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SPD-Parteitag in Augsburg: Peer, der Gerechte

SPD-Parteitag in Augsburg

Peer, der Gerechte

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    Peer Steinbrück: "Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden".
    Peer Steinbrück: "Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden". Foto: Peter Kneffel, dpa

    Der Kandidat begann seine Rede mit dem Schluss: "Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden", rief Peer Steinbrück in den Augsburger Messesaal und sorgte dafür, dass sich die gut 600 Delegierten schon nach den ersten Worten warmklatschten. Die Sozialdemokraten läuteten am Sonntag den Bundestagswahlkampf ein - und sprachen sich Mut zu für die Aufholjagd gegen eine derzeit übermächtig erscheinende Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

    Steinbrücks Anspruch auf das Kanzleramt folgten eine gut einstündige Rede ohne große Überraschungen und ein solider Schlussapplaus von acht Minuten. "Das Wir entscheidet" prangte in großen Buchstaben auf rotem Grund hinter dem Rednerpult. Der Spruch erlangte seinen hohen Bekanntheitsgrad vor allem dadurch, dass er seit langem von einer süddeutschen Leiharbeitsfirma benutzt wird.

    "Das Wir entscheidet"

    Das ist Peer Steinbrück

    Mit Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat zieht die SPD in den Wahlkampf.

    Lange Zeit war unklar, ob Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel SPD-Kanzlerkandidat wird.

    Peer Steinbrück ist 1947 in Hamburg geboren.

    Steinbrück war von 2002 bis 2005 Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.

    Von 2005 bis 2009 war Peer Steinbrück Bundesminister der Finanzen und stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender.

    Peer Steinbrück ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages

    Steinbrück hatte Volkswirtschaft und Soziologie in Kiel studiert.

    Gleich nach seinem Studium arbeitete Steinbrück in mehreren Bundesministerien.

    Er war als Hilfsreferent im Kanzleramt von Helmut Schmidt tätig.

    Später wurde er Büroleiter des Ministerpräsidenten Johannes Rau.

    Am 6. November 2002 wurde Steinbrück zum Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen gewählt.

    Im Herbst 2012 geht Steinbrück als Kanzlerkandidat für die SPD ins Rennen.

    Im September 2013 unterliegt er bei der Bundestagswahl klar Angela Merkel. Kurz darauf kündigt er an, keine Spitzenämter mehr antreten zu wollen.

    Doch von dem jüngsten Ärgernis rund um Steinbrücks Kandidatur ließen sich die Genossen nicht den Tag verderben. "Das Wir entscheidet", rief Steinbrück zum Schluss seiner Rede. "Wir wollen das Gemeinwohl vor den Profit stellen." Und appellierte an die SPD-Basis: "Auf in den Kampf! Noch 161 Tage bis zum Wahltag." Im roten Halbrund des Messesaals waren die zentralen SPD-Themen plakatiert: bezahlbare Mieten, Mindestlohn von 8,50 Euro, Beschränkung der Bankenmacht, mehr Geld für Bildung über höhere Spitzensteuern.

    Hoch gelobt wurde das Programm auch von Rednern der SPD-Linken - schließlich enthält es deutliche Korrekturen an den Agenda-2010-Reformen von Gerhard Schröder. Auch beim Wahlvolk kommen die SPD-Themen in Umfragen gut an. Das schlägt sich bislang aber nicht in den Werten für die

    Steinbrück attackiert Merkel

    So appellierte Steinbrück am Ende seiner Rede an die Genossen, sich nicht von den schwarz-gelben "Umfragekönigen" entmutigen zu lassen. Schließlich zeige eine ganze Serie von Landtagswahlen, zuletzt in Niedersachsen, dass bei den Ergebnissen die SPD im Aufwind sei. Den Part des aggressiven Wahlkämpfers übernahm an diesem Sonntag SPD-Chef Sigmar Gabriel. Minutenlang zog er über die "hochsympathische Anscheinserweckerin" Merkel her, die ständig Ankündigungen mache und nichts in die Tat umsetze. "Tarnen und täuschen" sei das Motto der Kanzlerin, das Kanzleramt sei eine "Fälscherwerkstatt", wetterte Gabriel.

    Mit genauso viel Elan beschwor er den Zusammenhalt in der SPD: "Wir gehen so geschlossen und einig wie schon lange nicht mehr in diesen Bundestagswahlkampf." Als Mutmacher für manch zweifelnden Genossen hatte Gabriel schon am Samstagabend die berühmte Augsburger Puppenkiste bemüht, die mit ihrem Marionettentheater unter anderem den Kinderbuch-Klassiker "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer" als Puppenspiel fürs Fernsehen produzierte. Dort gebe es den Scheinriesen Tur Tur, und mit Merkel verhalte es sich genau wie mit Herrn Tur Tur: "Je näher man ihr kommt, desto kleiner wird sie."

    Grünen-Chefin Claudia Roth als Gastrednerin

    Steinbrücks Aufreger

    Seit Beginn seiner Kandidatur hat Peer Steinbrück immer wieder mit pointierten Aussagen für Aufsehen gesorgt - der SPD-Kanzlerkandidat selbst findet manches über Gebühr zugespitzt. Die Partei fragt sich, ob das Land nicht andere Probleme habe, als auf vermeintliche Fettnäpfchen zu lauern. Im Kontext gesehen wirken einige Aussagen weit weniger spektakulär.

    NEBENVERDIENSTE: «Ich glaube, dass es Transparenz nur in Diktaturen gibt. Ich glaube, dass eine gewisse Privatheit gelten muss.» (Steinbrück am 6.10.2012 im Deutschlandfunk auf die Frage, ob es nicht einen gläsernen Abgeordneten geben muss, der alles offen legt.)

    «Ich werde mich dafür einsetzen, die Transparenzregeln des Deutschen Bundestags so zu verschärfen, dass alle Abgeordneten bis auf den letzten Cent angeben müssen, von wem und wofür sie in welcher Höhe für eine Nebentätigkeit bezahlt worden sind.» (Steinbrück nach allgemeiner Kritik an seinen hohen Nebeneinkünften am selben Tag in einer persönlichen Erklärung.)

    PINOT GRIGIO: «Schon zehn Euro Erhöhung würden den Staat eine Milliarde kosten. Und man weiß dann auch nicht, wo das Geld hingeht. Zehn Euro sind ja auch zwei Schachteln Zigaretten, zweieinhalb Bier oder zwei Pinot Grigio. Also zwei Gläser Pinot Grigio. Denn eine Flasche, die nur fünf Euro kostet, würde ich nicht kaufen.» (Steinbrück nach Angaben der «Bild»-Zeitung» am 3.12.2012 bei einer Veranstaltung in Berlin mit Blick auf eine Kindergelderhöhung.)

    KANZLERGEHALT: «Nein. Dieses Gefühl gab es nie. Im Übrigen finde ich allerdings, dass manche Debatte über die Bezahlung unserer Abgeordneten bis hin zur Spitze der Bundesregierung sehr schief ist. Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin. Abgeordnete des Bundestags arbeiten fast sieben Tage die Woche, durchschnittlich zwölf bis 13 Stunden. Sie sind gemessen an ihrer Leistung nicht überbezahlt. Manche Debatte, die unsere Tugendwächter führen, ist grotesk und schadet dem politischen Engagement. (...) Ein Bundeskanzler oder eine Bundeskanzlerin verdient in Deutschland zu wenig - gemessen an der Leistung, die sie oder er erbringen muss und im Verhältnis zu anderen Tätigkeiten mit weit weniger Verantwortung und viel größerem Gehalt.» (Steinbrück am 30.12.2012 in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» auf die Frage, ob er sich als Abgeordneter unterbezahlt fühle und ob die Kanzlerin zu wenig verdiene.)

    CLOWNS IN ITALIEN: «Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben.» (Steinbrück am 26.02.2012 bei einer «Klartext»-Veranstaltung in Potsdam zum Wahlausgang in Italien in Anspielung auf Silvio Berlusconi und den Berufskomiker Beppe Grillo.)

    UMGANG MIT RUSSLAND: «Zweifellos. Aber in bilateralen Gesprächen und nicht auf dem Marktplatz. Sonst verspielt man Zugänge, um praktische Fortschritte zu bewirken.» (Steinbrück in einem am 26. März 2013 veröffentlichten Zeit-Online-Interview auf die Frage, ob man die Russen nicht auf Demokratiedefizite und Menschenrechtsverletzungen hinweisen müsse. An dem Tag gab es Razzien bei deutschen Stiftungen in Russland, das Interview war aber bereits zuvor geführt worden.)

    GETRENNTER SPORTUNTERRICHT VON JUNGEN UND MÄDCHEN: «Wenn die Schulen es einrichten können, dann sollten sie es machen. Ich würde da Rücksicht nehmen auf religiöse Überzeugungen. Mir ist die Problematik aus den familiären Schilderungen meiner Frau sehr geläufig. Es läuft dann meistens darauf hinaus, dass die Eltern eines Mädchens islamischen Glaubens einfach eine Krankheitsmeldung machen, damit sie nicht teilnehmen muss. Eh das so gehandhabt wird, würde ich versuchen, Lösungen zu finden, um den religiösen Überzeugungen Rechnung zu tragen.» (Bei einer «Klartext»-Veranstaltung am 3. April 2013 im Berliner Tempodrom mit Blick auf die Forderung eines muslimischen Vaters, nach Geschlecht getrennten Schulsportunterricht anzubieten.)

    Eine Woche vor der Bundestagswahl 2013 posiert Peer Steinbrück auf dem Cover des SZ-Magazins - mit gerecktem Mittelfinger. Die eindeutige Geste ruft unterschiedliche Reaktionen hervor. In den sozialen Netzwerken tauchen Bild-Montagen und Spott-Fotos auf. (dpa/AZ)

    Großen Raum gab die SPD in Augsburg ihrem Wunsch-Koalitionspartner. Mit Claudia Roth sprach erstmals auf einem SPD-Parteitag eine Grünen-Chefin, und die

    Das klare Bekenntnis zur SPD ist allerdings nicht ganz unumstritten: Einige Grüne wollen den Passus wieder aus dem Entwurf ihres Wahlprogramms streichen, ein entsprechender Antrag soll auf dem Parteitag in zwei Wochen beraten werden. Die SPD-Wahlkämpfer stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, bis zum Wahltag Boden gegen die Kanzlerin gutzumachen. Steinbrück wird dies auf seinen "Klartext"-Veranstaltungen versuchen, in der heißen Phase des Wahlkampfs will die SPD zudem vier Millionen Hausbesuche absolvieren. "Einfach war der Weg der Sozialdemokratie noch nie", sagte Gabriel. Aber schließlich blicke die Partei auf "150 Jahre Kampferfahrung" zurück. afp 

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