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Schuldenkrise: Merkels Woche der Wahrheit

Schuldenkrise

Merkels Woche der Wahrheit

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    Für Bundeskanzlerin Angela Merkel markiert der heutige Dienstag die Halbzeit ihrer Regierungszeit. Am kommenden Donnerstag entscheidet sich bei der Euro-Abstimmung , ob die Regierungsmehrheit noch steht.
    Für Bundeskanzlerin Angela Merkel markiert der heutige Dienstag die Halbzeit ihrer Regierungszeit. Am kommenden Donnerstag entscheidet sich bei der Euro-Abstimmung , ob die Regierungsmehrheit noch steht. Foto: dpa

    Angela Merkel hat ihren Optimismus noch nicht verloren. Natürlich weiß sie, dass der Vergleich ein wenig hinkt. Aber im Prinzip geht es den Europäern mit den Griechen nicht anders als den Deutschen im Frühjahr 2009 mit Opel. Um das angeschlagene Traditionsunternehmen zu retten, musste der Bund damals für einen Überbrückungskredit von 900 Millionen Euro bürgen. Am Ende allerdings, erinnert sich die Kanzlerin, „haben wir alles zurückbekommen und sogar noch ein kleines bisschen daran verdient.“

    Dass ihr Finanzminister bald Milliarden an Zinsen und Bürgschaftsgebühren einstreicht, die Griechenland, Portugal oder Irland für ihre Rettungspakete bezahlen müssen, ist weniger wahrscheinlich. In den Chor der Skeptiker jedoch stimmt Angela Merkel deswegen nicht ein. Natürlich könne eine Bürgschaft auch einmal fällig werden, räumt sie ein. Die Ausweitung des Rettungsschirmes für den Euro aber ist für sie nicht nur eine Frage der europäischen Solidarität, sondern auch eine der deutschen Interessen: „Wir machen das für uns.“ 60 Prozent der deutschen Exporte gehen in die Euro-Länder. Kein Land profitiert damit mehr von der Währungsunion.

    Merkel dramatisiert die Lage nicht

    Es ist ein unaufgeregtes, sachliches Gespräch, das die Kanzlerin da mit dem TV-Talker Günther Jauch führt. Vor der Abstimmung am Donnerstag redet sie die Lage nicht schön, aber sie dramatisiert sie auch nicht. Dennoch liegt die Messlatte hoch, vor allem für sie selbst. Da auch Sozialdemokraten und Grüne für die Ausweitung der Garantiesumme von 440 auf 780 Milliarden Euro stimmen, kann das Gesetz zwar nicht scheitern. In dem Moment aber, in dem ihr mehr als 19 Abgeordnete aus Union und FDP die Gefolgschaft verweigern, stünde die Regierungschefin ziemlich blamiert da, nämlich ohne die sogenannte Kanzlermehrheit, die absolute Mehrheit der Mandate. Dann hätte sie das bislang wichtigste Gesetz ihrer Amtszeit nur mit relativer Mehrheit oder gar nur mithilfe der Opposition durchgebracht.

    Rein rechnerisch ist Angela Merkel auf der sicheren Seite. Und viel mehr, so suggeriert sie, interessiert sie auch nicht. Die Vertrauensfrage stellen, um die Zweifler in den eigenen Reihen auf Linie zu zwingen, will sie nicht. Von vorgezogenen Neuwahlen, wie die SPD sie fordert, gar nicht zu reden. Für ein „ganz normales Gesetz“ wird die 57-Jährige ihre Kanzlerschaft nicht riskieren. „Es geht um eine Entscheidung in der Sache“, wehrt sie ab. Andererseits ist Angela Merkel lange genug im Geschäft, um seine Mechanismen zu kennen. Eine Koalition, die in einer so elementaren Frage nicht hinter ihrer Anführerin steht, geht stürmischen Zeiten entgegen. „Der Autoritätsverlust für die Kanzlerin wäre dramatisch“, sagt

    Kanzlerin: Schnittmengen zwischen Union und FDP größer als mit SPD

    Die Fliehkräfte in der Koalition sind auch jetzt schon gewaltig. Der Umgangston sei nicht immer so, dass sie damit zufrieden sei, sagt Merkel vorsichtig. Sie könnte auch sagen: Es knirscht an allen Ecken. Im Streit um den Euro. Bei der Pflegereform. In der Steuerpolitik. Beim abendlichen Bier geraten Abgeordnete von CDU und CSU immer häufiger ins Schwärmen, sobald das Gespräch auf die vier Jahre in der Großen Koalition kommt. Den Befund der Kanzlerin, die Schnittmengen zwischen Union und FDP seien noch immer größer als mit den Sozialdemokraten, teilt längst nicht mehr jeder ihrer Parlamentarier.

    Sie selbst sagt, sie denke nicht jeden Tag an die nächste Wahl. Der Auftritt bei Jauch allerdings lässt eher das Gegenteil vermuten. Nach Informationen von Spiegel Online hat Angela Merkel, die um Talkshows sonst einen großen Bogen macht, sich dort mehr oder weniger selbst eingeladen – als vertrauensbildende Maßnahme sozusagen. Sie spürt, dass sie ihre Politik besser erklären muss, wenn sie nicht an ihr scheitern will. Und sie hat die Hoffnung, dass die FDP sich wieder erholt, noch nicht ganz aufgegeben.

    Demonstrativ wird sie heute eine Biografie über Vizekanzler Philipp Rösler vorstellen. Der Parteichef der Liberalen weiß, dass das nicht selbstverständlich ist, zumal die Regierungschefin ihn gerade erst öffentlich gerüffelt hat, weil er leichtfertig über eine Insolvenz Griechenlands schwadroniert hatte. Dass die Kanzlerin dennoch kommt, wertet Rösler nun als Signal für den Zusammenhalt in der Koalition. Wie gut der tatsächlich ist, wird sich aber erst am Donnerstag zeigen – bei der Abstimmung im Bundestag.

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