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SPD: Sigmar Gabriels Totalschaden bei Tempo 120

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Sigmar Gabriels Totalschaden bei Tempo 120

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    Mit seiner Forderung nach einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen hat sich SPD-Chef Sigmar Gabriel keine Freunde gemacht. Seine Partei-Kollegen fürchten seine Alleingänge.
    Mit seiner Forderung nach einem Tempolimit auf deutschen Autobahnen hat sich SPD-Chef Sigmar Gabriel keine Freunde gemacht. Seine Partei-Kollegen fürchten seine Alleingänge. Foto: Peer Grimm (dpa)

    Seine Alleingänge sind gefürchtet. Vor allem bei seinen eigenen Parteifreunden. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier können ein Lied davon singen. Immer wieder überrascht sie ihr Parteichef Sigmar Gabriel mit seinen spontanen und überraschenden Vorstößen, die weder mit seinen engsten Mitarbeitern noch mit den Fachexperten der Partei oder der Fraktion abgesprochen sind, und regelmäßig im Willy-Brandt-Haus für Kopfschütteln oder Unruhe sorgen, erst recht wenn sie nicht mit den geltenden Positionen der SPD im Einklang stehen.

    Sigmar Gabriels Alleingänge sorgen für Unruhe

    So legte Gabriel erst kürzlich ein Sofortprogramm gegen Steuerhinterziehung vor, das er im Eiltempo zu Hause verfasst hatte – an den Finanz- und Steuerexperten der Fraktion vorbei. Entsprechend sauer war Fraktionschef Steinmeier. Nun hat Gabriel wieder mit einem Alleingang für Furore gesorgt – und mit einem Schlag seinen Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück brüskiert, seine Parteifreunde gegen sich aufgebracht und dem politischen Gegner eine Steilvorlage für den Wahlkampf geliefert, die Union und FDP denn auch genüsslich aufgriffen.

    SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert Tempo 120 auf deutschen Autobahnen

    In einem Zeitungsinterview sprach sich Gabriel ohne Not und ohne äußeren Anlass für ein generelles bundesweites Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen aus – obwohl diese Forderung zwar im Wahlprogramm der Grünen steht, nicht aber zum eben erst auf dem Sonderparteitag in Augsburg verabschiedeten „Regierungsprogramm“ der SPD gehört.

    Tempolimits auf Europas Autobahnen

    Deutschland ist das einzige Land Europas ohne ein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Laut Bundesanstalt für Straßenwesen ist aber auf etwa 40 Prozent der 12 800 deutschen Autobahnkilometer die Geschwindigkeit dauerhaft oder zeitweise begrenzt.

    140 km/h: Polen, Bulgarien (nur auf neu gebauten Strecken)

    130 km/h: Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn

    120 km/h: Belgien, Finnland, Irland, Mazedonien, Portugal, Schweiz, Serbien, Spanien, Türkei

    113 km/h: Großbritannien (umgerechnet 70 Meilen pro Stunde)

    100 km/h: Norwegen

    In Schweden gibt es kein einheitliches Tempolimit auf Autobahnen. Fahrer müssen auf den einzelnen Streckenabschnitten auf die Beschilderungen zur Geschwindigkeitsbegrenzung achten.

    Auf französischen, italienischen und kroatischen Autobahnen gelten für Fahranfänger außerdem Höchstgeschwindigkeiten, die deutlich unter den generellen Tempolimits liegen. (dpa)

    Die wenigen Worte reichten, um einen Sturm der Entrüstung auszulösen. Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der noch immer große Probleme hat, die Wähler für sich zu begeistern, erkannte sofort die Brisanz des Themas und ging unverzüglich öffentlich auf Distanz zum Parteichef.

    SPD fordert Sanierung der Autobahnen statt Tempolimit

    Die Debatte zum Thema Tempolimit laufe schon seit 20 Jahren, sagte er sichtlich angesäuert bei einer Wahlkampftour durch Nordrhein-Westfalen, „ich sehe keine Veranlassung, sie zu aktivieren“. Er wolle vielmehr im Falle eines Wahlsieges zwei Milliarden Euro pro Jahr mehr für die Sanierung maroder Autobahnen und Brücken ausgeben. Dies sei für die Verkehrssicherheit wichtiger. Und auch Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der in der Vergangenheit zu den Alleingängen Gabriels geschwiegen hatte, sah eine Chance, Gabriel endlich einmal die Grenzen aufzuzeigen. Er sehe, teilte er lapidar mit, „keine Notwendigkeit für ein generelles Tempolimit“.

    Damit stand Gabriel ganz schnell alleine auf weiter Flur. Viele Genossen fragen sich inzwischen laut, ob der oft aus dem Bauch heraus und ohne Rücksprachen agierende Gabriel nicht ein erhebliches Risiko für den Wahlkampf darstelle und noch der Richtige an der Spitze der Partei sei. Nicht wenige favorisieren längst die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

    SPD fürchtet Verlust von Wählerstimmen durch die Debatte ums Tempolimit

    In der SPD ist die Angst groß, die Autofahrer als große Wählergruppe gegen sich aufzubringen und am Stammtisch als die Partei dazustehen, die den Deutschen die Freude am Fahren verleidet. Mit Schrecken erinnern sich die Sozialdemokraten an die Grünen, die 1998 auf einem Parteitag in Magdeburg einen Benzinpreis von fünf Mark gefordert und damit einen Sturm der Empörung ausgelöst hatten. Nun ist intern von einem „Vollcrash“ und „Totalschaden“ die Rede – gerade erst habe sich die SPD in den Umfragen gefangen und von der Steueraffäre um Uli Hoeneß und der „Amigo-Affäre“ in Bayern profitiert, da könne man sich keine hausgemachte Debatte um ein Tempolimit leisten.

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