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Russland: Wie Putin sich selbst zum Superpräsidenten macht

Russland

Wie Putin sich selbst zum Superpräsidenten macht

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    Das russische Parlament hat den Weg freigemacht für eine neue Amtszeit von Präsident Wladimir Putin ab 2024. Dafür wird die Verfassung geändert. Laut aktueller Verfassung hätte er nicht noch einmal antreten dürfen im Rennen um das höchste Staatsamt in Russland.
    Das russische Parlament hat den Weg freigemacht für eine neue Amtszeit von Präsident Wladimir Putin ab 2024. Dafür wird die Verfassung geändert. Laut aktueller Verfassung hätte er nicht noch einmal antreten dürfen im Rennen um das höchste Staatsamt in Russland. Foto: Mikhail Klimentyev, dpa

    Nicht einmal 20 Minuten nimmt sich Wladimir Putin Zeit, um all den Spekulationen, die ihn seit seiner Wiederwahl zum Präsidenten vor knapp zwei Jahren begleiten, die Luft zu nehmen. Was er nach 2024 macht, wenn wieder einmal zwei Amtszeiten vorbei sind und er eigentlich nicht wieder kandidieren dürfte? Russlands Präsident bleiben natürlich. Hatte jemand jemals daran gezweifelt?

    Der 67-Jährige äußert sich bei einer Rede zur größten Verfassungsänderung der russischen Geschichte am Dienstag erstmals zu seiner Zukunft. "Die Macht in unserem Land war schon immer personifiziert. Irgendwann wird sie es vielleicht nicht mehr sein", sagt er und gestikuliert nervös vor seinem Rednerpult. Das Land brauche einen starken Manager in Krisenzeiten. Schon mit diesen Sätzen legt er dar, wie er seine Rolle sieht: In der des Superpräsidenten. Die Ankündigung, dass das Verfassungsgericht das letzte Wort habe, verleiht dem politischen Coup lediglich einen demokratischen Anstrich. Über die Besetzung des Verfassungsgerichtes soll laut der geplanten Änderungen der Verfassung ohnehin der Präsident bestimmen. Wladimir Putin gibt sich schicksalsergeben: "Ich habe mich immer von langfristigen Interessen unseres Volkes leiten lassen und werde es auch in Zukunft tun." Entscheiden solle das Volk, sagt der Präsident. Entschieden aber hat der Präsident längst selbst.

    Lange wurde über Putins Absicht gerätselt

    Eigentlich sollte die Duma, das russische Parlament, am Dienstag über die umfassenden Änderungen der Verfassung in der zweiten und entscheidenden Lesung beraten. Erst im Januar hatte Putin selbst die Änderungen angeregt. Das Rätselraten nahm damals seinen Lauf. Putin sprach von der Schaffung eines Staatsrates. Beobachter im Land sahen ihn an der Spitze dieses die Rolle des Strippenziehers im Hintergrund übernehmen. Vor einigen Tagen hatte der 67-Jährige das so entstehende "Zwei-Mächte-System" kritisiert. Warum, das wurde jetzt klar.

    Russlands Präsident Wladimir Putin vor der Abstimmung über Verfassungsänderungen in der Staatsduma.
    Russlands Präsident Wladimir Putin vor der Abstimmung über Verfassungsänderungen in der Staatsduma. Foto: Alexei Nikolsky, dpa

    Mehr als 200 Änderungen "irreversiblen Charakters", so Putin, hatte eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Schauspielern, Kosakenführern oder auch Museumsleitern ausgearbeitet. Darunter finden sich Vorschläge wie "Jüngere müssen Respekt vor Älteren haben", "Die Familie ist ein Bund von Mann und Frau" oder "Die Russische Föderation schützt die historische Wahrheit und ehrt die Erinnerung an die Verteidiger des Vaterlandes". Die Änderungen sind ein Sammelsurium konservativer und patriotischer Elemente und längst zu einem ideologischen Projekt geworden. Auch die russisch-orthodoxe Kirche, Putins wichtige Machtstütze, erhält jede Menge Zugeständnisse, die es so bisher nicht gab. Die liberalen Ideen des Westens hatte er schon voriges Jahr in einem Interview für "tot" erklärt.

    Das Amt des Präsidenten sei sein "Schicksal"

    "Warum noch mehr Zeit verlieren?", fragt der Parlamentssprecher Wjatscheslaw Wolodin gleich zu Beginn der Scheindebatte in der Duma. Und so erhebt sich Valentina Tereschkowa, die betagte erste Frau im All, verbeugt sich und fordert die "Annullierung der Amtszeiten des amtierenden Präsidenten": Sollten die Verfassungsänderungen in Kraft treten, so müsse Wladimir Putin wieder kandidieren dürfen, sage sie. "Wegen der Stabilität." Niemand sei so gut wie Putin auf dem Posten.

    Für eineinhalb Stunden unterbricht das Parlament die Sitzung daraufhin, um diesen "überraschenden Vorschlag" mit dem Präsidenten zu besprechen. Und nach diesen eineinhalb Stunden spricht der Präsident selbst in der Duma: Ja, auch er habe in den vergangenen Wochen bei Reisen immer wieder den Wunsch der Menschen gespürt, dass er künftig die Geschicke des Landes weiter führe. Viele dieser Treffen mit handverlesenen Putin-Fans übertrug das Staatsfernsehen. "Mir gefällt meine Arbeit", sagt Putin einmal. Das Amt des Präsidenten sei sein "Schicksal". Zwar sagte Putin, dass Russland irgendwann einen Präsidenten brauche, bei dem sich weniger alles um die Person drehe. Aber eben noch nicht jetzt. Bleiben soll aber nach seiner Einschätzung die Begrenzung auf maximal zwei Amtszeiten – für künftige Staatschefs.

    Die Opposition spricht von einem "Staatsstreich"

    Die Opposition kritisiert seit Wochen, dass Putin die Verfassungsänderung für seine Operation Machterhalt missbrauche. Kremlgegner werfen ihm einen "Staatsstreich" vor. "Welch ein Zirkus", schreibt der Oppositionelle Alexej Nawalny. Sein Sprecher, Leonid Wolkow, spricht von einem "Putsch".

    Die Mehrheit der Abgeordneten sieht das anders. Sie applaudieren und stimmen nur wenige Minuten nach Putins Rede dafür, dessen bisherige Amtszeiten auf Null zu setzen. Dadurch kann er regieren, bis er 83 ist. So alt wie die Ex-Kosmonautin Tereschkowa heute ist.

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