"Wir können nicht alle paar Monate unsere politischen Entscheidungen verändern", sagte der bayerische Ministerpräsident dem "Spiegel". "Das gilt für die Wehrpflicht genauso wie für die anderen Bereiche." Guttenberg rechtfertigte die Notwendigkeit struktureller Reformen bei der Bundeswehr.
Die CSU werde an der sechsmonatigen Wehrpflicht festhalten, sagte Seehofer. Aus der FDP wurde Guttenberg hingegen Unterstützung angeboten, während die SPD Skepsis anmeldete. "Wir sind eine Partei der Bundeswehr", sagte Seehofer. "Wir sagen ja zur Wehrpflicht, und wir werden mit unserem Minister sehr eingehend über diese Fragen sprechen."
Guttenberg betonte am Sonntag, dass der Verteidigungsetat seit geraumer Zeit erheblich unterfinanziert sei. "Wenn jetzt noch notwendige Einsparungen hinzukommen, kommen wir an einschneidenden Maßnahmen nicht vorbei", sagte der CSU-Politiker. "Und alle die, die jetzt "nein" und "so nicht" rufen, müssen sich fragen lassen, wie denn ihre Alternativen aussehen. Ein stumpfes "weiter so" ist sicherlich keine."
Erst Mitte Mai hatte die Bundesregierung die höchst umstrittene Reform der Wehrpflicht auf den Weg gebracht. Nach zähem Ringen verständigten sich Union und FDP auf ein Konzept zur Verkürzung des Wehr- und des Zivildienstes von neun auf sechs Monate schon zum 1. Juli. Im Zuge der Haushaltseinsparungen lässt Guttenberg nach undementierten Berichten das Aussetzen der Wehrpflicht sowie die Kürzung der Truppenstärke von 250 000 auf 150 000 Soldaten prüfen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte, sie freue sich, dass Guttenberg die Idee der FDP aufgreife. "Ich werde meinen Kollegen bei der Kabinettsklausur drängend unterstützen, die Wehrpflicht auszusetzen."
Die FDP-Sicherheitspolitikerin Elke Hoff warf Seehofer vor, er falle einem Minister in den Rücken, "der endlich den Mut besitzt, die Wahrheit zu sagen und die notwendigen Schlussfolgerungen für die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr daraus zu ziehen". Die Aussetzung der Wehrpflicht entspreche seriöser und verantwortungsvoller Sicherheitspolitik.
Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, räumte ein, es gebe für die Struktur der Bundeswehr keine "Ewigkeitsgarantie". "Aber so leichthändig wie Guttenberg vorgeht, kann man das nicht machen", fügte er in der "Welt am Sonntag" hinzu. Über den Fortbestand der Wehrpflicht könne man diskutieren: "Aber nicht mal eben so, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für den Zivildienst und ohne Rücksicht auf die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr". Das sei kein Mut, sagte Steinmeier. "Das ist Sicherheitspolitik nach Kassenlage, vielleicht auch nur ein großer Bluff des Verteidigungsministers."