Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Russland als Partner und Freund gewürdigt, zugleich aber mehr Kritikfähigkeit von dem Land und seiner Regierung gefordert. "Meine Bitte ist, nicht jede Kritik sofort als destruktiv anzusehen", sagte sie am Freitag bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen in Moskau. Zu einem verschärften Wortwechsel mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kam es beim Thema Pussy Riot.
Merkel und Putin diskutieren über Pussy Riot
Merkel betonte bei den 14. deutsch-russischen Regierungskonsultationen den Geist von Freundschaft und Partnerschaft zwischen beiden Ländern. "Wir wollen, dass Russland erfolgreich ist", sagte die Kanzlerin. Zu einer solchen Beziehung gehörten aber auch Kritik und Streit.
Merkel teilte Putin nach eigenen Angaben im direkten Gespräch ihre "Sorge über einige Gesetzgebungsvorhaben" mit, welche die Arbeit von Regierungskritikern erschweren und deren Bestrafung erleichtern und verschärfen. Ausdrücklich ging die Kanzlerin auf offener Bühne im Rahmen des Petersburger Dialogs auch auf das bereits im Sommer von ihr kritisierte Urteil gegen Mitglieder der Punkband Pussy Riot ein. Die Bestrafung mit zwei Jahren Arbeitslager für die jungen Frauen hätte es in Deutschland nicht gegeben, sagte Merkel.
Putin weist Kritik Merkels zurück
Putin wies dies in einer scharfen Antwort zurück. Die Kanzlerin wisse offenbar nichts von der antisemitischen Aktion einer der Sängerinnen, sagte er. "Ich glaube nicht, dass Deutschland so etwas unterstützen sollte."
Der Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, der in Moskau an der Abschlusssitzung des Petersburger Dialogs teilnahm, sprach von einem diplomatischen "Eklat". Pussy-Riot-Mitglied Nadeschda Tolokonnikowa habe vor zwei Jahren an einer Protestaktion der Künstler-Gruppe Wojna gegen Fremdenfeindlichkeit und Homophobie teilgenommen, bei der fünf Wojna-Aktivisten symbolisch gehängt worden seien. Eines der Lynchopfer sei in Anspielung auf gängige Stereotypen als "Homosexueller jüdischer Herkunft" deklariert gewesen. Putins Darstellung der Aktion sei also "glatter Rufmord", erklärte Fücks.
Putin nannte seinerseits kritikwürdige Punkte an Deutschland, darunter die fehlende Gleichberechtigung von Mann und Frau. Im Verhältnis zu Deutschland herrsche aber "keine düstere Atmosphäre".
Spannungen zwischen Deutschland und Russland
Vor Merkels Besuch hatte es deutliche Spannungen zwischen Berlin und Moskau gegeben. Insbesondere eine Bundestags-Resolution sowie die Kritik des Russland-Beauftragten der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff (CDU), hatten in Moskau für Verärgerung gesorgt. Schockenhoff hatte unterdessen vor Ort weiter mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Sein Büro bestätigte am Freitag, dass ihm der Eintritt in die russische Duma verwehrt wurde und auch ein Treffen im russischen Außenministerium nicht zustande kam. afp/dpa/AZ