Angesichts von Forderungen nach einem Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine hat die Regierung in Kiew den Ton verschärft. Nach den Explosionen in der Heimat der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko fahnden die ukrainischen Behörden nach drei Verdächtigen.
Boykott durch die Bundesregierung offenbar in Erwägung
Laut dem Magazin "Spiegel" erwägt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Boykott durch das Bundeskabinett. Der Vizesprecher der Bundesregierung, Georg Streiter, sagte am Montag in Berlin, ein Besuch Merkels hänge von der Achtung rechtsstaatlicher Prinzipien und dem Umgang mit Timoschenko ab. Der ukrainische Außenamtssprecher Oleg Woloschin sagte der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine, sein Land hoffe, dass Berichte über einen möglichen EM-Boykott durch die
Methoden des "Kalten Kriegs"
Auf die neuen Äußerungen aus Kiew reagierte die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast. "Ich weise die Unterstellung, in Deutschland würde mit Methoden des Kalten Krieges gearbeitet, scharf zurück", erklärte sie. Künast forderte die ukrainische Regierung "nachdrücklich" dazu auf, Timoschenko von Ärzten behandeln zu lassen, "denen sie vertraut", und zur Behandlung nach
Fall Timoschenko Grund für Absagen
Zehn Fakten zur Ukraine
Die Ukraine wurde nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 unabhängig. Die Hauptstadt ist Kiew. Die Ukraine ist mit 603.700 Quadratkilometern der größte Flächenstaat in Europa. Zum Vergleich: Die Bundesrepublik misst 357.121Quadratkilometer.
Die Ukraine war zusammen mit Polen der Austragungsort der Fußball-Europameisterschaft 2012. Spielstätten in der Ukraine waren: Die Hauptstadt Kiew, Donezk im Südosten, Lemberg (Lwiw) in der Westukraine und Charkow im Nordosten des Landes.
Staatsoberhaupt der Ukraine ist seit 2010 Präsident Wiktor Janukowytsch. Sein Vorgänger im Amt war Wiktor Juschtschenko, der 2004 als ein Held der Orangenen Revolution international bekannt wurde.
Julia Timoschenko: Julia Timoschenko war von Januar bis September 2005 und von Dezember 2007 bis März 2010 Ministerpräsidentin der Ukraine unter Präsident Wiktor Juschtschenko. Seit August 2011 befindet sich die 51-Jährige mit der charakteristischen Zopffrisur in Haft.
Die Schwarzmeer-Halbinsel Krim ist eine Autonome Republik innerhalb der Ukraine. Sie hat rund zwei Millionen Einwohner und ist 26.100 Quadratkilometer groß. Die größte Stadt der Krim ist Sewastopol.
Die Stadt Odessa, im Südwesten des Landes an der Schwarzmeerküste gelegen, gilt als ein Zentrum der Liberalen und Intellektuellen. Odessa hat rund eine Million Einwohner.
Die Ukraine ist innerhalb des Landes in vielfacher Hinsicht gespalten. Der Fluss Dnepr, an dem die Stadt Dnipropetrowsk liegt, gilt als die geographische Trennlinie des Landes. Westlich ist die Nähe zu Europa und der Europäischen Union deutlich stärker ausgeprägt als im Osten, der die Nähe zu Russland pflegt.
Die Ukraine galt zu Stalins Zeiten wegen ihrer fruchtbaren Schwarzböden als die "Kornkammer" der Sowjetunion. Als Stalin die Landwirtschaft kollektivierte, brach in den 1920 Jahren eine Hungersnot aus, die bis heute einen bestimmenden Platz im nationalen Gedächtnis der Ukraine hat.
Fußballerisch erzielten die Ukrainer ihren bisher größten Erfolg bei er EM 2006: Die ukrainische Mannschaft erreichte das Viertelfinale.
Die Boxer Wladimir und Vitali Klitschko haben für die Ukraine den Weltmeistertitel im Schwergewicht geholt.
Nach Bundespräsident Joachim Gauck sagte auch Tschechiens Staatschef Vaclav Klaus seine Teilnahme an einem Treffen mitteleuropäischer Staatsoberhäupter Mitte Mai im ukrainischen Jalta ab. Hauptursache sei der Fall Timoschenko, sagte ein Sprecher laut der Zeitung "Lidove Noviny". Auch Österreichs Präsident Heinz Fischer nimmt nicht an dem Treffen teil. Laut "Lidove Noviny" sagte zudem Sloweniens Präsident Danilo Türk ab.
Die an Bandscheibenproblemen leidende Timoschenko verbüßt in der östlichen Stadt Charkiw eine siebenjährige Haftstrafe wegen Amtsmissbrauchs. Die EU kritisiert ihre Inhaftierung als politisch motiviert. Timoschenko protestiert mit einem Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen und beklagt Misshandlungen. Die Bundesregierung bot an, ihr eine Behandlung in Deutschland zu ermöglichen. Die EM beginnt in knapp sechs Wochen, die deutsche Mannschaft trägt ihre drei Gruppenspiele in der Ukraine aus.
Die Debatte um einen möglichen EM-Boykott hielt am Montag an. Dagegen sprach sich der Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach aus. Boykotte hätten sich bislang "immer als ebenso sinn- wie erfolglos erwiesen", sagte er HR-Info. Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) sagte dem Bild Online, der Sport könne nicht lösen, "was Staatengemeinschaften auch nicht lösen können". Der FDP-Innenpolitiker Serkan Tören erklärte dagegen, mit Blick auf die EM sei zu "überlegen, ob es nicht besser ist, die Europameisterschaft ausschließlich auf Austragungsorte in Polen zu beschränken".
Nach den Explosionen in Dnjepropetrowsk veröffentlichte der ukrainische Geheimdienst SBU am Sonntagabend Phantombilder von drei Verdächtigen. Die Männer zwischen 30 und 45 Jahren würden wegen "terroristischer Attentate" gesucht, teilte er mit. Durch vier Sprengsätze waren am Freitag etwa 30 Menschen verletzt worden. Am Sonntag lagen nach offiziellen Angaben 14 Menschen weiter im Krankenhaus. afp/AZ