Die bildhafte Vision der blühenden Landschaften zwischen Elbe und Oder bleibt wohl noch immer Zukunftsmusik. Das bestätigt der Bericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat. Obwohl sich die Wirtschaftsleistung der neuen Bundesländer seit der Wiedervereinigung mehr als verdoppelt hat, liegt sie – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – noch immer etwa 30 Prozent unter der im Westen.
Für die Ostbeauftragte der Bundesregierung, die Thüringerin Iris Gleicke (SPD), ist klar: „Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Regionen auf Dauer abgehängt werden.“ Zwar möchte Gleicke keinesfalls als „Jammerossi“ wahrgenommen werden, doch dürfe es nicht sein, dass es Gegenden gibt, in denen es „weit und breit keinen Lebensmittelladen, keinen Kindergarten, keinen Arzt und keine jungen Leute mehr gibt“.
Das Ziel der Bundesregierung ist klar: Zwischen West und Ost soll es keine strukturellen Unterschiede geben. Doch die Realität sieht anders aus. Die Arbeitslosenquote liegt im Osten mit 8,5 Prozent rund drei bis vier Prozentpunkte über der im Westen. Die Exportquote in der Gesamtwirtschaft mit 24,8 Prozent knapp acht Prozentpunkte unter der im Westen. Und das Nettoeinkommen eines Ostdeutschen liegt durchschnittlich mehrere tausend Euro unter dem eines Westdeutschen.
Rückgang der Bevölkerung ist großes Problem im Osten
Dass sich kein einziger Dax-Konzern in Ostdeutschland niederließ, ist nur ein Symptom von vielen. Ein besonders großes Problem im Osten bleibt der Rückgang der Bevölkerung. Seit 1990 ist die Zahl der Ostdeutschen um rund 15 Prozent auf 12,6 Millionen gesunken. Ohne die Gelder aus Finanzausgleich und Solidarpakt könnten viele Kommunen ihre Aufgaben nicht erfüllen. Ist die Angleichung zwischen Ost und West da überhaupt noch realistisch? Ja, meint Gleicke: „Ich gebe unser Ziel nicht auf.“
Desillusioniert sei sie als Ostdeutsche auch nach 27 Jahren im Bundestag nicht. Die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den vereinten Teilen Deutschlands sind zwar noch immer groß, doch sie waren schon deutlich größer. Und auch die subjektive Lebenszufriedenheit in Ostdeutschland hat den höchstens Durchschnittswert seit der Wiedervereinigung, heißt es im Bericht der Bundesregierung.