Da steht er ein letztes Mal als SPD-Chef im Schatten der Willy-Brandt-Skulptur. Selten ist ein Politiker so hoch geflogen und so tief gefallen. Es ist schon eine Untertreibung, wenn Martin Schulz nun sagt: „Es ist ein bisweilen schwieriges Amt.“ Er scheide ohne Bitterkeit und Groll. „Ich habe in diesem Amt Höhen und Tiefen erlebt, wie man sie in der Politik in dieser Form selten erlebt.“
Am Dienstag, 13. Februar 2018, ist um 18.41 Uhr eine besonders seltsame Episode in der Geschichte der deutschen Sozialdemokratie zu Ende. Schulz sagt, das Präsidium habe einstimmig Andrea Nahles als seine Nachfolgerin vorgeschlagen, sie soll auf einem Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden gewählt werden. Aber, und das lässt Schulz bewusst aus, sie wird anders als geplant nicht sofort kommissarisch übernehmen. Denn hier hat sich der nächste Proteststurm entwickelt.
Weil viele Parteigliederungen nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden wollten, und es womöglich mehrere Gegenkandidaten geben wird, übernimmt zunächst der SPD-Vizechef, Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz, kommissarisch bis April die Führung. Eigentlich sollte Nahles sofort ran.
Als Nahles und Scholz – nach Schulz – die Lösung vorstellen, hat sie kaum noch eine Stimme. Sie könne gut damit leben, krächzt sie. Sie begreife es als große Ehre, einstimmig für den Vorsitz nominiert worden zu sein. Nun muss Nahles auf Ochsentour durch Deutschland, um die Mitglieder für eine Zustimmung zur Großen Koalition zu gewinnen. „Es geht nicht in die Hose“, sagt sie. „Und mein Schicksal verknüpfe ich mit goa nix.“ Aber eines ist sicher derzeit bei der SPD: nichts.
Nahles ist zwar Chefin der Bundestagsabgeordneten, aber eben kein gewähltes Mitglied des SPD-Vorstands. Befürchtet wurde, dass das in einer Woche beginnende Votum der Mitglieder über den Eintritt in die Große Koalition wegen der Querelen zum Ventil werden könnte. Der Unmut richtet sich weniger gegen Nahles als künftige Vorsitzende, sondern gegen das Prozedere auf dem Weg dahin. Die Lage ist fragil. Nahles bekommt nun den Gegenwind, den sie oft gerne selbst entfacht hat.
Für einen ist es jetzt vorbei. „Manches geht auch unter die Haut“, sagt Schulz, der als letzten Dienst an der Partei den Weg freimachte. Die Zeit werde die Wunden heilen, glaubt er. Die SPD werde zu alter Kraft zurückfinden. „Wenn ich mit meinem Amtsverzicht ein Stück weit dazu beitragen kann, dann hat er sich gelohnt“, sagt Schulz. Und geht. Von Georg Ismar und Christiane Jacke, dpa