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Kommentar: SPD stimmt für Große Koalition - und Berlin atmet auf

Kommentar

SPD stimmt für Große Koalition - und Berlin atmet auf

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    Der Chef der Mandatsprüfungs- und Zählkommission, Schatzmeister Dietmar Nietan und Olaf Scholz, stellvertretender SPD-Vorsitzender, verkünden das Ergebnis.
    Der Chef der Mandatsprüfungs- und Zählkommission, Schatzmeister Dietmar Nietan und Olaf Scholz, stellvertretender SPD-Vorsitzender, verkünden das Ergebnis. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Aufatmen. Im Willy-Brandt-Haus in Berlin verkündet der kommissarische SPD-Vorsitzende Olaf Scholz, dass beim Mitgliederentscheid eine Mehrheit von ziemlich genau zwei Dritteln für den Eintritt in die Große Koalition herausgekommen ist. Das ist weniger als vor vier Jahren (fast 78 Prozent), aber doch ein sehr klarer Auftrag, Verantwortung zu übernehmen.

    An den sonntäglichen Frühstückstischen im ganzen Land – ob beim Hefezopf im Süden oder beim Franzbrötchen im Norden, dürfte die Erleichterung über das Ende des 160-tägigen politischen Schwebezustands bei weitem überwiegen. So knapp, wie nach dem lauten innerparteilichen Streit um den Gang in die GroKo befürchtet, war es dann doch nicht. Fünf Monate nach der Bundestagswahl ist endlich der Weg frei für eine Regierungsbildung. Eine zaudernde, zögernde, unwillige, in Teilen offen rebellische SPD hat recht deutlich Ja gesagt zu einem Koalitionsvertrag, der längst nicht so schlecht ist, wie ihn seine Kritiker darstellen.

    Bedenken der GroKo-Gegner gingen von alter Größe aus

    Die Große Koalition geht weiter, doch in Wahrheit ist sie nicht mehr groß. Sondern nur noch eine ganz normale Koalition, für die es eben gerade so reicht. Die ehemaligen Volksparteien sind geschrumpft, die SPD muss sogar fürchten, ausgerechnet von der AfD eingeholt zu werden. Darum waren auch alle Bedenken der GroKo-Gegner in der SPD falsch, weil sie von alter Größe ausgingen, von Zeiten, in denen SPD und Union noch zwei echte Schwergewichte waren und die FDP das Zünglein an der Waage. Dass die Mitte ausgefranst und zuletzt mit der AfD eine neue Fraktion in den Bundestag eingezogen ist, liegt auch nicht am bloßen Umstand, dass eine GroKo regierte. Sondern an der Politik der GroKo, aus Sicht vieler Bürger gerade an ihrer Flüchtlingspolitik. Im heutigen Mehrparteiensystem führt kein Weg daran vorbei, dass die Kräfte der Mitte zumindest im Grunde bereit sind,  zusammen zu regieren.

    Die neue schwarz-rote Regierung startet nicht nur mit geschrumpfter Mehrheit, sondern mit geänderten internen Kräfteverhältnissen. Die kleine SPD hat sich in den Verhandlungen inhaltliche Zugeständnisse und bedeutende Ministerämter ertrotzt. Kanzlerin Angela Merkel ist erpressbar geworden, die SPD hat jederzeit die Macht, ihre Regierung zu beenden. Und es wäre nicht erstaunlich, würde die SPD nach der Hälfte der Legislaturperiode aussteigen.

    Erneuerung wird der SPD nicht leicht fallen

    Personell geht in die neue GroKo eine ganz anders aufgestellte SPD hinein, als vor Monaten zu erwarten war. Der anfangs so hochgejubelte Kanzlerkandidat Martin Schulz – abgestürzt. Und auch für Sigmar Gabriel, den derzeit im Volk beliebtesten Sozialdemokraten, sieht es nicht gut aus. Andrea Nahles und Olaf Scholz müssen den Spagat schaffen, vernünftig zu regieren, und gleichzeitig die zerrissene, um ihre Identität ringende Partei zu erneuern, ihr für die Zukunft neuen Mut zu geben. Das wird nicht leicht. Doch erst einmal heißt es: Aufatmen.

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