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Sebastian Edathy: Edathy-Affäre: Die Sommerzeit bringt Entlastung für die SPD

Sebastian Edathy

Edathy-Affäre: Die Sommerzeit bringt Entlastung für die SPD

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    SPD-Fraktionschef Oppermann soll im Fall Edathy noch einmal als Zeuge vernommen werden.
    SPD-Fraktionschef Oppermann soll im Fall Edathy noch einmal als Zeuge vernommen werden. Foto: Julian Stratenschulte, dpa /Archiv

    Neue Erkenntnisse in der Edathy-Affäre: Der umstrittene Anruf des heutigen SPD-Fraktionschefs Thomas Oppermann beim damaligen BKA-Präsidenten Jörg Ziercke soll eine Stunde später als bislang bekannt stattgefunden haben. Das geht aus einem Schreiben des Bundesinnenministeriums an den Untersuchungsausschuss des Bundestages hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 

    Danach hat das Bundeskriminalamt mitgeteilt, dass Oppermanns Anruf am 17. Oktober 2013 nicht um 15.29 Uhr eingegangen war, sondern erst um 16.29 Uhr. Begründung: Auf dem Display des von Ziercke genutzten Telefons sei damals die Winterzeit angezeigt worden - tatsächlich habe der Anruf aber zur Sommerzeit und damit eine Stunde später stattgefunden. Der Hersteller der Telefonanlage habe dies bestätigt, schreibt das Ministerium.

    Diese Erkenntnis wäre zur Abklärung der Informationskette in der SPD-Spitze wichtig. Im Raum steht bisher die Frage, ob Oppermann schon vor seiner Benachrichtigung durch SPD-Chef Sigmar Gabriel aus einer anderen Quelle vom Kinderporno-Verdacht gegen Sebastian Edathy gewusst haben könnte. Der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete hatte im Ausland Nacktbilder von Jungen bestellt.

    Zeugen der letzten Sitzung des Falls Edathy können erleichtert sein

    Fand der Anruf tatsächlich erst um 16.29 Uhr statt, wie das BKA nun festgestellt hat, könnte dies eher mit den Zeugenaussagen von Gabriel und Oppermann übereinstimmen. Oppermann wollte sich damals nach eigenen Angaben mit dem Anruf von Ziercke bestätigen lassen, dass gegen Edathy Ermittlungen liefen. 

    Chronologie: Die Affäre Edathy

    2012: Die kanadische Polizei informiert das Bundeskriminalamt über deutsche Kunden eines kanadischen Online-Shops, der auch Kinderpornografie vertreibt. Im Oktober 2012 gibt das BKA die Daten zur Auswertung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

    Oktober 2013: BKA-Chef Jörg Ziercke informiert den Staatssekretär des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Der sagt SPD-Chef Gabriel, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name Edathy aufgetaucht sei. Gabriel erzählt Fraktionschef Steinmeier davon.

    5. November 2013: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erfährt in einem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle erstmals von dem Verdacht.

    Anfang Januar 2014: Edathy meldet seiner Fraktion seine Krankschreibung. Ende November 2013 hatte der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Michael Hartmann Oppermann bereits darüber informiert, dass Edathy gesundheitliche Probleme habe.

    22. Januar 2014: Edathys Anwalt sucht das Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Dabei wiederholt er, was sein Mandant gerüchteweise gehört habe. "Die Filme seien allerdings nicht pornografisch gewesen, Herr Edathy besitze sie auch nicht mehr", sagt der Anwalt nach Darstellung Jörg Fröhlichs.

    28. Januar 2014: Die Staatsanwaltschaft entscheidet, Ermittlungen einzuleiten, die zunächst verdeckt laufen.

    7. Februar 2014: Edathy legt nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat nieder. Als Motiv nennt er gesundheitliche Gründe.

    10. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen im niedersächsischen Rehburg und in Berlin sowie Büros durchsuchen. Offenbar stoßen sie dabei nur auf wenig Material.

    11. Februar 2014: Edathy weist in einer Erklärung den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurück. Einen Tag später erhebt er Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft: Die Razzien in seinen Wohnungen und Büros seien unverhältnismäßig und widersprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen.

    13. Februar 2014: SPD-Fraktionschef Oppermann gibt bekannt, dass Sigmar Gabriel bereits im Oktober vom damaligen Innenminister Friedrich über mögliche Ermittlungen gegen Edathy informiert worden sei.

    14. Februar 2014: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Fröhlich, gibt Einzelheiten zu den Ermittlungen bekannt. Danach geht es um den Kauf von Bildern mit nackten Jungen zwischen neun und 13 Jahren. Das liege im Grenzbereich zur Kinderpornografie, so Fröhlich. Zu dem Tipp von Friedrich an Gabriel sagt er: "Wir sind fassungslos."

    14. Februar 2014: Friedrich erklärt, er wolle im Amt bleiben, bis über ein Ermittlungsverfahren entschieden ist. Nur wenige Stunden später tritt er als Agrarminister zurück.

    18. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover leitet ein Verfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Geheimnisverrats ein. Ein Behörden-Brief kam unverschlossen sechs Tage nach Versand an. Er sollte den Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über den Fall Edathy informieren. Es ist bekannt, dass sich ein Anwalt Edathys schon im November nach möglichen Ermittlungen erkundigt hat.

    24. Februar 2014: Gegen Edathy wird ein SPD-Parteiordnungsverfahren eingeleitet.

    2. Mai 2014: Es wird vom Landeskriminalamt Niedersachsen berichtet, dass sich Edathy strafbares kinderpornografisches Material über seinen Bundestag-Laptop beschafft habe. Die Staatsanwaltschaft schweigt.

    17. Juli 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover klagt den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos an.

    29. August 2014: Edathy scheitert mit seiner Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Wohnung und seines Abgeordnetenbüros beim Bundesverfassungsgericht.

    18. November 2014: Das Gericht lässt die Anklage gegen Edathy zur Hauptverhandlung zu.

    23. Februar 2015: Am Landgericht Verden startet der Prozess gegen Edathy. Er endet nach nur rund 90 Minuten. Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen bis zur nächsten Sitzung erneut über eine Einstellung sprechen.

    2. März 2015: Das Gericht stellt das Verfahren ein. Zuvor hat Edathy eine Erklärung verlesen lassen, in der er die Anklagevorwürfe einräumt. Zwar muss er 5000 Euro zahlen, aber er ist nicht vorbestraft.

    1. Juni 2015: Edathy muss seine SPD-Mitgliedschaft drei Jahre ruhen lassen. Das entscheidet das Schiedsgericht des SPD-Bezirks Hannover. Für einen von der Parteispitze beantragten Parteiausschluss sieht das Gremium keine ausreichende Grundlage.

    "Die Zeugen der letzten Sitzung werden im Nachhinein erleichtert sein. Denn jetzt ist klar: Nun stimmen die eigenen Erinnerungen mit den tatsächlichen Abläufen überein", sagte die Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Edathy-Affäre, Eva Högl (SPD), der "Frankfurter Rundschau" (Dienstag). 

    Dass nun alle wesentlichen Widersprüche aufgeklärt seien, glaubt der CDU-Obmann im Ausschuss, Armin Schuster, allerdings nicht. Er sagte: "Diese Stunde verändert jetzt ein bisschen etwas, aber nicht viel. Denn das Glaubwürdigkeitsproblem bleibt. Ich habe noch einen 29-seitigen Fragenkatalog für Herrn Oppermann vorbereitet." An diesem Mittwoch ist Oppermann erneut vor den Ausschuss als Zeuge geladen. dpa

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