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SPD-Parteitag: Die Kanzlerkandidaten

SPD-Parteitag

Die Kanzlerkandidaten

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    Die Troika: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (links) und der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier (rechts), applaudieren dem ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nach dessen Rede.
    Die Troika: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel (links) und der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier (rechts), applaudieren dem ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück nach dessen Rede. Foto: Tim Brakemeier, dpa

    „Lasst uns nicht überziehen.“ Frank-Walter Steinmeier  denkt schon weit über den Parteitag hinaus. Ein Spitzensteuersatz von 52 Prozent und dazu noch eine deutlich schärfere Zinsbesteuerung – eine solche Beschlusslage wäre für jeden sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten eine schwere Hypothek im Wahlkampf. „Wir können uns nur noch selbst ein Bein stellen“, warnt der Fraktionschef daher. Mit einer Erhöhung des Satzes von 42 auf 49 Prozent, findet er, muss es genug sein. Die SPD sei gut beraten, „nicht aus Daffke einfach noch einen Schnaps obendrauf zu tun“.

    SPD will Koalition "in Vorruhestand schicken"

    Eine Partei, die nach acht Jahren Abstinenz wieder den Regierungschef stellen will, hat zuvor auch schon Peer Steinbrück gewarnt, solle „die Starken nicht verprellen“ und der Konkurrenz nicht unnötig Munition liefern. Als plumper Abkassierer will der frühere Finanzminister sich jedenfalls nicht von Union und FDP vorführen lassen. Jeder Beschluss, verlangt er, müsse ab jetzt „den Realitätstest“ bestehen. Nur so könnten die Sozialdemokraten Angela Merkel und ihre Regierung „in Vorruhestand schicken“.

    „Lasst euch keine falschen Debatten aufschwatzen“

    Am Ende folgt der Parteitag weitgehend den Vorschlägen Steinbrücks für eine neue Steuer- und Finanzpolitik – wer die im nächsten Bundestagswahlkampf allerdings als Spitzenkandidat vertreten wird, ist nach den drei Tagen von Berlin unklarer denn je. Parteichef Sigmar GabrielGabriel, dem verstärkt eigene Ambitionen nachgesagt werden, hält die K-Frage mit geradezu diebischer Freude offen, weil sie der Partei eine lange nicht mehr erlebte Aufmerksamkeit verschafft.

    Helmut Schmidt, frotzelt er neuerdings, wolle mit seinen 93 Jahren ja leider nicht mehr. Und von den Ministerpräsidenten der SPD habe auch erst einer abgewunken: Erwin Sellering aus Mecklenburg-Vorpommern. „Lasst euch keine falschen Debatten zur Unzeit aufschwatzen“, appelliert er in Berlin an die 500 Delegierten. Er werde rechtzeitig einen Vorschlag machen, wer „aus meiner Sicht“ antreten solle. „Dann entscheidet ihr.“

    Steinbrück bekommt nur verhaltenen Applaus

    Peer Steinbrücks Chancen, Kanzler zu werden, sind mit diesem Auftritt nicht unbedingt gestiegen. Der selbstbewusste Ex-Minister bemüht sich in seiner Rede zwar, den Ton der Genossen zu treffen, indem er den neuen Mindestlohn der CDU als „schamlosen Betrug“ verteufelt, das Betreuungsgeld der CSU als „reinen Schwachsinn“ und die geplanten Steuersenkungen als „Pausentee für die FDP“. Der Beifall im Saal aber ist eher verhalten, was auch daran liegt, dass Steinbrück ein ziemlich spröder Redner ist und noch dazu ein sperriges Thema bearbeitet.

    Schwere Kost

    Bei ihm menschelt es, anders als bei Gabriel und Steinmeier, nicht. Bei ihm geht es ein wenig oberlehrerhaft um riskante Derivate, um die Vorzüge des Trennbankensystems, den Handel mit Kreditausfallversicherungen und eine „disponierende Elite in den Unternehmen, die einer Verantwortungsethik folgt“. Auch für die Wohlwollendsten unter seinen Fans ist das schwer verdauliche Kost – und von denen gibt es ohnehin nicht allzu viele in der SPD. Erst als Steinbrück schärfere Vorschriften für die Finanzwirtschaft fordert und sich dabei auf Karl Schiller beruft, den früheren Superminister, geht wieder ein Ruck durch den Saal: „So viel Markt wie möglich“, hat der einmal verlangt, „und so viel Staat wie nötig.“

    Härtetest überstanden

    Steinmeier? Steinbrück? Gabriel? Entschieden ist nach dem Schaulaufen der potenziellen Kandidaten noch nichts – und das Bild, das die SPD am letzten Tag ihres Parteitages abgibt, könnte harmonischer kaum sein. Steinbrück steht auf der Bühne, genießt den Beifall der Genossen und schaut dann für einen Moment nach rechts, wo Gabriel und Steinmeier sitzen.

    Ein kurzer Wink von ihm, ein kurzes Zögern bei ihnen – und dann reißen plötzlich alle Fotografen ihre Kameras in die Höhe. Steinmeier und Gabriel nehmen Steinbrück in die Mitte und applaudieren ihm freundlich. Ihren ersten Härtetest hat die Troika schließlich gemeinsam überstanden: Dem linken Flügel ist es nicht gelungen, die Koordinaten der SPD noch weiter nach links zu verschieben. Die Partei, sagt Sigmar Gabriel zufrieden, habe in allen Beschlüssen in Berlin „Maß und Mitte gezeigt“.

    Der große Unbekannte bleibt Gabriel

    Küren wird sie ihren Kanzlerkandidaten kurz vor oder kurz nach der Wahl in Niedersachsen im Januar 2013. Hätte die SPD die freie Entscheidung zwischen Steinbrück und Steinmeier, dürfte vermutlich der frühere Außenminister das Rennen machen. Obwohl er im ersten Anlauf grandios gescheitert ist, schätzt die Partei seine verlässliche, unaufgeregte Art. Mit Helmut Schmidts Liebling Steinbrück dagegen wird sie nicht wirklich warm, sosehr der 64-Jährige sich auch bemüht, wenn er sich plötzlich für einen gesetzlichen Mindestlohn stark macht und sich sanft von der Politik der Schröder-Jahre absetzt. Der große Unbekannte bleibt allerdings Gabriel selbst – und der genießt genau das.

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