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SPD: Wird doch Martin Schulz Kanzler-Kandidat der SPD?

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Wird doch Martin Schulz Kanzler-Kandidat der SPD?

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    Sigmar Gabriel und Martin Schulz: Je länger der SPD-Chef zögert, die Kanzlerkandidatur zu übernehmen, umso stärker richten sich die Augen auf den umtriebigen Europapolitiker.
    Sigmar Gabriel und Martin Schulz: Je länger der SPD-Chef zögert, die Kanzlerkandidatur zu übernehmen, umso stärker richten sich die Augen auf den umtriebigen Europapolitiker. Foto: Imago

    Ist das noch Routine – oder schon Wahlkampf? Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, hetzt durch die Republik, als werde er nach Kilometern bezahlt. Kaum zurück aus Spanien, wo er sich mit Ministerpräsident Mariano Rajoy getroffen hatte, saß er am Wochenende schon wieder bei einem Anti-Rassismus-Kongress in Dresden. Es folgten das Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche und eine Podiumsdiskussion in Passau. In dieser Woche wird er nach drei vollgepackten Tagen in Brüssel noch bei den Lateinamerika-Tagen in Hamburg reden, in Berlin einen Preis verliehen bekommen und ein Buch vorstellen, das sich nur mit einer Person beschäftigt:

    Ob das mit dem Mann für Europa so noch stimmt, ist im Moment eines der am besten gehüteten Geheimnisse von Sigmar Gabriel. Je länger der SPD-Chef zögert, die Kanzlerkandidatur zu übernehmen, umso stärker richten sich die Augen der Partei auf den umtriebigen Schulz. Dass der nichts lieber täte als Angela Merkel herauszufordern, gilt im Flurfunk der SPD als sicher. Davor allerdings muss Gabriel wissen, was er selbst will. Würde er, wie zuletzt mit Peer Steinbrück, wieder einem anderen den Vortritt lassen, wären vermutlich auch seine Tage als Parteivorsitzender gezählt. Motto: Einmal kneifen geht, zweimal nicht. Ein Insider formuliert es so: „Viele erwarten, dass er jetzt selbst antritt.“

    Offiziell ist die Marschroute abgesteckt. „Anfang nächsten Jahres werden wir uns für einen Kanzlerkandidaten entscheiden“, sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht. Gabriel, fügt sie hinzu, leiste als Parteichef hervorragende Arbeit und habe den ersten Zugriff. „Wenn er sich für die Kandidatur entscheidet, wird ihn seine Partei mit voller Kraft unterstützen.“ Genau daran jedoch scheint der Vorsitzende zu zweifeln. Er weiß, dass die Parteilinke ihn nicht aus Überzeugung, sondern allenfalls aus Loyalität akzeptieren würde. Er weiß, dass er im Ruf steht, ein wenig zu wankelmütig zu sein, und dass er in der SPD mehr Gegner hat, als es für einen Spitzenmann gut ist. Soll er sich da in ein aussichtsloses Rennen gegen Angela Merkel jagen lassen?

    Kanzler-Kandidat der SPD: Martin Schulz und Sigmar Gabriel sind Freunde

    Vor drei Wochen sah alles danach aus, als wäre die berühmte Messe gelesen. Mit einer unerwartet klaren Mehrheit hatte ein Parteikonvent in Wolfsburg dem Wirtschaftsminister den Rücken für die Verabschiedung des umstrittenen europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta gestärkt. Anschließend war es ausgerechnet sein Vertrauter Schulz, der Gabriel attestierte, er habe in dieser kniffligen Angelegenheit seinen Führungsanspruch und seine Führungsfähigkeit demonstriert. Nachdem die SPD kurz zuvor auch bei den Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mit dem Schrecken davongekommen war, klang das, als könne es nur einen Kanzlerkandidaten geben: Gabriel.

    Sieben Jahre ist er jetzt SPD-Vorsitzender, so lange wie keiner anderer seit Willy Brandt – der natürliche Kanzlerkandidat. Eigentlich. Aber sieht er das auch so? Dem wachsenden Druck, sich zu erklären, begegnet Gabriel mit demonstrativer Lässigkeit. Solange die Union nicht entschieden habe, ob Angela Merkel noch einmal antritt, sieht er seine Partei nicht im Zugzwang: „Ich jedenfalls bin ganz entspannt.“ Die SPD sei in einer komfortablen Lage, wenn sie gleich über mehrere denkbare Herausforderer verfüge. Zu ihnen gehört, das nur der Vollständigkeit halber, auch noch Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, der bei der Parteilinken allerdings noch weniger Fans hat als Gabriel.

    Dass Schulz in einer Kampfabstimmung gegen seinen Freund Sigmar antreten würde, gilt als ausgeschlossen, dazu ist das Verhältnis der beiden zu eng. Gleichzeitig jedoch steht auch für den Vorzeige-Europäer einiges auf dem Spiel. Seine Amtszeit als Parlamentspräsident endet im Dezember. Will er anschließend nicht zwischen den Kollegen aus Malta, Zypern und Rumänien auf den Hinterbänken versauern, braucht der 60-Jährige eine neue Karriereperspektive. Schulz, ein glänzender Redner und geschickter Vermarkter seiner selbst, liebäugelt dem Vernehmen nach schon länger mit einem Wechsel nach Berlin, gerne auch als Außenminister, falls Frank-Walter Steinmeier doch Bundespräsident werden sollte. Für die nächste Bundestagswahl soll die nordrhein-westfälische SPD ihm schon Platz eins auf ihrer Landesliste reserviert haben.

    Die nächste Etappe im Kandidatenrennen ist nun ausgerechnet der Parteitag der CDU Anfang Dezember in Essen. Sollte Angela Merkel dort die letzten Zweifel ausräumen und ihre erneute Kandidatur ankündigen, werden auch die Sozialdemokraten die Kandidatenfrage nicht mehr lange offenhalten können. Für Florian Pronold, den bayerischen Landesvorsitzenden, ist sie ohnehin längst beantwortet. „Ich gehe davon aus, dass es Sigmar Gabriel sein wird“, sagt er unserer Zeitung. „Und ich bin mir sicher, dass er das sehr gut macht.“ Was aber steckt dann hinter dem Hype um Schulz? Pronold: „Überzogene Aufregung.“

    Der Mann für den Fall der Fälle macht dennoch unverdrossen weiter. In der nächsten Woche eröffnet der ehemalige Buchhändler Schulz die Frankfurter Buchmesse.

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