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SPD feiert Altkanzler Gerhard Schröder: Schröder: Der geduldige Nicht-Moses

SPD feiert Altkanzler Gerhard Schröder

Schröder: Der geduldige Nicht-Moses

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    Totengräber des Sozialstaats oder mutiger Rerformer: Der damalige Bundeskanzler Gerhard  Schröder (SPD) reformierte mit der Agenda 2010 Deutschland und stieß mit dem Programm auch in der eigenen Partei auf Protest. Nun feiert ihn die SPD.
    Totengräber des Sozialstaats oder mutiger Rerformer: Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) reformierte mit der Agenda 2010 Deutschland und stieß mit dem Programm auch in der eigenen Partei auf Protest. Nun feiert ihn die SPD. Foto: Bernd Thissen/Archiv dpa

    Das Alter stimmt auch den Altkanzler milder. Vor zehn Jahren eilte Gerhard Schröder selbst in seiner Partei der Ruf voraus, einer der Totengräber des Sozialstaates zu sein. Nun, da er weiß, wie seine Reformen das Land seitdem vorangebracht haben, kann er auch damit leben, dass die Genossen wieder ein wenig an ihnen herumzudoktern beginnen. Seine Agenda 2010, sagt Schröder, sei ja nichts Ewiges wie die Zehn Gebote. „Und ich bin schon gar nicht Moses.“

    "Nein" zum Irakkrieg feiert Zehnjähriges

    Flotten Schrittes eilt der 68-Jährige aus dem Saal der SPD-Fraktion, die er gerade erstmals seit seiner Niederlage im Herbst 2005 besucht hat. Immerhin jährt sich einiges in diesen Tagen – seine berühmte Rede vor dem Bundestag vom 14. März 2003, in der er die Deutschen auf härtere Zeiten und seine Agenda eingestimmt hat, aber auch das Nein seiner Regierung zum Irak-Krieg.

    „Du stehst in der Mitte“, sagt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier deshalb, als er mit Schröder und einem Fraktionssprecher vor die Hauptstadtpresse tritt und noch einmal an die schwierigen Debatten, die harten Kämpfe und die einsamen Entscheidungen erinnert, die sie damals durchlebt und durchlitten haben. Der eine als Kanzler. Der andere als Kanzleramtschef und Architekt der Agenda.

    Draußen vor den Kameras  schaltet Gerhard Schröder auf Wahlkampfmodus

    Es ist ein entspannter, bisweilen launiger Auftritt, mit dem Schröder für zwei Stunden zurückkehrt in die Berliner Politik. Drinnen, in der Fraktion, habe er ganz den Staatsmann gegeben, erzählt die Nördlinger Abgeordnete Gabriele Fograscher. Draußen, vor den Kameras, schaltet er zumindest sporadisch in den Wahlkampfmodus und streut immer wieder kleine Bosheiten über die zögerliche Art der Bundeskanzlerin, das Betreuungsgeld oder die teuren Reparaturarbeiten in Europa ein.

    Dass die SPD in den Umfragen weit zurückliegt, kümmert ihn kaum. Bei ihm in Niedersachsen, sagt er, habe der Union auch ihr populärer Regierungschef nichts geholfen. „Hier gibt es jetzt einen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten.“ Wie früher, als Kanzler, empfiehlt er seiner Partei auch jetzt Geduld: „Hinten werden die Enten fett.“

    Dass sein ehemaliger Umweltminister Jürgen Trittin der SPD gerade vorgeworfen hat, sie habe damals keinen Mindestlohn gewollt, nimmt Schröder sportlich. Solche kleinen Ausfälle, schmunzelt er, habe es bei „meinem Freund Jürgen“ immer wieder mal gegeben. „Aber wenn es eng wurde, konnte man sich auf ihn verlassen.“ Gescheitert aber, das fügt Schröder dann doch noch hinzu, sei der

    Altkanzler Schröder fordert "Agenda 2020"

    Das aktuelle Wahlprogramm der SPD, in dem der Mindestlohn eine zentrale Rolle spielt, hat er bisher nur auszugsweise gelesen. „Das ist bei mir immer so“, grinst der Altkanzler. Prinzipiell jedoch, beteuert er, habe er kein Problem damit, wenn die Partei zehn Jahre nach seiner Agenda-Rede das eine oder andere verändern wolle. Solange ihr Grundgedanke, das Fördern und Fordern, beibehalten werde, „bin ich der Letzte, der etwas dagegen hätte“.

    Damit dennoch niemand auf dumme Gedanken kommt, hat Schröder tags zuvor in der Bild-Zeitung allerdings schon plakativ eine „Agenda 2020“ gefordert und zu noch größeren Anstrengungen in der Bildungs- und Forschungspolitik aufgerufen. Nun fragt der Altkanzler provozierend in die Runde: „Wo soll die nächste Generation qualifizierter Facharbeiter denn sonst herkommen?“

    Die sieben Jahre, die er nicht mehr hier war, sieht man ihm an. Das Gesicht etwas zerfurchter, die Schläfen etwas grauer, der Blick etwas müder: Es hat seine Zeit gedauert, bis die SPD ihren Frieden mit Gerhard Schröder gemacht hat. Nun aber empfangen ihn ihre Abgeordneten, von denen er viele schon nicht mehr richtig kennt, mit Ovationen.

    Ein kleiner Seitenhieb auf die Nachfolgerin darf nicht fehlen

    Frank-Walter Steinmeier erinnert noch einmal daran, was die damalige Oppositionsführerin Angela Merkel über die Agenda gesagt habe, nämlich, dass das Reformpaket kein großer Wurf sei. „Das müsste ihr heute eigentlich noch die Schamesröte ins Gesicht treiben“, kritisiert er. Schröder selbst belässt es bei der Bemerkung, seine Nachfolgerin habe der Agenda nichts Vergleichbares hinzugefügt.

    Der Rest ist heitere Nostalgie. Die Frage eines Reporters, wie er heute über sein Image als „Genosse der Bosse“ denke, der am liebsten Anzüge von Brioni trägt und vorzugsweise Cohiba-Zigarren raucht, beantwortet Schröder mit einem kurzen Blick auf die Innenseite seines Sakkos, das offenbar nicht aus der italienischen Edelschneiderei stammt. „Ist nicht“, sagt er dann. „Obwohl ich jetzt ja könnte.“

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