Die SPD verlangt schnelle Klarheit über strengere Regeln und grundlegend bessere Arbeitsbedingungen in der deutschen Schlachtbranche. Dieser Mittwoch sei "der Tag der Entscheidung", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Montag in Berlin mit Blick auf die nächste Kabinettssitzung. Er setze darauf, dann Beschlüsse zu fassen, nachdem dies am Montag wegen Gesprächsbedarfs bei der Union als Koalitionspartner noch nicht der Fall gewesen sei.
"Es ist Zeit, in diesem Bereich aufzuräumen und durchzugreifen." Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sieht ebenfalls Handlungsbedarf. Auch die Opposition forderte zügige Konsequenzen.
"Dubiose Vertragsstrukturen mit Subsubunternehmern" sollen laut Heil beendet werden
Heil betonte, strukturelle Probleme der Fleischindustrie seien trotz verschiedener Anläufe nicht behoben. Dazu gehörten Überbelegung und Wuchermieten bei Unterkünften, Verstöße gegen Corona-Hygieneregeln, den Mindestlohn und Arbeitszeitvorgaben. Diese Missstände seien in der Corona-Krise zu einem "gefährlichen Gesundheitsrisiko" für die Beschäftigten und die gesamte Bevölkerung geworden. Eine Wurzel des Übels seien dubiose Vertragsstrukturen mit Sub-Unternehmern, die auch Kontrollen unmöglich machten. "Da wird organisiert Verantwortung abgewälzt, so dass niemand mehr verantwortlich gemacht werden kann."
Heil sagte, er habe Vorschläge auf den Tisch gelegt, über die am Montag im Corona-Kabinett aber noch nicht entschieden worden sei. Es gehe um wirkungsvollere Kontrollen durch die Länder. Die Unternehmen müssten stärker in die Verantwortung für den Gesundheits- und Arbeitsschutz. Auch der Bund müsse Regelungen verschärfen.
Heil ließ erkennen, das er eine Abschaffung von Werkverträgen in der Branche und höhere Bußgelder befürwortet. Details nannte er vorerst nicht. Er warnte vor Folgen für die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft, wenn Corona-Herde in der Branche womöglich eine zweite Welle beförderten.
Unions-Fraktionschef: "Zustände in der Fleischindustrie schon lange unhaltbar"
Brinkhaus sagte der Rheinischen Post: "Die Zustände in Teilen der Fleischindustrie sind nicht erst seit der Corona-Pandemie unhaltbar." Die große Koalition müsse "sehr ernsthaft daran arbeiten, wie wir das Konstrukt der Werkverträge zielgenau für die Fleischindustrie einschränken können". Hintergrund der Debatte sind Corona-Ausbrüche mit vielen Infizierten in den Belegschaften mehrerer Schlachtbetriebe. Problematische Bedingungen der oft ausländischen Beschäftigten und hoher Preisdruck stehen seit Jahren in der Kritik.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) forderte erneut ein Verbot von Werkverträgen im Kernbereich unternehmerischer Tätigkeit. Fleischkonzernen müsse es unmöglich gemacht werden, das Schlachten und Zerlegen an Fremdfirmen auszulagern. Die Grünen forderten, die Bundesregierung dürfe gesetzliche Regelungen nicht weiter vor sich herschieben. Die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass die Fleischbranche freiwillig nichts verändern werde.
Der Verband der Fleischwirtschaft wies pauschale Verurteilungen der gesamten Branche zurück. Er schlug selbst Neuregelungen vor. So könnten Selbstverpflichtungen zu Werkverträgen sowie zu Wohn- und Sozialstandards gesetzlich vorgeschrieben werden. Alle Beschäftigten sollten beispielsweise nur auf Basis des deutschen Sozialversicherungsrechts angestellt werden dürfen. (dpa)
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