Der Konflikt in der Großen Koalition über Rüstungsexporte spitzt sich weiter zu. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will sich von seinem strikten Kurs bei Waffenlieferungen auch nicht von Arbeitsplatz-Sorgen abbringen lassen. „Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen“, sagte Gabriel gestern nach einem Treffen mit Betriebsräten von Rüstungsunternehmen.
Unsicherheiten in der Rüstungsbranche
Die Betriebsräte fordern ein rasches Konzept für die Rüstungsbranche und mehr Aufträge von der Bundeswehr. Der baden-württembergische IG-Metall-Landeschef Roman Zitzelsberger stellte sich vor dem Treffen hinter die Forderung nach schärferen Regeln für Waffenexporte. Allerdings verlangte er von der Regierung eine Antwort auf die Frage, wie viel Wehr- und Sicherheitstechnik in Deutschland gewollt sei. Die Branche müsse wissen, wohin sie sich orientieren könne.
Differente Stimmen aus der Koalition
Ob dieser Wunsch in absehbarer Zeit in Erfüllung geht, ist zumindest zweifelhaft. In der Regierungskoalition ist eine gemeinsame Linie nicht in Sicht. Gabriels Parteikollege, Außenminister Frank Walter Steinmeier sagte gestern: „Wir müssen den Kurden schon auch die Möglichkeit geben, sich zur Wehr zu setzen.“ Massive Kritik am Wirtschaftsminister kommt aus der Union. „Was Gabriel macht, ist aus meiner Sicht eine Gefährdung der nationalen Sicherheit“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer (CDU). Mit Blick auf mögliche deutsche Waffenlieferungen in der Irak-Krise meinte Pfeiffer, Deutschland sollte in einer offensiven europäischen Außen- und Sicherheitspolitik mehr Verantwortung übernehmen.
Militärexperte Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik bemängelt hingegen, dass das „Thema Rüstungsexporte und militärische Nothilfe für die Kurden vermengt“ werde. „Wenn Deutschland kurzfristig Waffen für die Kurden liefern will, kann es sich eigentlich in erster Linie nur um Altbestände der Bundeswehr handeln“, sagte Mölling unserer Zeitung. Genehmigte Rüstungsexporte im herkömmlichen Sinne seien dies nicht.
Definitionen im Koalitionsvertrag nicht eindeutig
Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass Exporte in Staaten außerhalb EU und Nato nur in Ausnahmefällen erlaubt werden. Und zwar dann, wenn sie besonderen Sicherheits- und Bündnisinteressen Deutschlands entsprechen. Doch diese Interessen werden in der Großen Koalition völlig unterschiedlich definiert. Gabriel begründet die von ihm befürwortete restriktivere Praxis damit, dass „unter Schwarz-Gelb die Ausnahmen zur Regel geworden“ seien.
Militärexperte Mölling kritisiert, dass die „deutsche Diskussion um Rüstungsexporte jetzt wieder national eingefärbt“ sei. Für die Probleme der Rüstungsindustrie werde es aber nur europäische Lösungen geben. „Darüber, was wir sicherheitspolitisch mit unseren Lieferungen überhaupt erreichen wollen, wird kaum gesprochen.“ (mit dpa)