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SPD: Sigmar Gabriel: „Wenn ich jetzt anträte, würde ich scheitern"

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Sigmar Gabriel: „Wenn ich jetzt anträte, würde ich scheitern"

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    Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel (r) und Martin Schulz sprechen in der SPD-Zentrale in Berlin zu Medienvertretern.
    Der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel (r) und Martin Schulz sprechen in der SPD-Zentrale in Berlin zu Medienvertretern. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Das Rätselraten ist vorbei. Die SPD hat einen Kanzlerkandidaten. Und es ist nicht Sigmar Gabriel. Am Dienstagnachmittag hat der Parteichef allen Spekulationen ein Ende gesetzt – und was für eins. Der große Favorit hat sich selbst aus dem Rennen genommen. Stattdessen soll Martin Schulz im Herbst die Kanzlerin herausfordern (→ Kommentar: "Martin Schulz ist der bessere Kanzlerkandidat").

    Der frühere Präsident des Europäischen Parlaments ist nicht nur bei potenziellen SPD-Wählern wesentlich beliebter als Gabriel. Dass der Vizekanzler seine eigenen Ambitionen freiwillig aufgibt und Schulz auch den Parteivorsitz überlässt, ist dennoch ein überraschender Schachzug. Allerdings einer, den Gabriel – ansonsten eher für spontane Entscheidungen bekannt und gefürchtet – gut vorbereitet hatte.

    Was Gabriel und Schulz am Dienstagabend sagten

    Martin Schulz und Sigmar Gabriel äußerten sich zur SPD-Kanzlerkandidatur:

    "Das ist unser einstimmiger Präsidiumsbeschluss als Vorschlag für den Parteivorstand", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel.

    Er dankte der SPD für die Zeit als Parteichef und ergänzte: "Zur Wahrheit gehört: Ich habe es der SPD nicht immer leicht gemacht, umgekehrt auch nicht immer."

    Außerdem werde die kommende Bundestagswahl keine wie jede andere.

    Er fuhr fort: Es sei für ihn keine einfache Entscheidung gewesen. "Aber ich bin sicher, es ist die richtige."

    Schulz sprach von einem "besonderen Tag, der mich tief bewegt". Die Nominierung als Kanzlerkandidat und Parteivorsitzender sei "eine außergewöhnliche Ehre, die ich mit Stolz aber auch mit der gebotenen Demut annehme".

    Schulz über Gabriel: "Er ist ein großer Vorsitzender der SPD", bei allem was der Parteichef für die SPD und das Land getan habe.

    Schulz betonte, man wolle, dass Menschen eine sichere Zukunft für ihre Kinder haben und alle die gleichen, fairen Chancen, sich in der Gesellschaft zu verwirklichen.

    Gabriel nannte Schulz einen "großen Sozialdemokraten" sowie einen deutschen Europäer als auch europäischen Deutschen: "Er ist jemand, der Brücken bauen kann, der Menschen zusammenführt."

    Schon aufgrund seiner eigenen Biografie und langen politischen Erfahrung kenne Schulz alle Politkfelder. Schulz wisse, was für Deutschland, aber auch für Europa wichtig sei.

    Gabriel sagte, er habe sich für Schulz entschieden, weil er die besseren Chancen habe, die Wahl zu gewinnen.

    Gabriel sagte auf die Frage, warum sich der Zeitplan zur Nominierung des Kanzlerkandidaten geändert habe, die SPD werde am Sonntag entscheiden. "Ich habe nie die Absicht gehabt, die Funktionäre der SPD am Sonntag zu überraschen", sagte er...

    ... "Ich glaube, dass wir den Zeitplan ziemlich präzise eingehalten haben." Gemessen an dem, was der SPD in der Kandidatendebatte vorhergesagt worden sei, habe man "eine ziemliche Punktlandung gemacht".

    Martin Schulz mit besseren Chancen

    Sämtliche Personalfragen, die sich mit seinem Verzicht auf die Kanzlerkandidatur stellen, sind jedenfalls schon geklärt: Schulz stellt sich am Mittwochmittag in der SPD-Bundestagsfraktion vor. Und auch die Frage nach seiner eigenen Zukunft hat Gabriel gleich mitbeantwortet. Er will Nachfolger von Außenminister Frank-Walter Steinmeier werden, der am 12. Februar als Bundespräsident kandidiert. Gabriels Job an der Spitze des Wirtschaftsministeriums soll seine bisherige Staatssekretärin Brigitte Zypries übernehmen. Wahrscheinlich werden die beiden schon am Freitag im Bundestag vereidigt.

    Am Ende war es eine bittere Einsicht, die den SPD-Chef zu seinem Rückzug veranlasste: die Erkenntnis, dass die Sozialdemokraten mit dem unverbrauchten Schulz an der Spitze bessere Chancen auf ein gutes Ergebnis bei der Bundestagswahl am 24. September haben als mit ihm. „Das, was ich bringen konnte, hat nicht gereicht“, sagte Gabriel in einem Interview mit dem Stern und fügte ganz nüchtern hinzu: „Wenn ich jetzt anträte, würde ich scheitern und mit mir die SPD.“

    Als Parteivorsitzender war der 57-Jährige nie unumstritten. Seine oft sprunghafte Politik und gelegentliche Ausflüge in den Populismus waren vielen Genossen nicht geheuer. Am Dienstag verneigte sich die Partei allerdings vor ihrem Noch-Vorsitzenden – wenn auch erst nach einem kurzen Schreckmoment. Selten dürfte er von den Bundestagsabgeordneten so viel Beifall bekommen haben. „Dass er eigene Interessen zurückgestellt hat, um bessere Erfolgschancen für die SPD zu bekommen, verdient allergrößten Respekt“, sagte Fraktionschef Thomas Oppermann.

    Sigmar Gabriel zieht Konsequenzen

    Gabriel selbst hatte eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie SPD-Sympathisanten ihn und Schulz einschätzen. Das Ergebnis war eindeutig. Und Gabriel zog die Konsequenzen: „Die Partei muss an den Kandidaten glauben und sich hinter ihm versammeln, und der Kandidat selbst muss es mit jeder Faser seines Herzens wollen. Beides trifft auf mich nicht in ausreichendem Maße zu“, sagte er dem Stern. Auch private Gründe dürften für ihn eine Rolle gespielt haben. Im März wird er zum zweiten Mal Vater und will sich eigentlich mehr Zeit für die Familie nehmen. Das verträgt sich nicht unbedingt mit den Strapazen eines Bundestagswahlkampfes. Erst recht dann nicht, wenn die Aussichten auf einen Erfolg so überschaubar sind.

    Nun ruhen alle Hoffnungen der gebeutelten SPD auf dem leidenschaftlichen Europäer Schulz, der sich bisher aus der Bundespolitik weitgehend herausgehalten hat. Gabriel bezeichnete den 61-Jährigen, der als wortgewaltiger Redner bekannt ist und sich als Kämpfer gegen Populismus positioniert hat, am Dienstag als „glaubwürdigen Neuanfang zur Großen Koalition“.

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