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Schuldenkrise: Merkel wirbt für ein Europa mit härteren Regeln

Schuldenkrise

Merkel wirbt für ein Europa mit härteren Regeln

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    Angela Merkel warb in ihrer Regierungserklärung eindringlich für die Euro-Rettung
    Angela Merkel warb in ihrer Regierungserklärung eindringlich für die Euro-Rettung

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem Brüsseler Krisengipfel im Bundestag eindringlich für ein Europa mit härteren Regeln geworben. "

    Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union und der Eurozone wollen am Abend in Brüssel unter anderem Maßnahmen zur Bankenrettung, eine Umschuldung für Griechenland sowie neue Instrumente für den Euro-Rettungsfonds EFSF beschließen - diese sind umstritten.

    Kanzlerin Angela Merkel hat die geplante Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF als alternativlos verteidigt. Das Risiko eines solchen Schritts sei vertretbar, sagte Merkel am Mittwoch bei ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel im Bundestag. Vielmehr wäre es unvertretbar und unverantwortlich,dieses Risiko nicht einzugehen. Eine bessere und vernünftigere Alternative als die Ausweitung gebe es nicht.

    Merkel sagte, es gebe eine "historische Verpflichtung", die Errungenschaften Europas zu verteidigen und zu schützen. "Was gut ist für Europa, das ist auch gut für Deutschland", sagte die CDU-Chefin. "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa - und das darf nicht passieren."

    Merkel: Privatgläubiger müssen sich mehr beteiligen

    Merkel forderte die privaten Gläubiger auf, sich in einem deutlich größerem Umfang als bisher an einer Umschuldung Griechenlands zu beteiligen. Der bisher vereinbarte freiwillige Schuldenverzicht von 21 Prozent reiche nicht mehr aus. Nach einem Schuldenschnitt in Athen müsse dann eine Ansteckung anderer Euro-Länder unbedingt verhindert werden, erklärte Merkel.

    Mit Blick auf die neue starke Stellung des Bundestages erinnerte die Kanzlerin an die weltweite Finanzkrise vor drei Jahren: Damals hätten Bundestag und Regierung gemeinsam eine tiefe Rezession in Deutschland verhindert.

    Den Bürgern seien Einbußen, Geduld und Vertrauen abverlangt worden. Diese Anstrengungen hätten sich gelohnt, meinte Merkel. Deutschland sei stärker aus der Krise hervorgegangen. Die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit 20 Jahren nicht mehr.

    Zwei Modelle auf dem Tisch

    Rettungsschirme, EFSF und ESM

    Griechenland-Pleite, Rettungsschirme, Eurobonds, EFSF, ESM: Beim Thema Euro-Krisen schwirren etliche Fachbegriffe herum. Lesen Sie hier in Kurzform, was Sie zum Thema Rettungsschirme wissen müssen.

    EFSF steht für Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (European Financial Stability Facility) und ist eine Aktiengesellschaft, die notleidenden Euro-Staaten helfen soll. Sollte ein EU-Land in Not geraten, kann die im Juni 2010 gegründete EFSF Anleihen bis zu 440 Milliarden Euro ausgeben. Dafür haften die Euro-Länder.

    Kritik am EFSF: Im Vertrag von Maastricht wurde eine so genannte Nichtbeistands-Klausel (No-bailout-Klausel) vereinbart, die die Haftung der Union oder einzelner Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten untersagt. Auf Druck des Nicht-Eurolandes Großbritannien wurde durchgesetzt, dass bei Krediten für Staaten, die Mitglieder der Eurozone sind, nur die übrigen Eurostaaten haften.

    Der EFSF soll bis Juni 2013 aktiv bleiben und dann abgelöst werden, nämlich vom ESM.

    ESM steht für Europäischer Stabilitäts-Mechanismus und ist der permanente Euro-Rettungsschirm. Seine wichtigsten Instrumente sind Notkredite und Bürgschaften für überschuldete EU-Staaten. Jedes Land, das Hilfe aus dem ESM erhält, muss im Gegenzug bestimmte wirtschaftliche Konsequenzen ziehen.

    Kritiker sagen, dass Rettungsschirme und Bürgschaften es Ländern erleichtern, Schulden zu machen. Wenn es wirklich eng wird, treten schließlich die anderen EU-Länder ein und helfen.

    Eurobonds: Darunter versteht man eine EU-Staatsanleihe. Das bedeutet, die Länder der EU würden gemeinsam Schulden aufnehmen - und auch gemeinsam für sie haften. Hinter der Idee steht die Hoffnung, dass die Kreditwürdigkeit der Eurozone als Ganzes von den Finanzmärkten und den Ratingagenturen höher eingeschätzt wird als die seiner einzelnen Mitgliedstaaten.

    Die Befürworter dagegen erklären, dass notleidenden EU-Staaten geholfen werden muss. sie warnen vor einem Domino-Effekt. Heißt: Wenn ein Land tatsächlich pleite geht, reißt es andere Länder mit sich.

    Der Bundestag stimmt nach der Regierungserklärung darüber ab, ob die Schlagkraft des Rettungsfonds auf mehr als eine Billion Euro verstärkt werden soll. Dafür liegen zwei Modelle auf dem Tisch: Eine Art Teilkasko-Versicherung, bei der der EFSF einen Teil des Ausfallrisikos bei neuen Staatsanleihen von Euro-Krisenländern übernimmt. Die zweite Variante sieht vor, dass internationale Geldgeber, darunter auch Staatsfonds und Privatinvestoren, mit ins Boot geholt werden. Auch eine Kombination ist möglich.

    Dass der Bundestag vor Gipfelentscheidungen in Brüssel klare Grenzen im Interesse der deutschen Steuerzahler markiert, ist Neuland. Dazu führte auch das Euro-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das das Haushaltsrecht des Parlaments gestärkt hatte. Merkel braucht also vorab grünes Licht vom Bundestag, um in Brüssel ein volles Verhandlungsmandat zu haben.

    Merkel: "Wenn wir in diesem Sinne mehr Europa schaffen, wenn wir Europa weiterentwickeln, ich glaube dann erst haben wir die politische Dimension dieser Krise verstanden. Und dann haben wir verstanden, dass wir die Konstruktionsschwächen, die Konstruktionsmängel, bei der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion entweder jetzt beseitigen - oder ich sage gar nicht. Wenn wir sie jetzt beseitigen, dann nutzen wir die Chance dieser Krise. Ansonsten würden wir versagen."

    Mehrheit gilt als sicher

    Eine breite Mehrheit des Bundestages für die EFSF-Aufrüstung galt am Vormittag als sicher, weil auch SPD und Grüne mitziehen wollten. Offen war, ob Merkel ihre politisch wichtige Kanzlermehrheit erreichen würde. Bei der Abstimmung über die Ausweitung des Rettungsschirms EFSF am 29. September hatten Union und FDP klar die Kanzlermehrheit erreicht.

    Wegen der hitzigen Debatte über die Hebel-Modelle zur Aufrüstung des Rettungsfonds hatte die Union überraschend entschieden, dass nun noch einmal der ganze Bundestag über die neuen Super-Instrumente abstimmt. Eigentlich hätte ein Votum des Haushaltsausschusses ausgereicht, dem die Finanzexperten der Fraktionen angehören.

    Die Koalition hatte sich am Dienstag mit SPD und Grünen auf einen gemeinsamen Antrag für die Abstimmung im Bundestag geeinigt. Darin wurden rote Linien gezogen, die Merkel bei den Verhandlungen in Brüssel nicht überschreiten darf.

    So muss die vereinbarte Haftungsobergrenze für Deutschland von 211 Milliarden Euro beim Rettungsfonds strikt eingehalten werden. Jedoch wurde auf Druck der Opposition eingeräumt, dass die Instrumente zur höheren Schlagkraft des EFSF das Verlustrisiko verändern, also auch steigen könnten.

    Steinmeier: Regierung geht "unverschämt" mit Bundestag um

    SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat der Regierung vorgeworfen, "nicht offen und ehrlich" mit dem Bundestag umzugehen. Er verwies am Mittwoch in seiner Erwiderung auf eine Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf die Plenardebatte über den Euro-Rettungsschirm EFSF Ende September. Damals habe die Regierung dementiert, dass eine Hebelung des Schirms geplant sei. Angesichts der Tatsache, dass die Ausweitung des EFSF nun doch kommen werde, sei das "unverschämt" gewesen.

    Mit Blick auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag von Union, FDP, SPD und Grünen, in dem die Hebelung befürwortet wird, sagte Steinmeier, die Regierung habe die Unterstützung der Opposition "eigentlich nicht verdient". (dpa, dapd)

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