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Russland: Nawalny wirft Moskau Staatsterrorismus vor

Russland

Nawalny wirft Moskau Staatsterrorismus vor

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    Kremlkritiker Alexej Nawalny hat einen Geheimdienstagenten offenbar mit einem Telefontrick überführt.
    Kremlkritiker Alexej Nawalny hat einen Geheimdienstagenten offenbar mit einem Telefontrick überführt. Foto: Navalny Instagram Account, dpa

    Die Reaktion auf die Fälschungsvorwürfe war typisch für Alexej Nawalny: Mit einem „Hahahahaha“ quittierte der russische Regimekritiker Alexej Nawalny per Twitter die Attacken des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Der Konflikt auf weltweiter Bühne zwischen dem bekanntesten Renegaten und dem autoritären System des Präsidenten Wladimir Putin wird durch dieses Telefonat noch brisanter. Nawalny spricht ganz offen von einem „handfesten terroristischen Akt“.

    Der Oppositionelle hatte auf Youtube einen Mitschnitt eines von Deutschland aus geführten Telefonats vom 14.Dezember veröffentlicht, in dem er sich als Assistent des Chefs des russischen Sicherheitsrats ausgibt, um das Vertrauen des Mannes zu gewinnen. In dem Gespräch räumte der mutmaßliche Mitarbeiter des Dienstes nicht nur die Verantwortung für das Mordkomplott ein, sondern nahm auch dazu Stellung, warum Nawalny den Anschlag am Ende überlebt hat. Unter dem Titel „Ich habe meinen Mörder angerufen. Er hat gestanden“ veröffentlichte Nawalny auf Youtube den Mitschnitt eines Telefonats mit dem mutmaßlichen FSB-Agenten. Der Anruf wird durch Recherchen mehrerer Medien, darunter des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel sowie der Rechercheplattformen Bellingcat und The Insider, bestätigt. Laut diesen Quellen sprach der Agent in aller Ausführlichkeit 50 Minuten mit dem weltweit bekannten Feind Putins. Wenige Stunden nach seiner Veröffentlichung war der Mitschnitt bereits mehr als fünf Millionen Mal aufgerufen worden.

    Große Inszenierung Wladimir Putin bei der jährlichen Bürgersprechstunde. Doch die Zweifel wachsen, ob der Präsident noch demokratische Grundsätze achtet.
    Große Inszenierung Wladimir Putin bei der jährlichen Bürgersprechstunde. Doch die Zweifel wachsen, ob der Präsident noch demokratische Grundsätze achtet. Foto: Aleksey Nikolskyi/Pool Sputnik Kremlin, dpa

    Die unmittelbare Reaktion des Kremls auf den Vorwurf, für staatlichen Terrorismus verantwortlich zu sein, lässt vermuten, dass die russische Regierung den aktuellen Coup ihres prominentesten Kritikers durchaus ernst nimmt. Das Gespräch, in dem der angebliche FSB-Mann die Vergiftung Nawalnys im Sommer 2020 einräumt, sei eine „geplante Provokation zur Diskreditierung des russischen FSB“, teilte der FSB nach Angaben der Staatsagentur Ria Nowosti mit. Es würden Untersuchungen eingeleitet. Da drängt sich natürlich die Frage auf, warum bis heute in Russland nicht erst einmal wegen des Giftanschlags auf den russischen Staatsbürger Nawalny ermittelt wird.

    Der Regimekritiker war im August auf einem Inlandsflug in Sibirien zusammengebrochen. Der mutmaßliche FSB-Mann sagte in dem Telefonat, dass das Gift an der Innenseite von Nawalnys Unterhose angebracht gewesen sei. Der 44-jährige Oppositionelle habe wohl nur deshalb überlebt, weil der Flug nicht lange genug gedauert habe und Sanitäter ihn so schnell versorgt hätten. Twitter-User sparten nicht an Spott: „Putin, gib die Unterhose zurück“, hieß es. Eine andere Nutzerin twitterte, dass Putin als Wiederhersteller der Weltmacht Russland in die Geschichte habe eingehen wollen, aber nun stattdessen der „Vergifter der Höschen“ sei.

    Ist Putin der Drahtzieher des Mordanschlages?

    In der vergangenen Woche hatten mehrere Medien Rechercheergebnisse über den Mordversuch veröffentlicht. Danach seien mindestens acht russische Geheimdienstagenten an dem Anschlag und dessen Vorbereitung beteiligt gewesen. Moskau wiederholte, dass es keine Vergiftung Nawalnys gegeben habe und alle Nowitschok-Vorräte vernichtet worden seien. Aufmerksam registriert wurde im Westen jedoch, dass Putin die Beobachtung seines schärfsten Kritikers durch russische Geheimdienstler erstmals explizit eingeräumt hatte. Nawalny hatte immer wieder direkt auf den Kremlchef als Drahtzieher des Auftragsmordes verwiesen.

    Das weltweite Aufsehen, das der Fall in mehreren Wellen ausgelöst hat, ist für Moskau offensichtlich hochnotpeinlich. Wie anders ist zu erklären, dass die Spitzendiplomatie des Landes nun zu einer groß angelegten Offensive bläst, die auch Berlin trifft? Russland hat als Reaktion auf die EU-Sanktionen wegen der Vergiftung des russischen Oppositionellen Einreisesperren gegen Vertreter des deutschen Regierungsapparats verhängt.

    Moskau lässt die Diplomaten antreten

    Damit nicht genug: Das russische Außenministerium hat hochrangige Diplomaten aus mehreren EU-Staaten zu einem Gespräch eingeladen, um per Verbalnote sein Missfallen über den Umgang dieser Länder mit dem Giftanschlag zu unterstreichen.

    Bereits Mitte November hatte Außenminister Sergej Lawrow die Gegenmaßnahmen auf einer Pressekonferenz angekündigt: „Weil Deutschland die Lokomotive war für die Sanktionen der EU im Zusammenhang mit Nawalny und weil die Sanktionen leitende Mitarbeiter der russischen Präsidialverwaltung betreffen, wird unsere Antwort spiegelgerecht ausfallen“, hatte er im November erklärt. Nawalnys „Telefonjoker“ könnte Moskaus Strategie nun allerdings komplett aushebeln.

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