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Schwarz-Gelb: Koalition: Untätig bis zum 9. Mai

Schwarz-Gelb

Koalition: Untätig bis zum 9. Mai

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    Angela Merkel.
    Angela Merkel.

    Beinahe wären die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ganz unverhofft zu einem verlängerten Wochenende gekommen. Weil es fast ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl und vier Monate nach der Regierungsbildung noch immer sehr wenig zu debattieren und überhaupt nichts zu verabschieden gibt, erwog der Ältestenrat für einen Augenblick, die Bundestagssitzung am heutigen Freitag mangels Masse komplett abzusagen.

    Doch dann rückte er davon ab, das Signal nach außen wäre fatal gewesen. Nun stehen heute vier Punkte auf der Tagesordnung, unter anderem sollen die Prämien für die Milchbauern beschlossen werden, daneben gilt es noch, eine EU-Richtlinie umzusetzen und Anträge der Opposition zu beraten.

    Bundestagssitzung beinahe abgesagt

    Beinahe wäre auch die heutige Sitzung des Bundesrates abgesagt worden. Mit Müh und Not kratzten die Bundesratsminister der Länder 23 Tagesordnungspunkte zusammen, ein Klacks im Vergleich zu den 80 bis 90, manchmal auch über 100 Tagesordnungspunkten, die bei Sitzungen der Länderkammer normalerweise die Regel sind.

    Aus dem Deutschen Bundestag wurde kein einziger Gesetzbeschluss zugeleitet, von der EU stammt lediglich eine Beratungsvorlage und lägen nicht einige Länderinitiativen auf dem Tisch, hätte der Bundesrat gar nichts zu tun. Höhepunkt der Sitzung wird daher der erste Auftritt des neuen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) sein, der zum ersten Mal im Kreise seiner 15 Amtskollegen weilt und zum Thema Steuerhinterziehung spricht.

    "Von der Regierung kommt nichts"

    "So etwas habe ich noch nie erlebt", klagt ein erfahrener Landesminister aus dem Süden der Republik, "von der Regierung kommt nichts. Überhaupt nichts." Und ein altgedienter Bundestagsabgeordneter, der die spannenden rot-grünen wie die nicht immer konfliktfreien schwarz-roten Zeiten miterlebt hat, winkt resigniert ab: "Es herrscht Stillstand der Rechtspflege."

    Er frage sich, was die Kolleginnen und Kollegen derzeit in den Ausschüssen eigentlich tun. "Da gibt es doch nichts zu beraten. Keine Vorlage, kein Gesetzentwurf, nichts." Nur ein paar Anträge der Opposition, die die schwarz-gelbe Koalition aber mit ihrer Mehrheit regelmäßig ablehnt. Reine Routine.

    Regierung hat praktisch die Arbeit eingestellt

    Aus einem Verdacht ist längst Gewissheit geworden - und wird auf den Fluren des Reichstages und in Gesprächen mit Abgeordneten der Regierung wie der Opposition zunehmend kritisiert: Die schwarz-gelbe Regierung hat praktisch bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai die Arbeit eingestellt. Nichts soll die Wiederwahl von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers gefährden. In einem internen Gespräch soll Merkel gesagt haben, es gebe in dieser Legislaturperiode nur "sehr wenige Gesetzeslücken", also jene Phasen, in denen die Bundesregierung Gesetze verabschieden könne, ohne auf

    Der junge schwäbische CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein ist entsetzt: "Wenn wir uns nur noch von Landtagswahl zu Landtagswahl hangeln, missachten wir den Auftrag unserer Wähler und werden scheitern."

    Im Kabinett gibt es so gut wie nichts mehr zu beschließen, an diesem Mittwoch standen nur zwei Punkte auf der Tagesordnung, Umweltminister Norbert Röttgen legte den Gesetzentwurf zur Kürzung der Subventionen für den Solarstrom vor, Außenminister Guido Westerwelle seinen Bericht zur auswärtigen Kulturpolitik. Für SPD-Chef Sigmar Gabriel ist die schwarz-gelbe Regierung längst eine "Nicht-Regierungsorganisation" mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als "Geschäftsführerin" an der Spitze.

    Nur die Querelen liefern Schlagzeilen

    Aber auch in der Unionsfraktion betrachten immer mehr Abgeordnete die Untätigkeit ihrer eigenen Regierung mit Sorge. Es sei doch paradox, klagt ein alter Hase aus dem Südwesten beim vertraulichen Gespräch in einem Berliner Café, dass Angela Merkel und Guido Westerwelle auf Druck von Jürgen Rüttgers die Arbeit einstellen - und gerade durch diese Untätigkeit in

    Viel sinnvoller wäre es, bis Mai die parallele schwarz-gelbe Mehrheit in Bundestag und Bundesrat noch zu nutzen, um noch wichtige Gesetzesvorhaben durchzubringen. "Statt die Medien mit konkreten Themen und Projekten zu füttern, liefern wir ihnen mit unseren internen Querelen Stoff für Schlagzeilen", kritisiert der Christdemokrat offen. Nichtstun sei immer die schlechtere Alternative.

    Bundesratsmehrheit in Gefahr

    Das Fatale: Nach dem 9. Mai dürfte es kaum besser werden. Die Union richtet sich intern bereits darauf ein, dass die CDU-FDP-Regierung in Düsseldorf abgewählt wird und damit die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat verloren geht. "Dann geht in Berlin überhaupt nichts mehr", so ein führender Christdemokrat.

    Schon machen Spekulationen die Runde, spätestens im Herbst könnte es zum Bruch von Schwarz-Gelb und einer Wiederauflage der Großen Koalition kommen. "Die Koalition hält", verkündet FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger trotzig - und klingt dabei so glaubwürdig wie der Manager eines sieglosen Fußballklubs, der seinem Trainer das Vertrauen ausspricht, um ihn nach der nächsten Niederlage doch zu feuern.

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