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Russland: Massen protestieren gegen "Korruption im Kreml"

Russland

Massen protestieren gegen "Korruption im Kreml"

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    Symbol für die Korruption in Russland: Demonstranten tragen am Sonntag in St. Petersburg ein Plakat, das Ministerpräsident Dmitri Medwedew zeigt.
    Symbol für die Korruption in Russland: Demonstranten tragen am Sonntag in St. Petersburg ein Plakat, das Ministerpräsident Dmitri Medwedew zeigt. Foto: Dmitri Lowetski, dpa

    In Russland scheint die Friedhofsruhe zu Ende zu gehen, die sich nach Wladimir Putins dritter Wahl zum Präsidenten im Jahr 2012 breitgemacht hat. Erstmals seit Jahren fanden am Wochenende in Moskau, St. Petersburg und anderen großen Städten wieder ungenehmigte Massendemonstrationen der Opposition statt. Insgesamt zehntausende Bürger protestierten gegen „Korruption“ in der Führung des Landes.

    Die Kundgebungen erinnerten an die machtvollen Proteste gegen Wahlfälschungen bei der Parlamentswahl 2011 und gegen Putins erneute Präsidentschaftskandidatur 2012. Das Regime reagierte auch dieses Mal wie gewohnt: An die 1000 Demonstranten wurden am Sonntag verhaftet. Ihr Anführer, der prominente Putin-Gegner Alexej Nawalny, wurde gestern zu 15 Tagen Arrest und einer Geldstrafe verurteilt.

    Nawalny selbst hatte zum Thema Korruption recherchiert und Aufrüttelndes an den Tag gebracht. In einem fast einstündigen Dokumentarfilm, der seit kurzem bei Youtube zu sehen ist und bereits von Millionen Nutzern aufgerufen wurde, berichtet er über angebliche systematische Betrugsmanöver, die Dmitri Medwedew zugutekommen. Der heutige Ministerpräsident war von 2008 bis 2012 russischer Präsident, als sich Putin nach zwei Amtszeiten eine Auszeit nahm und „nur“ als Regierungschef fungierte. Im Westen gilt der Rechtsanwalt aus St. Petersburg, der meist einen freundlichen Eindruck macht, als vergleichsweise liberal.

    Protest in Russland: Wann ist dran an Vorwürfen gegen Medwedew?

    Aber das moderate Auftreten verdeckt offenbar, dass Medwedew in Wahrheit knallhart seine eigenen Interessen verfolgt. Und so soll die Masche funktionieren: Oligarchen und Firmen spenden Geld, das mehreren Stiftungen und wohltätigen Organisationen zufließt. Diese dienen aber angeblich alleine dem Zweck, herrschaftliche Anwesen, Jachten und Weinberge zu kaufen, die Medwedew zur Verfügung stehen, ohne dass dieser als Eigentümer eingetragen ist. Mindestens 1,3 Milliarden Euro sind laut Nawalny auf diese Weise bereits in die Taschen des Ministerpräsidenten geflossen.

    Was ist dran an den Vorwürfen? Medwedews Sprecherin Natalia Timakowa und auch Putin-Sprecher Dmitri Peskow wiesen die Behauptungen zurück – ohne allerdings auf Details einzugehen. So gibt es keine Stellungnahmen zu den von Nawalny konkret benannten Objekten. Timakowa sagte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Tass, der Film weise einen „Wahlkampfcharakter“ auf. „Es ist sinnlos, ein Propaganda-Machwerk zu kommentieren, das von einem Oppositionellen erstellt wurde, der verurteilt worden ist und der selbst sagt, dass er eine Wahlkampagne betreibt und gegen die Regierung kämpft.“

    Nawalny will bei Wahl in Russland gegen Putin antreten

    Nawalny, der in einem umstrittenen Betrugsprozess zu fünf Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden ist, hat in der Tat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2018 angekündigt. Da voraussichtlich auch Putin ein weiteres Mal antreten wird, gilt Nawalny als direkter Konkurrent des Staatschefs. Dies erklärt auch die nervöse Reaktion des Kreml auf die wieder aufgeflammten Massenproteste.

    Selbstverständlich, so behauptete gestern Putins Sprecher Peskow, achte man das Demonstrationsrecht der Bürger. Diese müssten sich aber an die Vorschriften halten, fügte er hinzu. Die Kundgebung im Stadtzentrum sei nicht genehmigt gewesen, man habe den Organisatoren aber alternative Standorte angeboten. Diese lagen jedoch, so erklärten Sprecher der Opposition, am Stadtrand und seien daher nicht akzeptabel gewesen.

    Auffallend viele junge Leute nahmen nach Berichten der Nachrichtenagenturen dpa und afp am Sonntag an den Demonstrationen teil. „Wir sind frustriert, dass sich in Russland nichts ändert“, sagte die 24-jährige Studentin Anastassija in Moskau. „Natürlich wird der Protest die Machthaber nicht stürzen, aber wir wollen ein Zeichen setzen.“ Eine Festnahme nehme sie in Kauf. Der 26-jährige Fabrikarbeiter Nikolaj Mojsey sagte: „Wir haben das Video alle gesehen. Sie stehlen und sie lügen, aber die Leute bleiben immer weiter geduldig.“ Die jetzige Protestbewegung sei „ein erster Anlauf zum Handeln“. Viele Demonstranten riefen „Russland ohne Putin!“ und „Russland wird frei sein!“

    In der internationalen Politik entbrannte ein Streit um die Behandlung der Demonstranten in Moskau. Viele westliche

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