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SPD-Vorsitz: Die SPD wird auf alle Fälle weiblicher

SPD-Vorsitz

Die SPD wird auf alle Fälle weiblicher

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    Die Favoritin: Andrea Nahles.
    Die Favoritin: Andrea Nahles. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    An Selbstbewusstsein mangelt es ihr nicht. Und an Durchsetzungsfähigkeit erst recht nicht. Andrea Nahles war bereits Juso-Chefin, SPD-Generalsekretärin und Arbeits- und Sozialministerin. Nun steht die 47-jährige Fraktionschefin davor, ein Stück Parteigeschichte zu schreiben. Am Sonntag könnte sie auf dem Sonderparteitag in Wiesbaden als erste Frau in der mittlerweile 155-jährigen Geschichte der Sozialdemokratie an die Spitze der Partei gewählt werden. „Das ist für mich eine ehrlich empfundene Ehre“, sagt sie vor dem Parteitag mit einer gewissen Ehrfurcht, aber ohne Angst vor der Herausforderung. „Ich glaube, ich kann das, und ich kann das auch im Team mit anderen zu was Gutem machen.“

    Und wie viele Stimmen bekommt Simone Lange?

    Im Grunde gilt die Wahl von Nahles als sicher. Dennoch muss sie kämpfen, denn mit der 41-jährigen Simone Lange gibt es eine Gegenkandidatin, die in den letzten Wochen an Statur wie an Zuspruch gewonnen hat. Die Oberbürgermeisterin von Flensburg, eine gebürtige Thüringerin, die 2003 nicht wegen, sondern trotz Gerhard Schröder in die SPD eintrat, präsentiert sich als Gegenentwurf zu der langjährigen Parteisoldatin und Funktionärin Nahles, als eine Vertreterin der Basis. Als sie ihre Kandidatur um den Parteivorsitz anmeldete, begründete sie dies gegenüber dem Parteivorstand mit den Worten: „Ich kann das Gefühl der Ohnmacht vieler Mitglieder gegenüber denen, die in Berlin Entscheidungen treffen, ohne die Basis einzubeziehen, sehr gut nachvollziehen.“

    Nahles sei „kein neuer Kopf“, sondern stehe als Fraktionsvorsitzende in einem Interessenkonflikt zwischen der Partei und der Regierung. Die Partei brauche aber einen eigenen Kopf, um die Erneuerung zu schaffen, die Nahles schon mehrfach versprochen habe.

    In den Führungszirkeln der SPD wurde die Kandidatur von Simone Lange lange Zeit nicht ernst genommen und eher ignoriert. Mittlerweile aber räumen sogar führende Genossen ein, es sei „gut“, dass es auf dem Parteitag eine echte Wahl gebe. 100 Prozent, wie vor etwas mehr als einem Jahr Martin Schulz, hätte Nahles ohnehin nicht bekommen, eher deutlich weniger. „Bei 70 Prozent ohne Gegenkandidat hätten alle von einem Debakel und einem geplatzten Neustart gesprochen“, räumt ein Spitzengenosse gegenüber unserer Zeitung ein. „Wenn sie jetzt trotz Gegenkandidatin 70 Prozent bekommt, gilt es als ehrliches Ergebnis und Ausdruck einer gelebten innerparteilichen Demokratie.“

    Lange statt Stegner - ein Trostpflaster für die Verliererin

    Die Herausforderin: Simone Lange.
    Die Herausforderin: Simone Lange. Foto: Carsten Rehder, dpa

    Lange, so glauben in der SPD viele, werde trotz der absehbaren Niederlage auf dem Parteitag bald schon eine wichtige Rolle in der SPD spielen – in ihrem Landesverband Schleswig-Holstein. Dort stehen im nächsten Jahr Wahlen zum Landesvorsitz an. Amtsinhaber Ralf Stegner hat viele Kritiker und Gegner, die nach der verlorenen Landtagswahl im Mai 2017 einen Neuanfang fordern. Lange könnte die personelle Erneuerung verkörpern.

    Immerhin, ein Streitpunkt zwischen der Parteispitze und der Gegenkandidatin aus Flensburg wurde kurz vor dem Parteitag noch einvernehmlich entschärft. Nachdem sich Lange beschwert hatte, dass man ihr nur zehn Minuten für ihre Bewerbungsrede auf dem Parteitag geben wolle, einigte man sich darauf, dass die beiden Kandidatinnen um das Amt der Parteichefin jeweils 30 Minuten sprechen dürfen.

    "Löffelstiel" und "Bätschi": Zitate von Andrea Nahles

    Andrea Nahles ist selten um klare Worte verlegen, die Authentizität ist ihr Markenzeichen. Eine Auswahl prägnanter Zitate:

    "Hausfrau oder Bundeskanzlerin."

    (Nahles 1989 in der Abizeitung zum Berufswunsch.)

    "Schufter mit Herz."

    (Nahles vor dem Sonderparteitag 2018 im dpa-Gespräch auf die Frage, welche Schlagzeile sie über ein Porträt über sich setzen würde.)

    "Ich benutze keine Taschenuhren; und in der weiblichen Garderobe ist dafür auch gar kein Platz vorgesehen."

    (Nahles in dem selben Gespräch zur Legende, dass neue SPD-Vorsitzende vom Vorgänger eine Taschenuhr des Gründungsvaters August Bebel überreicht bekommen.)

    "Wenn ich samstags die Straße kehre, kommen da immer ein paar Leute vorbei, da wird viel gequatscht und ich weiß, was die Leute wirklich beschäftigt."

    (Nahles in dem selben Gespräch zur Bedeutung ihres Heimatorts Weiler in der Eifel und der Frage, was die Menschen jenseits der Blase Berlin bewegt.)

    "Das ist gefrühstückt, Leute, das wollen die Medien immer gerne haben. Das hat die Partei nicht vor."

    (Nahles im November 1995 vor dem Parteitag in Mannheim auf die Frage, ob Oskar Lafontaine Rudolf Scharping stürzen könnte - unterstützt von einer Rede der Juso-Chefin Nahles stürzte Lafontaine schließlich Scharping.)

    "Rudolf, das war mir zu viel Lirum, Larum, Löffelstiel."

    (Nahles beim Parteitag 1995 in Mannheim zu Rede Scharpings - sie bejubelte anschließend den Sturz durch Lafontaine.)

    "Für die Agenda kriegen wir vielleicht irgendwann einmal den Ehrenpreis für aufrichtige Reformen, doch eine Wahl gewinnen wir so nicht."

    (Am 4. Juni 2005 im «Spiegel» über die Arbeitsmarktreform)

    "Ich hab ja gar nichts dagegen, mal Bundeskanzlerin zu werden, aber ich will doch noch ein bisschen leben!"

    (Im Juni 2008 im «Stern»)

    "Basta und Testosteron hatten wir in den letzten Jahren genug."

    (Am 13. November 2009 auf einem Parteitag in der Bewerbungsrede um das Amt der SPD-Generalsekretärin)

    "Ich mach' mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt."

    (Am 3. September 2013 singt sie das Pippi-Langstrumpf-Lied im Bundestag - als Form der Kritik an der Bundesregierung)

    "Für die Leute machen wir das, verdammte Kacke nochmal."

    (Am 5. März 2014 über die Rente mit 63)

    "Ich rieche ihre Schwäche."

    (Am 10. Dezember 2016 über CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel auf einem SPD-Landesparteitag in Bayern)

    "Ein bisschen wehmütig - und ab morgen kriegen sie in die Fresse!"

    (Am 27. September 2017 auf die Frage, wie sie sich nach ihrer letzten Kabinettssitzung mit den Unionskollegen fühle - damals dachte Nahles noch, die SPD geht in die Opposition statt in die große Koalition.)

    "Die SPD ist in die Opposition geschickt worden. Punkt!"

    (Am 29. September 2017 in der «Bild»-Zeitung)

    "Die SPD wird gebraucht. Bätschi, sage ich dazu nur. Und das wird ganz schön teuer. Bätschi, sage ich dazu nur."

    (Am 7. Dezember 2017 über Gespräche mit der Union über eine Regierungsbildung nach dem Scheitern der Jamaika-Gespräche)

    "Wir werden verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite."

    (Am 21. Januar 2018 über Koalitionsverhandlungen mit der Union)

    "Das zeugt von beachtlicher menschlicher Größe."

    (Am 9. Februar 2018 über den Verzicht des bisherigen SPD-Chefs Martin Schulz auch auf das Amt des Außenministers nach Protest an der Basis, weil er den Gang in ein Kabinett Merkel zuvor ausgeschlossen hatte)

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