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SPD: Wer wusste was? Edathy äußert sich zu Kinderporno-Affäre

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Wer wusste was? Edathy äußert sich zu Kinderporno-Affäre

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    Sebastian Edathy will beweisen, dass ihn Parteikollegen angeblich erst vor den Ermittlungen gewarnt und dann fallengelassen haben.
    Sebastian Edathy will beweisen, dass ihn Parteikollegen angeblich erst vor den Ermittlungen gewarnt und dann fallengelassen haben. Foto: Michael Reichel/Archiv (dpa)

    Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy will sich zehn Monate nach Bekanntwerden von Kinderporno-Vorwürfen gegen ihn erstmals öffentlich äußern. Bevor er Donnerstagmittag als Zeuge im Untersuchungsausschuss des Bundestages aussagt, stellt sich der ehemalige Innenpolitiker in Berlin den Fragen der Presse. Gegen den 45-Jährigen läuft in Niedersachsen ein Strafverfahren wegen des Besitzes von kinderpornografischem Material. Er könnte sich deshalb im Untersuchungsausschuss auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen.

     Parlamentspräsident Norbert Lammert kritisierte den geplanten Auftritt Edathys in der Bundespressekonferenz noch vor der Ausschussbefragung. Lammert sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Ich finde die Ankündigung von Sebastian Edathy, sich vor der Anhörung im Untersuchungsausschuss des Bundestages zunächst in die Bundespressekonferenz zu begeben, ebenso unpassend wie die offensichtliche Bereitschaft der Bundespressekonferenz, diese Reihenfolge zu akzeptieren."

    Edathy muss sich ab Februar wegen Verdachts auf Besitz von Kinderpornografie vor Gericht verantworten. Der Edathy-Ausschuss will vor allem aufklären, wer wann von den Ermittlungen gegen den prominenten Politiker wusste und ob Edathy vor Ermittlungen gegen ihn gewarnt wurde. Dabei dürfte auch der Name des heutigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann zur Sprache kommen. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat indes schon mehrmals betont, Edathy sei aus der SPD-Spitze nie wegen Ermittlungen gewarnt worden. 

    Chronologie: Die Affäre Edathy

    2012: Die kanadische Polizei informiert das Bundeskriminalamt über deutsche Kunden eines kanadischen Online-Shops, der auch Kinderpornografie vertreibt. Im Oktober 2012 gibt das BKA die Daten zur Auswertung an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

    Oktober 2013: BKA-Chef Jörg Ziercke informiert den Staatssekretär des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Der sagt SPD-Chef Gabriel, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland der Name Edathy aufgetaucht sei. Gabriel erzählt Fraktionschef Steinmeier davon.

    5. November 2013: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erfährt in einem Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle erstmals von dem Verdacht.

    Anfang Januar 2014: Edathy meldet seiner Fraktion seine Krankschreibung. Ende November 2013 hatte der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Michael Hartmann Oppermann bereits darüber informiert, dass Edathy gesundheitliche Probleme habe.

    22. Januar 2014: Edathys Anwalt sucht das Gespräch mit Oberstaatsanwalt Thomas Klinge. Dabei wiederholt er, was sein Mandant gerüchteweise gehört habe. "Die Filme seien allerdings nicht pornografisch gewesen, Herr Edathy besitze sie auch nicht mehr", sagt der Anwalt nach Darstellung Jörg Fröhlichs.

    28. Januar 2014: Die Staatsanwaltschaft entscheidet, Ermittlungen einzuleiten, die zunächst verdeckt laufen.

    7. Februar 2014: Edathy legt nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat nieder. Als Motiv nennt er gesundheitliche Gründe.

    10. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Edathys Wohnungen im niedersächsischen Rehburg und in Berlin sowie Büros durchsuchen. Offenbar stoßen sie dabei nur auf wenig Material.

    11. Februar 2014: Edathy weist in einer Erklärung den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurück. Einen Tag später erhebt er Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft: Die Razzien in seinen Wohnungen und Büros seien unverhältnismäßig und widersprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen.

    13. Februar 2014: SPD-Fraktionschef Oppermann gibt bekannt, dass Sigmar Gabriel bereits im Oktober vom damaligen Innenminister Friedrich über mögliche Ermittlungen gegen Edathy informiert worden sei.

    14. Februar 2014: Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Fröhlich, gibt Einzelheiten zu den Ermittlungen bekannt. Danach geht es um den Kauf von Bildern mit nackten Jungen zwischen neun und 13 Jahren. Das liege im Grenzbereich zur Kinderpornografie, so Fröhlich. Zu dem Tipp von Friedrich an Gabriel sagt er: "Wir sind fassungslos."

    14. Februar 2014: Friedrich erklärt, er wolle im Amt bleiben, bis über ein Ermittlungsverfahren entschieden ist. Nur wenige Stunden später tritt er als Agrarminister zurück.

    18. Februar 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover leitet ein Verfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Geheimnisverrats ein. Ein Behörden-Brief kam unverschlossen sechs Tage nach Versand an. Er sollte den Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) über den Fall Edathy informieren. Es ist bekannt, dass sich ein Anwalt Edathys schon im November nach möglichen Ermittlungen erkundigt hat.

    24. Februar 2014: Gegen Edathy wird ein SPD-Parteiordnungsverfahren eingeleitet.

    2. Mai 2014: Es wird vom Landeskriminalamt Niedersachsen berichtet, dass sich Edathy strafbares kinderpornografisches Material über seinen Bundestag-Laptop beschafft habe. Die Staatsanwaltschaft schweigt.

    17. Juli 2014: Die Staatsanwaltschaft Hannover klagt den früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Besitzes von kinderpornografischen Fotos und Videos an.

    29. August 2014: Edathy scheitert mit seiner Beschwerde wegen der Durchsuchung seiner Wohnung und seines Abgeordnetenbüros beim Bundesverfassungsgericht.

    18. November 2014: Das Gericht lässt die Anklage gegen Edathy zur Hauptverhandlung zu.

    23. Februar 2015: Am Landgericht Verden startet der Prozess gegen Edathy. Er endet nach nur rund 90 Minuten. Staatsanwaltschaft und Verteidigung wollen bis zur nächsten Sitzung erneut über eine Einstellung sprechen.

    2. März 2015: Das Gericht stellt das Verfahren ein. Zuvor hat Edathy eine Erklärung verlesen lassen, in der er die Anklagevorwürfe einräumt. Zwar muss er 5000 Euro zahlen, aber er ist nicht vorbestraft.

    1. Juni 2015: Edathy muss seine SPD-Mitgliedschaft drei Jahre ruhen lassen. Das entscheidet das Schiedsgericht des SPD-Bezirks Hannover. Für einen von der Parteispitze beantragten Parteiausschluss sieht das Gremium keine ausreichende Grundlage.

    Am Abend schrieb Edathy auf seiner Facebook-Seite, er plane keinen "Rachefeldzug". Vielmehr wolle er zur Wahrheitsfindung beitragen. Direkt nach dem 45-Jährigen will der Ausschuss den SPD-Abgeordneten Michael Hartmann befragen. Edathy hatte kürzlich behauptet, Hartmann habe ihn schon 2013 vor den Ermittlungen gewarnt. Der bestreitet das.

     Die Ausschussvorsitzende Eva Högl verwies auf Widersprüche in Edathys Angaben zu den Ermittlungen, die es aufzuklären gelte: "Er hat zunächst behauptet, er habe aus den Medien davon erfahren. Jetzt sagt er, sein Parteifreund Michael Hartmann habe ihn darüber informiert", sagte sie dem Sender hr-Info.   

    Ins Visier der Behörden war Edathy geraten, weil sein Name auf der Kundenliste einer kanadischen Firma stand, die kinderpornografisches Material verbreitet hatte. Sein Fall schlug im Februar und März politisch Wellen. Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) trat zurück, weil der Vorwurf des Geheimnisverrats im Raum stand. Er hatte in seinem vorherigen Amt als Innenminister die dienstlich erlangte Information über die Ermittlungen an SPD-Chef Gabriel weitergegeben. 

    Edathy hatte sein Bundestagsmandat im Februar niedergelegt, kurz bevor die Vorwürfe gegen ihn öffentlich wurden. Seither war er abgetaucht und hielt sich wohl im Ausland auf. Dass er nun vor die Presse geht, bevor er den Abgeordneten Rede und Antwort steht, hatten alle Parteien scharf kritisiert. Die Spitze der Bundespressekonferenz hatte den geplanten Auftritt hingegen verteidigt.  dpa

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