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Russland: "Spiel mit dem Atomknopf" - Russland schürt neue Ängste im Westen

Russland

"Spiel mit dem Atomknopf" - Russland schürt neue Ängste im Westen

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    Kremlchef Wladimir Putin rüstet militärisch auf.
    Kremlchef Wladimir Putin rüstet militärisch auf. Foto: Sergei Ilnitsky (dpa)

    Auf dem großen Militärforum "Armija-2015" in der Nähe von Moskau ist Kremlchef Wladimir Putin in seinem Element. Die Leistungsschau für die Stärke der Atommacht Russland lockt seit Tagen Besucher an. Dass der russische Präsident hier - wie oft bei solchen Terminen - neue Atomraketen verspricht, erwarten die Gäste von ihm. Sie hören es erleichtert. Doch vor allem der Westen sieht die immer auffälligere atomare Kraftmeierei der Russen mit wachsender Sorge.

    In Russland selbst aber stärkt die "Nuklearkeule" wie zu Sowjetzeiten das nationale Selbstbewusstsein. Mal kündigen Militärs an, sie würden wie im Kalten Krieg bald wieder die gefürchteten Züge mit Atomraketen durch das Land rollen lassen. Dann donnerten bei Russlands größter Militärparade seit Ende des Zweiten Weltkrieges am 9. Mai Raketenträger über den Roten Platz. Die nach den USA zweitgrößte Atommacht der Welt zeigt gern, was sie hat.

    Dabei gelten eigentlich auch in Russland schon dezente Hinweise auf das immense Arsenal an Massenvernichtungswaffen als scharfe Form politischer Drohgebärden. Doch atomare Muskelspiele liegen im Trend in Russland - nicht erst seit Beginn der Ukraine-Krise.

    Das "Spielen mit dem Atomknopf" solle den Westen einschüchtern, sagt der Politologe Dmitri Oreschkin. Angstreflexe oder Drohungen des Westens wiederum helfen dem Kreml dabei, Feindbilder zu zeichnen und Machtansprüche im postsowjetischen Raum zu untermauern, wie Kommentatoren betonen. Wie kein anderes Überbleibsel aus Sowjetzeiten erinnern die Atomwaffen die Russen an den einstigen Großmachtstatus.

    Gefahr eines neuen Wettrüstens

    Der Wirtschaftsexperte Wladislaw Inosemzew sieht zudem handfeste ökonomische Ziele der mächtigen und korrupten Rüstungskonzerne. Das Feindbild Nato solle die steigenden Rüstungsausgaben rechtfertigen, Arbeitsplätze in Waffenschmieden und damit Wachstum schaffen. "Es ist offensichtlich, dass der Kreml Russland als militärisch mächtiges Land sehen will, und er ist bereit, dafür Geld auszugeben", stellt Inosemzew fest.

    Für die Modernisierung der Streitkräfte will Russland bis 2020 Dutzende Milliarden Euro ausgeben. Im vergangenen Jahr machte das rund 4,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus - so viel wie noch nie, wie Inosemzew ausgerechnet hat. Das Land habe nach den USA und China die höchsten Militärausgaben der Welt.

    Wegen der neuen Ost-West-Spaltung sieht auch das kremlkritische Magazin "The New Times" die Gefahr eines neuen Wettrüstens. Die "kollektive Paranoia" und die Angst des Kreml vor Machtverlust führe zu einer neuen Militarisierung der Gesellschaft, schreibt das Blatt. Das Staatsfernsehen etwa schürt außerdem Ängste der Russen, der Westen könnte im Stil Hitlers versuchen, sich Öl, Gas und andere Bodenschätze der Rohstoffmacht einzuverleiben.

    Zwar räumen auch westliche Militärexperten ein, dass Russland mehr für seine Sicherheit tun könne. Vergessen sind aber die Zeiten, als sich der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Kremlchef Michail Gorbatschow in den 1980er für atomare Abrüstung einsetzte. Präsident Putin hebt vielmehr den großen Nutzen der Waffen hervor.

    Russland gehe es lediglich um strategische Sicherheit

    Einmal bejaht er im Staatsfernsehen die Frage, ob Russland bei der umstrittenen Einverleibung der Schwarzmeer-Halbinsel Krim auch die Atomraketen in Bereitschaft versetzt hätte. Einmal lässt er einen Diplomaten zu einer dänischen Zeitung sagen, dass Russland seine Nuklearsprengköpfe auf jeden in Europa richten könne, der Teile der US-Raketenabwehr bei sich stationiert.

    Die in diesem Jahr für die Streitkräfte geplanten 40 neuen Interkontinentalraketen seien in der Lage, selbst auf die ausgereiftesten Anlagen zu antworten, betont Putin. "Wenn jemand unsere Sicherheit bedroht, dann sollten wir unsere Streitkräfte rüsten", sagte Putin am Dienstagabend bei einem Treffen mit dem finnischen Präsidenten Sauli Niinistö. Es sei doch die Nato, die sich den Grenzen Russlands nähere - und nicht umgekehrt.

    Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow stellte angesichts der Aufregung im Westen um die Atomraketen klar, dass Russland kein neues Wettrüsten wolle: "Wir sind gegen einen Rüstungswettkampf, weil das natürlich unsere wirtschaftlichen Möglichkeiten schwächt." Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass es Russland lediglich um seine strategische Sicherheit gehe. Von Ulf Mauder, dpa

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