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Russland: Putins Kreml-Rückkehr: Jetzt regiert ein geschwächter starker Mann

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Putins Kreml-Rückkehr: Jetzt regiert ein geschwächter starker Mann

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    Putin hat sich nach einer erzwungenen Pause wieder die Macht im Kreml gesichert.
    Putin hat sich nach einer erzwungenen Pause wieder die Macht im Kreml gesichert. Foto: Sergei Chirikov dpa

    Den Wahlzettel ließ er auf dem Weg zur Urne fallen, aber sonst hat er wieder alles im Griff. Mit dem zweitbesten Wahlergebnis seiner Karriere tritt der russische Präsidentenkandidat Wladimir Putin seine umstrittene Rückkehr in den Kreml an. Doch dieser von Betrugsvorwürfen überschattete Sieg mit etwa 60 Prozent der Stimmen bedeutet für Putin nach Meinung von Beobachtern kein einfaches Regieren. Seine Gegner erkennen das Ergebnis nach einem als schmutzig kritisierten Wahlkampf nicht an.

    Nach der Amtseinführung im Mai will Putin, dem Kritiker autoritäre Tendenzen vorwerfen, die Atommacht zum dritten Mal wie schon von 2000 bis 2008 als "allmächtiger" Kremlchef führen. Das hat vor ihm noch keiner geschafft. Zudem kann er gemäß geänderter Verfassung erstmals sechs Jahre und damit zwei Jahre länger regieren.

    Angesichts der hohen Ölpreise, der immensen Rohstoffressourcen und der soliden Wirtschaftslage der Energiegroßmacht Russland strotzt der 59-Jährige vor Selbstbewusstsein.

    An Putins Machtwillen hat niemand Zweifel

    Er verfehlte zwar seine persönliche Bestmarke von 71 Prozent der Stimmen bei der Wahl 2004. Doch an Putins Machtwillen hat niemand einen Zweifel.

    "Wer, wenn nicht Putin?" war das allgegenwärtige Motto dieses Wahlkampfes. Tatsächlich galt nach Umfragen niemand seiner vier Mitbewerber oder auch unter den Oppositionellen, die gar nicht erst zur Wahl zugelassen waren, als stark genug, Putin das Zepter der Macht abzujagen.

    Gleichwohl bezweifeln viele Beobachter und vor allem die Opposition, dass sich Putin angesichts dieses umstrittenen Ergebnisses dauerhaft wird halten können. Sie sehen Russland längst vor einer Zeitenwende. Der Druck einer wachsenden Mittelschicht, die mehr demokratische Freiheiten einfordert, wächst.

    Putins Gegner sehen ihn als geschwächt, weil er sich nach der umstrittenen Parlamentswahl vom Dezember nun einmal mehr dem Vorwurf ausgesetzt sieht, den Sieg mit unfairen Mitteln errungen zu haben. Bei der Kritik geht es auch um den Missbrauch von Staatsmedien und Behördenressourcen für politische Zwecke und Druck auf Wähler im öffentlichen Dienst.

    Doch das deutliche Ergebnis schürt nach Meinung von Experten neue Ängste, der Ex-Geheimdienstchef könnte die Daumenschrauben weiter anziehen. Zwar hatte Putin selbst erst kurz vor der Wahl versprochen, die Zügel der Macht nicht noch fester zu halten. Er stellte sogar politische Reformen in Aussicht. Doch mehr Demokratie, das weiß Moskaus Machtlager, könnte letztlich das politische Ende des seit zwölf Jahren in den Etagen der Macht regierenden Politikers bedeuten.

    Hat Putin wirklich 50 Prozent Rückhalt in Russland?

    Putin - Der Kämpfer

    Wladimir Putin kam 1952 in Leningrad zur Welt. Die Arbeiterfamilie lebte in einer 20-Quadratmeter-Wohnung.

    Der kleine Wladimir prügelte sich oft mit Gleichaltrigen. Heute beherrscht er Boxen, Sambo und Judo.

    Nach der Schule studierte er Jura.

    Von 1975 bis 1982 war Putin Offizier des weißrussischen Geheimdienstes.

    1999 ernannte Jelzin Putin zum Ministerpräsidenten. Als Jelzin im Dezember überraschend sein Amt niederlegte, übernahm Putin die Geschäfte des Präsidenten.

    2000 wurde er zum russischen Präsident gewählt. Nach zwei Amtszeiten gab er 2008 den Posten an Freund Dmitri Medwedew ab.

    Im März 2012 wurde Putin erneut Präsident.

    Am Vortag der Wahl fand eine Massenkundgebung gegen Putin statt, bei der es zu blutigen Ausschreitungen kam.

    Kritiker bringen Putin mit Korruption, Justizwillkür und Menschenrechtsverletzungen in Verbindung.

    Auch von Gefolgsleuten wird ihm vorgeworfen, er sei beratungsresistent.

    "In deren Vorstellung bedeutet Demokratisierung Verantwortungslosigkeit, weil sie die Lage außer Kontrolle geraten lassen", meint etwa der Politologe Dmitri Oreschkin. Er bezweifelt in der russischsprachigen kremlkritischen Zeitschrift "The New Times", dass Putin wirklich noch 50 Prozent Rückhalt im Land habe.

    Ihrem Ärger wollen diejenigen, die sich einmal um ihre Stimme betrogen fühlen, bei neuen Massenprotesten Luft machen. Schon als das "Machttandem" aus Putin und seinem politischen Ziehsohn, Kremlchef Dmitri Medwedew, im September 2011 ankündigte, im Mai die Ämter tauschen zu wollen, sahen sich viele Russen um das Recht auf Mitbestimmung betrogen.

    Nicht wenigen bereitet die Aussicht Unbehagen, dass Putin bei jetzt erneut zwei möglichen Amtszeiten hintereinander noch bis 2024 im Kreml sitzen könnte. Internetforen sind voll von Diskussionen junger, gut ausgebildeter Menschen, die angesichts der festgefahrenen Strukturen von Korruption und Vetternwirtschaft für sich keine Zukunft sehen und lieber ins Ausland gehen wollen. Auch die Kapitalflucht aus Russland ist riesig.

    Putin selbst führte nach Einschätzung von Politologen einen Wahlkampf mit Angst, als sei das Land im Krieg. Das Machtlager bezeichnete diejenigen, die gegen Putin protestierten, als vom Westen bezahlte Agenten, als Verräter am russischen Volk. Dass die Gefolgsleute des Ex-KGB-Offiziers keinen Aufwand scheuen würden, ihm das politische Überleben zu sichern, daran hatten die meisten Russen keinen Zweifel. AZ, dpa

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