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Rüstungsindustrie: Wohin mit deutschen Waffen?

Rüstungsindustrie

Wohin mit deutschen Waffen?

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    Deutschland ist drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt.
    Deutschland ist drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt. Foto: Peter Steffen/Archiv (dpa)

    Wenn deutsche Politiker über Rüstungsexporte streiten, greifen zuverlässig die bekannten Rituale. So auch jetzt wieder. Waffenlieferungen galten schon bei den Koalitionsverhandlungen als potenzielles Reizthema innerhalb der Regierung. Denn die Meinungsverschiedenheiten zwischen der Union und der SPD bei der Genehmigungspraxis für Ausfuhren von Kriegsgerät sind tief.

    Der Militärexperte Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) verfolgt die Debatten seit vielen Jahren. „Es gibt zwei Gruppen: Die eine ist aus sicherheitspolitischen oder moralischen Gründen im Zweifel gegen Rüstungsexporte, die andere aus wirtschaftspolitischen Erwägungen dafür. Das Problem ist, dass die Diskussionen zu nichts führen, weil eine Grundlage fehlt“, sagte Mölling unserer Zeitung.

    Sigmar Gabriel: "Rüstungsexporte sind Instrument der Sicherheitspolitik"

    Der jüngste Zusammenprall in der Großen Koalition musste irgendwann kommen: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte die Differenzen in seinem Vorwort zum Rüstungsexportbericht 2013 sehr schön zusammengefasst: „Rüstungsexporte sind kein Mittel der Wirtschaftspolitik, sie sind ein Instrument der Sicherheitspolitik“, schrieb der SPD-Vorsitzende im Juni 2014. Fast folgerichtig denkt Gabriel laut darüber nach, ob das Thema Waffenlieferungen in Zukunft nicht im Außen- statt im Wirtschaftsministerium besser aufgehoben sei. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sieht das ganz anders: Es verschärfe die Probleme der Rüstungsindustrie, wenn „ohne Konzeption und ohne klaren Kompass ein faktischer Exportstopp herbeigeführt wird“, erklärte der CSU-Chef. „Dieses Extrem könnte ich nicht mittragen.“ Der Konter aus der SPD kam postwendend: Er sei sich nicht sicher, ob „Horst Seehofer gut beraten ist, alle vier Wochen das Rumpelstilzchen zu machen“, sagte SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel.

    Grundregel nach Genscher: keine Waffen in Krisengebiete

    Doch die Schwierigkeiten liegen tiefer. Gabriel hatte als Oppositionspolitiker zu den schärfsten Kritikern deutscher Waffenexporte gezählt. Im Sommer 2012 entzündete sich ein heftiger Streit um die Lieferung deutscher Kampfpanzer vom Typ Leopard 2. Angeklopft hatten Saudi-Arabien, Katar und Indonesien – Staaten also, die nicht eben als Hort der Demokratie gelten. Während sich Politiker der damaligen Koalition dennoch Lieferungen an diese Staaten vorstellen konnten, pochten SPD und Grüne auf die Grundregel, die einst Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) aufgestellt hatte: keine Kriegswaffen in Krisengebiete.

    Wirtschaftsminister Gabriel will Waffenexporte restriktiver handhaben

    Seit Herbst 2013 regiert die SPD mit: Gabriel sieht sich als Wirtschaftsminister der Großen Koalition in der Pflicht, Waffenexporte transparenter und letztlich auch restriktiver zu handhaben. Diese Linie wird von Teilen der Union mit großem Misstrauen verfolgt. So warnte CDU-Vizefraktionschef Michael Fuchs gestern im Deutschlandfunk davor, dass nicht nur 200 000 Arbeitsplätze, sondern auch das technische Know-how gefährdet seien, wenn Rüstungsexporte zu restriktiv behandelt würden.

    Militärexperte Mölling hat einen auf den ersten Blick simplen Vorschlag, um eine Basis für die Entscheidung über Rüstungsexporte zu schaffen. Dafür bedürfte es jedoch von den Koalitionspartnern den Willen zum Kompromiss: „Die Bundesregierung sollte sich eine Weltkarte malen. Eine Farbe für Länder, die sicherheitspolitisch für Waffenlieferungen infrage kommen, eine andere Farbe für die Länder, in die es keine Rüstungsexporte geben kann.“ In eine zweite Weltkarte müsse eingezeichnet werden, welche Länder sich deutsche Waffen überhaupt leisten können. Staaten, die dann übrig bleiben, kämen für Lieferungen in Betracht. Mölling: „Auf diese Weise wäre es in Deutschland endlich möglich, auf einer öffentlichkeitsfähigen Basis zu debattieren.“ Bis heute ist es Praxis, dass der Bundessicherheitsrat zeitversetzt Entscheidungen präsentiert, deren Zustandekommen kaum nachvollziehbar sind.

    Entschlüsse des Bundessicherheitsrats müssen früher an die Öffentlichkeit

    Für mehr Transparenz ist auch Peter Barth, Vorstandsmitglied der Studiengesellschaft für Friedensforschung. „Es wäre sicher besser, wenn die Entscheidungen des Bundessicherheitsrats deutlich schneller veröffentlicht werden würden.“ Für Barth ist dies schon deshalb sinnvoll, weil sich so die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit erhöhen würde. Was wiederum die Politiker sensibilisieren könne. „Tatsache bleibt aber, dass Frankreich oder Großbritannien und andere Staaten weit weniger Skrupel als Deutschland haben.“ Brauchen wir also internationale Regelungen? „Das wäre wünschenswert, aber dafür sind die jeweiligen nationalen Interessen zu stark“, sagte Barth unserer Zeitung, um hinzuzufügen, dass man angesichts dieser verfahrenen Lage „schon verzweifeln“ könne.

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