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Russland: Alexej Nawalny ist in Haft: Das sind seine wichtigsten Helfer

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Alexej Nawalny ist in Haft: Das sind seine wichtigsten Helfer

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    Eine Demonstrantin protestiert in Volgograd gegen die Inhaftierung des Kremlkritikers Nawalny.
    Eine Demonstrantin protestiert in Volgograd gegen die Inhaftierung des Kremlkritikers Nawalny. Foto: Dmitry Rogulin, dpa

    Alexej Nawalny hatte für seinen Auftritt vor Gericht eine klare Botschaft vorbereitet. „Es kommt vor, dass Willkür das Wesen eines politischen Systems ausmacht, und das ist fürchterlich. Aber es gibt noch Schlimmeres: Wenn die Willkür sich in eine Robe hüllt“, sagte er am Dienstag, kurz bevor die Vorsitzende Richterin in ihrer Robe den derzeit prominentesten russischen Oppositionellen für fast drei Jahre in Lagerhaft schickte. Aber Nawalny hatte noch eine Pointe in petto: „Dann ist es die Pflicht jedes Menschen, Widerstand zu leisten.“ Fand der Aufruf Gehör?

    In Moskau protestierten noch am selben Abend tausende Menschen für Nawalnys Freilassung. Für das Wochenende sind landesweit neue Kundgebungen geplant. Dann wird sich zeigen, ob das „Team Nawalny“, wie es der 44-Jährige selbst gern nennt, seine Schlagkraft auch ohne seinen charismatischen Anführer bewahren kann. Einiges spricht dafür. Denn die zentralen Figuren des Teams sind ähnlich lange im oppositionellen Kampf gestählt wie Nawalny. Und sie sind ähnlich entschlossen, Widerstand zu leisten.

    Alexej Nawalny steht in einem gläsernen Käfig im Gerichtssaal in Moskau.
    Alexej Nawalny steht in einem gläsernen Käfig im Gerichtssaal in Moskau. Foto: Uncredited/Moscow City Court/dpa

    Das gilt zuallererst für Leonid Wolkow. Der korpulente 40-Jährige mit dem dunklen Vollbart mag zwar äußerlich weniger scharfe Konturen aufweisen als der eher hagere Charakterkopf Nawalny. In Wahrheit aber ist Wolkow so etwas wie das „Superhirn“ im Team. Der Sohn eines Mathematik-Professors und einer Informatikerin ist Computernerd, Wahlkampfguru und Topmanager in einem. Am wichtigsten: Wolkow steuert die „technische Abteilung“ des Teams.

    Alexej Nawalnys Unterstützer arbeiten in Russland am Widerstand

    Wer im Einzelnen dazugehört und wie genau Wolkows Leute arbeiten, darüber hüllen sie sich naturgemäß in Schweigen. Das aufwendig gestaltete und unter spektakulärem Drohneneinsatz recherchierte Nawalny-Skandalvideo über „Putins Palast“ belegte aber zuletzt, über welche Möglichkeiten Wolkows Cyberguerilla verfügt. Und das zeigte sich auch an den jüngsten Protestwochenenden. Wolkows Abteilung lenkte die Kundgebungen in dem riesigen Land zwischen Pazifik und Ostsee vor allem über den kaum zu entschlüsselnden Messengerdienst Telegram.

    Ob der Kanal das Mittel der Wahl bleibt, ist offen. Die jüngste Ankündigung des Kremls, Online-Netzwerke mit schärferen Gesetzen zu kontrollieren, konterte Wolkow mit der Ansage: „Wir sind auf alles vorbereitet.“ Der 40-Jährige aus der Ural-Metropole Jekaterinburg kann aber auch analog kämpfen.

    Lange unterstützte er den 2015 ermordeten liberalen Oppositionsführer Boris Nemzow und saß mehrfach in Haft. Auf Wolkow geht zudem die Strategie des „Smart Votings“ zurück. „Kluges Abstimmen“ heißt, dass Nawalnys Team bei Wahlen immer den aussichtsreichsten Gegenkandidaten der Kremlparteien unterstützt, ganz egal aus welchem politischen Lager.

    Ein Cyberguerilla und eine Einser-Juristin: Sie helfen Alexej Nawalny in Russland

    Nach außen hin verkaufen kann diese Strategie niemand besser als die 33-jährige Ljubow Sobol. Die redegewandte Einser-Juristin ist so etwas wie das Gesicht des Teams Nawalny. Während Wolkow meist im Geheimen arbeitet, sucht Sobol die Öffentlichkeit und sorgt für Reichweite. Trotz ihres jungen Alters kämpft sie schon seit mehr als zehn Jahren für die Anti-Putin-Opposition, deren Koordinierungsrat sie seit den Massenprotesten von 2011/12 angehört.

    Auch Sobol unterstützte anfangs vor allem Nemzow und suchte nach dessen Tod die Nähe zu Nawalny, dessen YouTube-Kanal sie moderierte. Die Mutter einer Tochter saß wie fast alle russischen Oppositionellen wiederholt in Haft. Ihre wohl schlimmste Erfahrung war aber ein Attentat auf ihren Ehemann Sergei. 2016 rammte ein Unbekannter dem Publizisten eine Giftspritze in die Hüfte. Er erlitt schwere Krämpfe und verlor das Bewusstsein, überlebte aber. Eine wichtige Spur führte zu einem Söldner der berüchtigten kremltreuen „Wagner-Truppe“.

    Kremlchef Wladimir Putin sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt.
    Kremlchef Wladimir Putin sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Foto: Mikhail Klimentyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

    Kaum geringer dürfte das Gefahrenpotenzial für Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch sein. Die 31-jährige Journalistin und Schriftstellerin spricht wie niemand sonst im Team die junge Generation an. Wer Nawalny bei Twitter folgen will, sollte lieber Jarmysch folgen. Funkstille herrscht auf ihrem Kanal nur, wenn sie inhaftiert ist – wie Ende Januar, als sie für neun Tage ins Gefängnis musste, weil sie zu Protesten aufgerufen hatte. Was ihr bevorstehen könnte, hat Jarmysch im vergangenen Jahr in dem Roman „Die unglaublichen Vorfälle in der Frauenzelle Nr. 3“ aufgeschrieben.

    Alexej Nawalnys Unterstützer arbeiten in Russland am Widerstand

    Weniger stark im Rampenlicht steht Nawalnys Anwaltsduo Olga Michajlowa und Wadim Kobsew. Die beiden ergänzen sich seit vielen Jahren und haben für Nawalny schon mehrfach vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt – meist erfolgreich. Zuletzt verurteilte der EGMR den russischen Staat im vergangenen Herbst zu einer Entschädigungszahlung, weil Nawalny bei den Protesten 2012 „entwürdigend behandelt und sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde“. Kobsew und Michajlowa haben bereits angekündigt, auch im aktuellen Verfahren gegen Nawalny den EGMR anzurufen.

    Ohne Wolkow und Sobol, Jarmysch, Kobsew und Michajlowa wäre Nawalny als ernst zu nehmender Putin-Herausforderer kaum vorstellbar. Undenkbar aber wäre der „Held Nawalny“ ohne seine Ehefrau Julia Nawalnaja. Die kremlkritische „Nowaja Gazeta“ rief die 44-Jährige im Dezember zur „Heldin des Jahres“ aus.

    Als Ehemann Alexej wegen des Giftanschlags im vergangenen August den zwanzigsten Hochzeitstag verpasste, holte er den Dank mit den Worten nach: „Julia, du hast mich gerettet.“ Und das war ganz grundsätzlich gemeint. Bei seiner Verurteilung am Dienstag malte Nawalny mit den Fingern ein Herz an die Scheibe des Glaskäfigs, in dem er im Gericht ausharren musste. Im Saal saß Julia.

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