Auch in Augsburg ist die Polizei am Donnerstag mit Razzien gegen radikale Salafisten vorgegangen. Polizisten durchsuchten am Donnerstag seit 6 Uhr insgesamt 80 Objekte in sieben Bundesländern, erklärte das Bundesinnenministerium auf Nachfrage von Augsburger Allgemeine Online. "Die Zahl könnte sich noch erhöhen", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gegenüber AZ Online.
Aktion gegen drei salafistische Vereinigungen
Die Aktion richtete sich gegen drei salafistische Vereinigungen, so der Sprecher. Es bestehe ein Anfangsverdacht, die Vereinigungen würden mit ihrer Propaganda gewaltbereite Islamisten anstacheln oder selbst Verbindungen zu Terrornetzwerken pflegen. Der Sprecher bestätigte, dass sich die Razzia in Augsburg gegen die Vereinigung "Die wahre Religion" gerichtet habe. Dabei wurden Beweismittel sichergestellt. Nach Auswertung dieser Beweismittel könnte es zu weiteren Durchsuchungen kommen.
Schwerpunkte der Aktion, bei der rund 900 Polizisten im Einsatz waren, lagen in Hessen und Nordrhein-Westfalen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) verbot außerdem die salafistische Vereinigung Millatu Ibrahim im nordrhein-westfälischen Solingen, weil sie sich gegen die Gedanken der verfassungsrechtlichen Ordnung und der Völkerverständigung richte.
Friedrich: "Außerordentlich erfolgreich"
Friedrich hat unterdessen eine positive Zwischenbilanz der bundesweiten Razzien gezogen. Die Maßnahmen seien "außerordentlich erfolgreich" verlaufen, sagte er am Donnerstag in Berlin. In Hessen seien die Razzien bereits abgeschlossen - in anderen Ländern liefen sie noch.
Festnahmen habe es aktuell nicht gegeben. Jedoch wurde ein Mann in einer Moschee in Solingen (NRW) gestellt, der mit einem internationalen Haftbefehl aus Großbritannien gesucht wurde. Radikale Salafisten stehen im Verdacht, mit ihrer Propaganda gewaltbereite Islamisten anzustacheln oder selbst Verbindungen zu Terrornetzwerken zu pflegen.
Ermittlungsverfahren wurden gegen zwei Organisationen in Hessen eingeleitet. Dabei handelt es sich laut Friedrich um "Die wahre Religion" sowie die Gruppe Dawa FFM in Frankfurt am Main. "Die wahre Religion" ist die Organisation um den Kölner Prediger Ibrahim Abou Nagie, der mit der kostenlosen Verteilung von Koran-Exemplaren in mehreren Städten für Aufsehen gesorgt hatte.
Objekte in Braunschweig und Wolfsburg durchsucht
In Solingen rückte die Polizei am frühen Morgen in die Millatu-Ibrahim-Moschee in der Innenstadt ein. "Die Durchsuchungen richten sich gegen salafistische Strukturen", sagte Polizeisprecherin Anja Meis. Die in einem verwinkelten Hinterhofgelände gelegene Moschee war bereits in den vergangenen Monaten mehrfach Ziel von Polizeimaßnahmen.
In Niedersachsen wurden Objekte in Braunschweig und Wolfsburg durchsucht. In Niedersachsen befindet sich mit der Islamschule Braunschweig nach Angaben des Innenministeriums ein Zentrum des salafistischen Bildungs- und Gelehrtennetzwerks.
"Ein solches Islamverständnis hat in Deutschland keinen Platz"
"Salafisten verfolgen das Ziel, den demokratischen Rechtsstaat zugunsten einer Ordnung, die nach ihren Maßstäben "gottgewollt" ist, zu überwinden. Sie sehen in der Scharia das einzig legitime Gesetz", erläuterte der Bundesinnenminister. Dies sei "schlechthin unvereinbar" mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. "Ein solches Islamverständnis hat in Deutschland keinen Platz."
Friedrich bestätigte, dass es Aktionen gegen Salafisten in sieben Bundesländern gab: Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Berlin. Nach Angaben der Sicherheitsbehörden gibt es in Deutschland derzeit rund 130 Gefährder, denen islamistische Anschläge zugetraut werden. Darunter seien 24 Salafisten. (AZ, bs, dpa)
Das ist Salafismus
Salafisten wollen Staat, Rechtsordnung und Gesellschaft nach mittelalterlichen Regeln umgestalten. Sie sehen sich als Verfechter eines unverfälschten Islams, lehnen Reformen ab und betreiben die Errichtung eines islamistischen Gottesstaates.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz bezifferte die Zahl radikal-islamistischer Salafisten in Deutschland bis Ende Oktober 2016 auf 9200. Es radikalisieren sich dabei immer mehr junge Menschen.
Motor der Radikalisierung ist oft das Internet. Eine autoritäre Erziehung, innerfamiliäre Gewalt und soziale Unsicherheit verstärken Studien zufolge die Bereitschaft junger Menschen, selbst gewalttätig zu werden und sich von Islamisten vereinnahmen zu lassen.