Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Sahra Wagenknecht: Ist Links das neue Rechts?

Sahra Wagenknecht

Ist Links das neue Rechts?

    • |
    Nicht alle sind mit Wagenknechts Wortmeldung einverstanden.
    Nicht alle sind mit Wagenknechts Wortmeldung einverstanden. Foto: Wolfgang Widemann (Archiv)

    Ernst blickt Sahra Wagenknecht in die Kamera. Es ist der Tag nach dem Selbstmordanschlag eines Flüchtlings in Ansbach. Ein ARD-Team filmt die Fraktionsvorsitzende der Linken, es geht um einen Beitrag für die "Tagesschau". Dann spricht Wagenknecht den Satz, der vor allem in ihrer eigenen Partei Irritationen auslöst. "Die Ereignisse der letzten Tage zeigen", sagt die Politikerin mit ruhiger Stimme, "dass die Aufnahme und Integration einer sehr großen Zahl von Flüchtlingen und Zuwanderern zumindest mit erheblichen Problemen verbunden und sehr viel schwieriger ist, als Frau Merkel uns das im letzten Herbst mit ihrem ,Wir schaffen das‘ einreden wollte." Ein Satz, dessen Echo in den eigenen Reihen nicht lange auf sich warten lässt.

    Wer die Gewalttaten mit der Flüchtlingspolitik in Zusammenhang bringe, bediene rechte Positionen, kritisiert die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke. Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Fraktion, legt Wagenknecht gar indirekt den Rücktritt nahe. "Wer Merkel von rechts kritisiert, kann nicht Vorsitzender einer Linksfraktion sein", sagt er. Eine andere Partei klatscht dagegen Beifall. "Frau Wagenknecht, kommen Sie zur AfD", jubelt André Poggenburg, Chef der Alternative für Deutschland in Sachsen-Anhalt, auf Twitter.

    Wagenknecht kennt das schon. Es ist nicht das erste Mal, dass die Vorsitzende der Linksfraktion Applaus aus dem rechten politischen Spektrum erntet. So war es, als sie nach den Übergriffen der Kölner Silvesternacht sagte, wer sein Gastrecht missbrauche, habe sein Gastrecht verwirkt. So war es, als sie in einem Interview mahnte, Geringverdiener trügen bei der derzeitigen Politik die Kosten der Flüchtlingskrise.

    Was sagen diese Äußerungen einer der prominentesten Linkspolitikerinnen des Landes über den Zustand der Linken? Ist Links etwa das neue Rechts? Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter kann bei dieser Frage bloß den Kopf schütteln. Nein, betont der Parteienforscher, Links sei keineswegs das neue Rechts. Dass Wagenknecht wirtschaftlich links stehe, halte sie nicht davon ab, "beim Thema innere Sicherheit nachzudenken", sagt er. "Wer eine linke Orientierung hat, muss seinen Verstand nicht an der Garderobe abgeben."

    Oberreuter hält Wagenknechts Aussage im ARD-Interview zudem nicht für rechts, sondern für "realistisch", wie er betont. "Wer darauf aufmerksam macht, dass die Zuwanderung von einer Million Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen Probleme aufwirft, der definiert doch keine flüchtlingsfeindliche Politik."

    Der Applaus der AfD komme aus der falschen Ecke. Ebenso kritisch sieht Oberreuter das Echo der Linken. "Die, die sie kritisieren, haben ideologische Scheuklappen auf", sagt er. Eine Welt aus einem Guss gebe es nicht.

    Daran, dass Wagenknecht mit ihren Äußerungen bewusst im rechten Lager auf Stimmenfang geht, glaubt Oberreuter nicht. "Was sie treibt, ist der Versuch, eine Position, die sie für vernünftig hält, politisch zur Geltung zu bringen", sagt er.

    Eine Sicht, die wohl auch Sahra Wagenknecht teilt. Am Tag nach dem Interview betont sie, sie habe Flüchtlinge keineswegs unter Generalverdacht stellen wollen. Vielmehr habe sie die Kanzlerin dafür kritisiert, dass diese nicht die notwendigen sozialen und politischen Voraussetzungen geschaffen habe, damit Integration gelingen könne.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden